Die Schrift wird zum Leben
Das Blog ist kein bloßes Tagebuch, denke ich beim Blättern in Sloterdijks „Zeilen und Tage“. Mit dem Tagebuch teilt es die Kurzlebigkeit: Wer greift schon auf ein Blog über den Kalender zu und sucht Beiträge aus einem bestimmten Monat vor x Jahren heraus? Man kann das machen, aber wer macht es? Und doch: Sloterdijk war auf seine Weise ein Blogger, wie auch Max Frisch in seinen Tagebüchern gebloggt hatte. Irgendwie, ja. Und früher schon Tucholsky, natürlich. Und Kafka? Kafka auch? – Beckett? Eher weniger. Aber Arno Schmidt – ganz sicher. Und Heine. Aber das Schreiben im Netz? Man schreibt am Ende nur für sich. Wer es liest, wenn überhaupt, kann dahingestellt bleiben. Ist nicht notwendig. Man schreibt Notizbücher voll und Blogs und Wikis, und dieser Strom aus Notaten und Gesängen und Empörung und Leiden und Hoffnung füllt am Ende die Welt. Die des Autors und die des Lesers, erst ein bißchen und dann immer mehr. Sie wird zur Wirklichkeit, und die Wirklichkeit wird zum Leben. Die Schrift wird zum Leben. Und das Leben wird wirklich durch das Schreiben. Auch durch das Bloggen.