Die Schrift wird zum Leben IV
Man soll ja auch die Gegenseite hören. Wenn es ums Bloggen geht, also die Journalisten. Jene, die, wie etwa Katharine Viner (via Text & Blog), sich mit den neuen Bedingungen der Öffentlichkeit im Web arrangieren mögen. Oder jene, die wie Wolf Schneider und Paul-Josef Raue sowohl die Probleme der eigenen Zunft im Verhältnis zu den Bloggern als auch die Schwächen der alten Massenmedien in drei Seiten auf den Punkt bringen (Voransicht bei Google Books, „Was Journalisten von Bloggern lernen können“, Printausgabe: S. 45–47).
Auch sie haben durchaus Zweifel, ob das Bild vom Blogger als Amateur und dem Journalisten als Profi der Wirklichkeit gerecht wird. Häufiger sei doch wohl der Fall, zitieren sie Daland Segler, daß der Blogger, allgemein: der Leser der Experte sei, während in der Redaktion ein Allrounder sitze, dessen Stärke in der Vermittlung liege, weniger in der fachlichen Expertise. Aber dann kommt am Ende des Abschnitts doch wieder der Schlenker zurück zur alten Welt der journalistischen Gatekeeper, die bestimmen, was reinkommt und was draußenbleibt: Das Web 2.0 sei für die Bürger viel zu unübersichtlich, Journalisten würden gebraucht, „um Ordnung zu schaffen“, wer keine Zeitungen lese und nicht fernsehe, sei am Ende „völlig uninformiert“.
Dann also doch lieber wieder zurück zu Katharine Viner? „Not original reporting or verification, journalists or bloggers, journalists or activists, journalists or readers. The future of journalism, with humility, is all of the above.“ Das liest sich aber doch auch wieder wie eine Art Gatekeeper 2.0. Weil sie über den Content nachdenkt, über das Angebot, das sie verkauft, während im Web der Leser über seine Auswahl den Inhalt, den er zur Kenntnis nimmt, selbst steuert. Das Web funktioniert über die Nachfrage. Der Rezipient ist also der eigentliche Gatekeeper. Immer schon. Abgesehen von den „Intermediären“, also vor allem den Suchmaschinen. Aber die gilt es auszuschalten durch eine stark untereinander verlinkte Blogosphäre. Durch das Verfolgen des so entstehenden Hypertexts bildet sich der Leser seine Meinung. Und Viners Entwurf wirkt insoweit eher wie der Versuch, in diesen Text und in diesen Kontext, aus dem sie zunehmend ausgeschlossen ist, doch wieder Eingang zu finden, nicht im Abseits stehen zu bleiben, im Niemandsland der unverkäuflichen Nachrichten.