„Berührt – Verführt. Werbekampagnen, die Geschichte machten“ im Museum für Kommunikation, Frankfurt am Main
Der Titel der Ausstellung über „die populärsten und erfolgreichsten Werbekampagnen von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart“ in Deutschland erinnert an eine Regel des Schachspiels: Berührt – geführt – wer eine eigene Figur absichtlich berührt, muß mit ihr auch ziehen. Wird der Rezipient, der von einer Werbung berührt wird, also mit einer gewissen Notwendigkeit verführt? Skepsis ist angezeigt.
Zu sehen sind sowohl historisch bedeutsame Beiträge als auch bekannte Motive, an die man sich gerne wieder erinnern wird. Kurios etwa die erste Kampagne im Nachkriegsdeutschland „Lumpen her! Wir schaffen Kleider“, mit der für die Weiterverarbeitung alter „Lumpen“ zu neuen Kleidungsstücken geworben wurde. Dies inmitten von lauter Ware „in Friedensqualität“ – nicht nur die alten Nazis, auch die bekannten Waschmittel waren in dieser Zeit bald „wieder da“, und sie strahlten blütenweiß, natürlich. Neu war uns die Kampagne des Vereins Die WAAGE e.V., wenn man so will: einem frühen Vorläufer der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ in den 1950er und 1960er Jahren. Sie führte Kampagnen durch, um die Wähler daran zu erinnern, daß die „Soziale Marktwirtschaft“ auf Ludwig Erhard und nicht etwa auf die SPD zurückgehe. Dann wird die Ausstellung kommerzieller und konzentriert sich auf die „großen Kampagnen“ – die Drei-Wetter-Taft-Frau, deren „Frisur sitzt“, oder den Camel-Mann oder die Schock-Werbung von Benetton. Punktuell wird ihnen aber auch die politische Plakatkunst von Klaus Staeck oder die Pardon-Persiflage der Jägermeister-Serie zur Seite gestellt. Zahlreiche historische Exponate stammen aus der breit angelegten Sammlung von Richard Grübling.
Das Museum für Kommunikation feiert sie noch einmal: Die Werbung in drei Erscheinungsformen der Massenmedien, dem Werbespot, der ganzseitigen Anzeige in der Zeitung und dem Plakat, die ja gerade im Verschwinden sind. In den Zeiten der Filter Bubble und der zielgenauen Plazierung von Werbung in sozialen Netzwerken und Suchmaschinen gibt es die große Kampagne für die Massen schon lange nicht mehr. Das Verschwinden des linearen Fernsehprogramms tut ein übriges. Die Ausnahme bestätigt die Regel, z. B. beim amerikanischen Super Bowl, wo traditionell die Werbezeit besonders hoch dotiert ist und große Spots wie Apples 1984 noch lange in Erinnerung bleiben. Die Werbung, von der die großen Internet-Konzerne leben, ist mittlerweile dem Tode geweiht durch die AdBlocker, Reader-Stylesheets im Webbrowser und sonstige technische Gegen-Aufrüstung der Benutzer. Werbespots verbreiten sich heutzutage „viral“ über die sozialen Netzwerke. Das jüngste Beispiel dafür war gerade der Spot Heimkommen von Edeka, der zu Weihnachten 2015 vor allem über YouTube und Soundcloud bekannt wurde. Aus den Netzwerken entsteht eine kritische Masse, die noch in der Lage ist, eine Wahrnehmung zu erzeugen. Die legendäre Pose von Frau Sommer mit der „Krönung“ am sonntäglichen Kaffeetisch stammte tatsächlich aus einer anderen Welt.
So kann man die Ausstellung des MFK vor allem lesen als einen Abgesang sowie als Nachruf nicht nur auf die Werbung der alten Bundesrepublik (und übrigens am Rande auch der DDR), sondern generell auf die Werbung alten Stils, wie wir sie von früher her kannten und wie sie nie mehr sein wird – auch und gerade wenn in den Spots an der Hintergrund-Säule gegen Ende der Schau „Kreative“ aus den Agenturen genau das Gegenteil behaupten. Sie sollten es eigentlich besser wissen:
Berührt – Verführt. Werbekampagnen, die Geschichte machten. Museum für Kommunikation, Frankfurt am Main. Kuratorenteam: Katja Weber, Richard Grübling, Helmut Gogarten, Nassrin Sadeghi. Noch bis 28. August 2016.