Der konservative Reflex VII
Die Berichterstattung über den Wahlsieg von Emmanuel Macron bei den französischen Präsidentschaftswahlen ist undifferenziert und geht an den tiefgreifenden Problemen weitgehend vorbei.
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Freilich ist es zu begrüßen, wenn die Rechtsextremisten gestoppt werden. Aber sie waren diesmal so weit gekommen wie niemals zuvor.
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Die großen politischen Parteien fungieren nicht mehr als Agenturen zur Auswahl des Personals für Staat und Verwaltung. Zwar wurde in den „Elitehochschulen“ immer schon eine Vorauswahl getroffen, am Ende mußte man aber stets zusätzlich den Weg über die Partei gehen, um an die Spitze zu kommen. An deren Stelle trat diesmal eine „Bewegung“, die der Kandidat privat aufgezogen hatte, weil ihm die Sozialisten zu links waren, und der nun eine Art deep state gegenüber steht, den der neu gewählte Präsident jetzt erst einmal zur Durchsetzung seines Programms gewinnen muß. Das erinnert an den Aufstieg Trumps in den USA und ist insgesamt eher ein Krisenzeichen der Demokratie.
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Darauf verweisen auch die geringste Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang seit 1969 und 12 % ungültige Stimmen.
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Macron ist kein „Sozialliberaler“, wie es in den Nachrichten des Deutschlandfunks immer wieder heißt, sondern ein Neoliberaler. Seine sozialpolitischen „Reformen“, die mit der Agenda 2010 verglichen worden waren, hatten 2016 – erst ein Jahr ist das her – zu monatelangen Aufständen geführt. Da wird noch einiges auf Frankreich zukommen.