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Dienstag, 21. Februar 2017

Der neue Gesandte III

Während die Linke bemerkt hat, daß ihr die Felle davonschwimmen, erklärt Stefan Sell gewohnt eloquent bei Makroskop, warum die sozialpolitische Diskussion der letzten Tage abwegig ist:

Während zu Beginn der 1990er Jahre noch 80 Prozent der Arbeitslosen Anspruch auf Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung hatten, ist es heute umgekehrt: 70 Prozent sind von vornherein auf Hartz-IV-Leistungen.

Mit anderen Worten: Sie zahlen, soweit sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren oder sind, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, aus der sie niemals Leistungen beziehen werden bzw. aus der sie niemals ausreichende Leistungen erhalten können. Sie sind zu kurz beschäftigt, und sie erhalten zu niedrige Löhne, so daß sie aus dem Grundsicherungsniveau niemals herauskommen können. Ihre Ansprüche scheitern also schon bei den Zugangsvoraussetzungen zu einer höheren sozialen Sicherung. Und um sie geht es in der aktuellen Debatte deshalb ja auch gar nicht. Für sie soll sich nichts ändern, denn diskutiert wird nur über die Bezugsdauer derjenigen, die in der Arbeitslosenversicherung sind. Es geht um diejenigen, die sowieso schon drin sind überall und ganz lange. Denn die Älteren haben die Mehrheit bei dieser Bundestagswahl, und sie werden sie entscheiden.

Sell hält dem entgegen, die derzeitigen Vorschläge seien keine Abkehr von der Agenda-Politik, wonach Deutschland den besten Niedriglohnsektor in Europa bekommen sollte – und bekommen hat. Sie stellen die Systemfrage nicht, deshalb führen sie auch nicht weiter, sondern sorgen – unter reger Beteiligung der parteipolitisch besetzten Massenmedien – zu einem Schaukampf, der noch lange so weiter gehen wird und der ausschließlich das Ziel hat, von den tatsächlichen Verhältnissen abzulenken, denn wenn diese bewußt würden, wäre ziemlich schnell klar, daß der Kaiser nackt ist.

Auf diese Weise wird das Repräsentationsdefizit eher verschärft als ihm abzuhelfen. Die Spirale nach unten, in die Krise hinein, wird nicht aufgehalten, im Gegenteil, es geht immer weiter hinein, statt nach wirklichen Lösungen zu suchen.

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