Ein bißchen Jazz
Auf Max Scharniggs Reflexion Über das Ende der Plattensammlung hatte ich schon hingewiesen. Klagefall hat den Beitrag gerade noch einmal aus seiner Sicht aufgegriffen. Er bleibt bei der Audio-CD, befürchtet aber, daß sie eines Tages verschwinden könnte, weil sie einfach keine CD-Player mehr herstellen, wie ja auch die Kurzwelle, die Langwelle und die Mittelwelle in den letzten Jahren einfach eingestellt worden sind – übrigens ohne daß sie von DAB+ ersetzt worden wären, jedenfalls nicht in der Breite. Und jetzt diskutieren sie über die Abschaffung von Bargeld. Obwohl ein Staat, der den Bürgern sein Geld nimmt, sich selbst in einem sehr wesentlichen Sinne entbehrlich machen würde. Die Ausweichbewegungen sind absehbar. Und die vorgeschobenen Begründungen sind fadenscheinig und genauso abwegig wie anderswo auch, wo der Leviathan als Überwacher auftritt. Es trifft niemals die Straftäter, sondern unterwirft alle Bürger einem Generalverdacht, Straftäter zu sein, nur weil man von einer verfassungsmäßig verbürgten Freiheit Gebrauch macht.
Aber zurück zur Musik. Wie war das eigentlich damals bei mir? Eigene Schallplatten hatte ich nur wenige. Meine Eltern hatte einige, ich habe sie bei der vorletzten Wohnungsräumung entsorgt, samt der Stereoanlage von Dual aus den 1970er Jahren. Meine Musik kam immer aus dem Radio, seit Anfang der 1980er Jahre auch in Stereo, natürlich hörten wir damals SWF3, und die Musik wurde auf Kassette aufgenommen. Dann kam der Walkman, natürlich ein Sony DD II. Man hörte immer und überall. Und nach dem Abitur kaufte ich mir einen schönen CD-Spieler von Sony, aber nicht mit einer umfangreichen Anlage, sondern mit einem elektrostatischen Kopfhörer von Stax, einem Lamda Pro. Mit dieser Kette hörte ich solange, bis der Player kaputtging. Dann kam das Internet, dann kam die Internet-Flatrate zusammen mit DSL. Und dann kamen Apple, iTunes und iPod, und die Musik kam nicht nur von den CDs, sondern auch aus dem Internet. Podcasts sorgten für zeitversetztes Hören von Sendungen aus Kultur- und Nachrichtenkanälen. Das erste, was ich mit meinem weißen MacBook tat, war Radio übers Netz hören – hätte ich vorher nicht gedacht. Und man konnte auch wieder Radio aufnehmen, alles digital diesmal. So kam das Mixtape wieder zu Ehren, diesmal als Playlist im iPod, aber gleichzeitig wandte ich mich von den Produkten der Audio-Industrie immer mehr der Musik unter freier Lizenz zu. Die Webmusikportale nutze ich heute regelmäßig, und ich habe eine kleine Sammlung an CC-lizenzierter Musik, die auch den jüngsten Umzug von einem Rechner auf den nächsten mitgemacht hat. Sie ist gleichwertig neben die kommerziellen Angebote getreten.
Aber meine CD-Sammlung – Schwerpunkte: Klassik, ein bißchen Jazz von Miles Davis, Nina Simone, Ella Fitzgerald, Keith Jarrett, Paolo Conte und Michel Petrucciani, Popmusik der 1970er und 1980er Jahre – habe ich behalten. Auch mein neuer Laptop hat wieder ein optisches Laufwerk. Ich habe die CDs nicht in mp3 konvertiert oder sonst auf eine Festplatte gepackt, sondern sie stehen immer noch im Schrank. Und als Face Value einmal herunterfiel und dabei kaputtging, ersetzte ich sie natürlich sofort. Neukäufe hat es seitdem zwar nur noch selten gegeben, vor allem ältere Jazz-Aufnahmen, aber auch meine High-End-Zeit ist endgültig vorbei. Zuletzt kaufte ich etwas Schubert, hervorragend erhaltene CDs vom Flohmarkt. Wenn sich etwas verändert hat, dann wäre es, daß Musik heute nicht mehr knapp ist. 30 DM für eine Klassik-CD zu verlangen, wäre heutzutage sehr begründungsbedürftig. Aber Streaming ist kein Ersatz für die CD, denn die spiele ich nur hier in diesem Zimmer, und nur ich weiß, was gerade in meinem Player läuft; das ist so ähnlich wie beim Bargeld, das wird auch nicht verschwinden. Nur den iPod könnte es demnächst erwischen, er verschwand schon vor einem Jahr aus der Navigationsleiste der Apple-Website. Ich mag keine Kombigeräte, egal wie. Vielleicht sollte ich mir noch einen iPod kaufen, solange es ihn noch gibt.