albatros | texte

Weggehen, um heimzukommen

Die Diskussion über die Heimarbeit – das „Homeoffice“ – wirft nicht nur sozialversicherungsrechtliche Fragen auf – etwa nach dem Unfallversicherungsschutz –, sie verweist auch auf eine Verschiebung der Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Wenn die eigene Wohnung zum Ort für fremde Geschäfte wird, stellt sich etwa die Frage nach der grundrechtlichen Abgrenzung zwischen dem Kernbereich und den weniger streng geschützten Sphären der Persönlichkeitsentfaltung neu. Die Wohnung bleib „unverletztlich“, aber mit der Öffnung für fremde Angelegenheiten ist unzweifelhaft auch ein Verlust an Privatheit verbunden. Elektrische Bahnen rasen läutend durch meine Stube. Automobile gehen über mich hin, schrieb Rilke im „Malte Laurids Brigge“. Heute funken und strömen Telefone und Internet ferne Räume herbei, die elektrisch und unvermittelt in der Wohnung stattfinden. Geschachtelte und kurzgeschlossene Wirklichkeiten. Das hat auch psychische Folgen. Der Rückzug muß weiterhin möglich bleiben – möglicherweise findet er dann woanders statt. Was sich wiederum städtebaulich auswirken wird. Niklas Maak weist in der Sendung „Fragen an den Autor“ vom 19. April 2015 darauf hin, daß jemand, der stundenlang aus seinem Schlafzimmer geschäftlich skypt, diesen Raum anders erleben und möglicherweise den Besuch eines Cafés ohne Handy und sonstiger „Netze“ als einen Rückzug von dieser Entfremdung wahrnehmen wird. Die Öffentlichkeit als Rückzugsort. Er geht dann sozusagen weg, um wenigstens einmal am Tag heimzukommen.

Zeitgemäßes Denken

Die Paradigmen zur Beschreibung der Rollen in der Arbeitswelt wandeln sich: Nach Richard Sennetts „Flexiblem Menschen“ in den frühen 2000er Jahren nun der durch „Künstliche Intelligenz“ und „Algorithmen“ überflüssig gemachte Kopfarbeiter. Während Ralf Keuper angesichts der weitgehenden Entwertung von Ausbildung und Erfahrung und des Verschwindens der „Berufsbilder“, mit guten Gründen also, das Bedingungslose Grundeinkommen empfiehlt, bespricht Barbara Ehrenreich die Bücher „Rise of the robots“ von Martin Ford und „Shadow work“ von Craig Lambert und stellt sich vor, wie sie selbst als Rezensentin durch Computer ersetzt werden könnte, the human consequences of robotization are already upon us. Computer denken und entscheiden schon längst anstelle von Menschen. Und Drohnen fliegen durch die Luft – militärische Technik übernimmt also das Geschäft der Logistik und ermöglicht gleichzeitig eine neue Form der Überwachung. Auch in den Familien: Bis hin zu dem neu geprägten Begriff der „Helikopter-Eltern“, der es bis in Wikipedia hinein geschafft hat. Früher sprach man schlicht von overprotection: Ambitious parents are often expected not only to drive their children to and from school, but to spend hours carrying out science projects and poring over fifth-grade math — although, as Lambert points out, parental involvement in homework has not been shown to improve children’s grades or test scores.

Sie sind nicht angemeldet