Weggehen, um heimzukommen
Die Diskussion über die Heimarbeit – das „Homeoffice“ – wirft nicht nur sozialversicherungsrechtliche Fragen auf – etwa nach dem Unfallversicherungsschutz –, sie verweist auch auf eine Verschiebung der Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Wenn die eigene Wohnung zum Ort für fremde Geschäfte wird, stellt sich etwa die Frage nach der grundrechtlichen Abgrenzung zwischen dem Kernbereich und den weniger streng geschützten Sphären der Persönlichkeitsentfaltung neu. Die Wohnung bleib „unverletztlich“, aber mit der Öffnung für fremde Angelegenheiten ist unzweifelhaft auch ein Verlust an Privatheit verbunden. Elektrische Bahnen rasen läutend durch meine Stube. Automobile gehen über mich hin, schrieb Rilke im „Malte Laurids Brigge“. Heute funken und strömen Telefone und Internet ferne Räume herbei, die elektrisch und unvermittelt in der Wohnung stattfinden. Geschachtelte und kurzgeschlossene Wirklichkeiten. Das hat auch psychische Folgen. Der Rückzug muß weiterhin möglich bleiben – möglicherweise findet er dann woanders statt. Was sich wiederum städtebaulich auswirken wird. Niklas Maak weist in der Sendung „Fragen an den Autor“ vom 19. April 2015 darauf hin, daß jemand, der stundenlang aus seinem Schlafzimmer geschäftlich skypt, diesen Raum anders erleben und möglicherweise den Besuch eines Cafés ohne Handy und sonstiger „Netze“ als einen Rückzug von dieser Entfremdung wahrnehmen wird. Die Öffentlichkeit als Rückzugsort. Er geht dann sozusagen weg, um wenigstens einmal am Tag heimzukommen.