William Kentridge, „O Sentimental Machine“ im Liebieghaus, Frankfurt am Main
In der Mitte des dunklen Raums steht eine phantastische Maschine. Ein großer, unentwegt atmender „Elefant“ als Holz und Metall, der vor sich hin arbeitet, ohne Pause, ohne Anfang, ohne Ende, ohne Ziel, aus sich heraus und für sich. Große Hebel, schiebende Flügel. Es dreht sich und es hebt sich etwas. Und trotz der Bewegung ruht er doch in sich. Ich glaube, es liegt an dem warmen Material Holz. Rundherum nicht weniger phantastische Filmszenen aus fünf Projektoren, die teils auf Holzplatten, teils auf die Reliefs im Rom-Saal des Liebieghauses leuchten und Szenen zeigen, Fragmente aus der Kunst, aus der Wissenschaft, Szenen einer Ehe, die Prozession einer politischen Bewegung. Und Metronomen, immer wieder. Vieles wird vorbeigetragen. Das ganze zu nicht weniger phantastischer Musik. Sie ist das schwächste Element von allen und kann sich nur deshalb gegen die Optik behaupten, weil sie über vier mächtige Lautsprecher gespielt wird, die in den Ecken ziemlich an der Decke platziert sind, vermehrt um vier Megafone, die frei im Raum verteilt sind und über die immer wieder gesungene, deklamierte oder gemurmelte Texte zu hören sind. Die Zuschauer können sich frei im Raum bewegen oder sich auf ein paar um den „Elefant“ verteilte Stühle – einfache Holzstühle und Drehstühle – setzen. Man muss sich immer wieder hin und her drehen, man bleibt in Bewegung, ist Teil der Bewegung, der Dynamik.
The refusal of time von William Kentridge, das zurzeit im Liebieghaus zu sehen ist, ist ein wahres Spektakel. Es dauert eine halbe Stunde, aber man meint, es wäre ein ganzes Leben. Ich habe schon lange nicht mehr in so kurzer Zeit so viel Zeit erlebt. Der „Elefant“ relativiert die Zeit und macht sie bewusst. Und es ist nur eines von 80 Werken in der Ausstellung, aber es ist bei weitem dasjenige, das mich am meisten angeregt hat. In der gestern neu eröffneten Kunsthalle Mannheim sei es auch zu sehen. Es gibt also mehrere davon. Wie beruhigend.
In diesem Interview im Louisiana Channel erzählte Kentridge 2017 – ebenfalls eine halbe Stunde lang – über das Werk, das zuerst 2012 bei der documenta 13 gezeigt worden war:
William Kentridge. O Sentimental Machine. Bis 26. August 2018 im Liebieghaus, Frankfurt am Main. Kuratoren: Vinzenz Brinkmann und Kristin Schrader. Katalog im Kerber Verlag, im Museum 39,90 Euro.