Die Schrift wird zum Leben III
John Danaher zählte schon im September 2014 sieben Gründe auf, weshalb er als Wissenschaftler blogge.
Man bleibe dadurch am Schreiben. Man komme dadurch leicht in einen Zustand des Flow. Es helfe ihm als Wissenschaftler, sein Fach wirklich zu verstehen (das Argument ist eine Spielart des Lernen durch Lehren, LdL). Bloggen habe ihm auch dabei geholfen, seine Veröffentlichungen vorzubereiten. Er sei durch das Bloggen aber auch mehr oder weniger zufällig auf Themen aufmerksam geworden, die er durch systematische Studien so nicht gefunden hätte. Es helfe ihm, online Kontakt zu knüpfen. Und, last, but not least, helfe es ihm auch bei der Lehre – eine Variation des früher zu LdL Gesagten.
Der Bildungsblogger Stephen Downes kommentiert diese Argumente heute zustimmend. Downes bloggt täglich, auch als Newsletter OLDaily zu lesen.
Auch sie, zwei Blogger.
China blockiert weniger
Dank einem Hinweis in der Mailingliste Wikisouce-l fällt der Blick auf einen Schauplatz im fernen Osten. Die Internetzensur in der Volksrepublik China und die dortigen Sperrungen von Wikipedia sind ein Kapitel für sich. Bei der Wikimania in Hongkong gab es einen Vortrag zum Thema. Es gibt Neuigkeiten zum aktuellen Stand. Einer Anmerkung in einem Ticket auf Phabricator zufolge, würden derzeit „nur“ die chinesische Wikisource (sic!), die chinesische Wikinews (sic! sic!) und die uigurische Wikipedia blockiert, heißt es auf der Liste. Und auf Phabricator freut man sich, dass die englische mobile Wikipedia in China genutzt werden könne.
Zuerst im Wikipedia:Kurier, 29. März 2015.
Die Schrift wird zum Leben II
Der Perlentaucher verlinkt heute einen Text von Arno Widmann über Heinrich von Kleists „Berliner Abendblätter, 1810–11“. Widmann schreibt: „Wer heute auf die ‚Berliner Abendblätter‘ zurückschaut, der sieht, dass sie ein Blog waren – vor der Erfindung, ja vor der Möglichkeit des Blogs. Kleist war freilich klug genug zu wissen, dass sein Blog nur erfolgreich sein konnte, wenn er ihn öffnete für Trivialitäten. Er wusste, dass nicht alles zu einem Artikel geformt werden muss. Die bloße Aufzählung von Ereignissen, der wortgetreue Abdruck eines Verhörs beflügelt die Fantasie eines Lesers manchmal mächtiger als die flammendste Rede. Kleist hat in den Berliner Abendblättern erbarmungslos nachgedruckt aus anderen Zeitungen, er hat jeden Tag eine kleine Welt zusammengestellt aus den Welten, die ihm zugänglich waren. Das reizte ihn, das machte ihm Spaß.“ Wie uns ja auch, deshalb dies lange Zitat. Auch Kleist, also, ein Blogger. Natürlich. Widmann findet ein Faksimile auf archive.org – man wähle PDF, die EPUB-Version läßt sich mit Calibre leider nicht öffnen.
Lieber nicht
Auf einer Website gibt es zwei Gruppen von Interviews und Interviewten. Man kann wählen zwischen: „Querdenker & Visionäre“ sowie „Mahner & Bewahrer“. – Nein, danke, ich möchte lieber nicht.
Die Schrift wird zum Leben
Das Blog ist kein bloßes Tagebuch, denke ich beim Blättern in Sloterdijks „Zeilen und Tage“. Mit dem Tagebuch teilt es die Kurzlebigkeit: Wer greift schon auf ein Blog über den Kalender zu und sucht Beiträge aus einem bestimmten Monat vor x Jahren heraus? Man kann das machen, aber wer macht es? Und doch: Sloterdijk war auf seine Weise ein Blogger, wie auch Max Frisch in seinen Tagebüchern gebloggt hatte. Irgendwie, ja. Und früher schon Tucholsky, natürlich. Und Kafka? Kafka auch? – Beckett? Eher weniger. Aber Arno Schmidt – ganz sicher. Und Heine. Aber das Schreiben im Netz? Man schreibt am Ende nur für sich. Wer es liest, wenn überhaupt, kann dahingestellt bleiben. Ist nicht notwendig. Man schreibt Notizbücher voll und Blogs und Wikis, und dieser Strom aus Notaten und Gesängen und Empörung und Leiden und Hoffnung füllt am Ende die Welt. Die des Autors und die des Lesers, erst ein bißchen und dann immer mehr. Sie wird zur Wirklichkeit, und die Wirklichkeit wird zum Leben. Die Schrift wird zum Leben. Und das Leben wird wirklich durch das Schreiben. Auch durch das Bloggen.
Der Entschluß
Kersch hatte sich schon im Mai 2010 von Facebook zurückgezogen. 2013 registrierte er sein neues Blog bei Antville. Nachdem er seinen Account bei Xing geschlossen hatte. Immer wieder dachte Kersch darüber nach, die sozialen Netzwerke ganz zu verlassen. Am Ende blieb er aber doch dabei, letztlich wegen Korsch.