Auf dem Olymp II
Tilo Jung hat Jens Weinreich in Rio de Janeiro interviewt: …mag sein, daß es einen von tausend gibt, der nicht gedopt ist – alles andere anzunehmen, ist einfach nur naiv und spricht gegen jede Regel und gegen jede Erfahrung… (via Sport and Politics).
Auf dem Olymp
Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro sind nach denjenigen in London vor vier Jahren die zweiten, die ich rein online erlebe. ARD und ZDF senden abwechselnd rund um die Uhr. Da die Wettbewerbe aber parallel stattfinden, muß die Regie auswählen. Man schaltet hin und her, Übertragungen brechen mittendrin ab. Deshalb schaue ich mir das lineare Programm nicht mehr an, sondern weiche auf die Livestreams der Wettbewerbe aus. In London bediente ich mich auf der Website der Eurovision direkt, aus Rio reicht mir das, was die ARD auf sportschau.de anbietet. So sah ich am Wochenende das Tennisspiel Kerber/Puig und den Frauen-Marathon komplett. Für anderes gibt es Videoclips ebenda.
Die NZZ (17. August 2016, S. 1, 11) macht mit der Meldung auf, die Einschaltquoten im wichtigsten Fernsehmarkt seien „eingebrochen“: Der Zuschauerrückgang bei NBC bewege sich um 15 Prozent unter dem Vorjahr, bei den jüngeren Nutzern sogar bei 30 Prozent. Es heißt, diese Zuschauer seien zu Online abgewandert, aber für deren Nutzung werden wiederum keine Zahlen genannt.
In Zukunft soll alles anders werden: Das IOK hat einen eigenen Fernsehkanal gegründet, und die Rechte für die nächsten Winterspiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang sollen nicht mehr an die europäischen öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern an Eurosport gehen. Raider heißt jetzt also Twix, und die Content-Mauer betrifft nicht nur den Buchmarkt, sondern auch die Multimedia-Kanäle.
Stell Dir vor, sie streamen, und keiner schaut hin. Wenn es in dem NZZ-Kommentar heißt, auch angesichts des nachlassenden Interesses seien bei NBC immer noch Werbeclips für 1,2 Milliarden Dollar verkauft worden, 30 Millionen mehr als bei den Spielen in London, fragt man sich doch, wer da eigentlich wofür noch bezahlt hat? Die alte Medienwelt liegt im Sterben, und die Lemminge, die gestern ferngesehen haben, strömen heute zu den nächsten Vermarktern, um Menschen dabei zuzusehen, wie sie ihre Gesundheit ruinieren. Eurosport bietet derzeit eine App an für 7 Euro pro Monat. Und nebenan bloggt Jens Weinreich aus Rio. Noch immer frei lesbar (lesen!), aber in der Spalte links auch mit einigen Zusatzangeboten, die man kaufen kann. Das politische Rahmenprogramm bietet derweil das Neue Deutschland im E-Paper über die Onleihe und berichtet zum Beispiel ausführlich über Puerto Rico, wenn Puig gegen Kerber gewinnt. Das liest man bei keinem anderen „Anbieter“.
Wahrscheinlich ist Eurosport auch deshalb beim IOK besser gelitten als die ARD, weil die Privaten weniger über Doping berichten. Sehr viel weniger. Denn das ist schlecht fürs Geschäft. Und es bestand ein Interesse daran, daß Geld hereinkam, schrieb der große Dichter damals schon. Wenn auch in einem anderen Zusammenhang.
Aufschlußreich, übrigens, der Vergleich zwischen den Ländermedien: Briten schreiben über britische Sportler, Franzosen über französische, Niederländer über niederländische. Und Deutsche über deutsche. Niemand hat das Ganze im Blick.