Konkret
Mittlerweile setzt eine etwas tiefergründige und grundsätzlichere Diskussion der erwähnten Vorgänge ein. Außerdem werden Zahlen über das Ausmaß der Belastung bekannt.
Julian Nida-Rümelin weist darauf hin, daß die grundsätzlichen politischen Standpunkte und das konkrete politische Handeln auseinanderfallen. Eine konservative Bundeskanzlerin öffnet die Grenzen und sorgt damit – übrigens entgegen der geltenden unionsrechtlichen und völkerrechtlichen Lage – für eine beispiellosen Zuwanderung. Damit sei eine völlig illusorische Botschaft transportiert worden, die nicht auf Dauer durchgehalten werden könne.
Im SWR2 Forum vergleichen Robert Leicht, Thomas Meyer und Andreas Rödder diese Zuwanderung mit den großen Einwanderungsbewegungen im zwanzigsten Jahrhundert: den Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, der Anwerbung der Gastarbeiter, den Aussiedlern seit den 1980er Jahren und den nach Westen gewanderten Ostdeutschen nach 1989/90. Kein Vorgang sei damit vergleichbar. Die praktischen Probleme seien kurzfristig so gut wie unüberwindlich, etwa weil Sprachunterricht mangels Arabisch sprechenden Lehrern scheitere. Die Stimmung kippe allzu leicht um, wenn die Einschränkungen, die die Einheimischen hinzunehmen hätten, konkret erfahren würden.
Im SozioPod diskutieren Nils Köbel und Patrick Breitenbach die psychologischen und die soziologischen Aspekte der Zuwanderung. Die Flüchtlinge seien aufgrund ihrer Erfahrung bei Krieg und Flucht vielfach traumatisiert, was eine Erfahrung ist, die sie in unsere Gesellschaft einbringen. Auch mit dieser Belastung sei langfristig umzugehen.
Der UN-Flüchtlingskommissar António Guterres hat vor dem Menschenrechtsausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesagt, die Mittel von UN, Rotem Kreuz und weiterer Hilfsorganisationen reichten nicht länger aus, um die derzeit 60 Millionen Geflüchteten zu versorgen. Dies, obwohl die Spenden mit über 3 Mrd. Euro in diesem Jahr eine Rekordhöhe erreicht hätten. „Der Mangel an humanitären Geldern sei ‚der Auslöser‘ für die Massenankunft von Syrern, Irakern, Afghanen und Eritreern im östlichen Mittelmeerraum in diesem Jahr.“ Unerwähnt bleibt die Entscheidung der in diesem Jahr neugewählten griechischen Regierung, die gestrandeten Flüchtlinge nicht mehr, wie zuvor, auf hohe See zurückzuschicken. Die Zahl der Opfer an der Mittelmeerküste belaufe sich gleichwohl bisher auf 3400 Menschen, die bei der Überfahrt ertrunken seien.
Das Bundesarbeitsministerium hat die Mehrkosten, die der Bund aufgrund der Vorgänge im kommenden Jahr zu tragen haben werde, mit 2,5 Mrd. Euro beziffert. Der Haushaltsausschuß des Bundestags hat einem Nachtragshaushalt für das laufende Jahr in Höhe von 5,1 Mrd Euro zugestimmt. Davon entfallen 3,8 Mrd. Euro auf die Kosten, die durch die Aufnahme von Flüchtlingen entstehen.