Bibliotheken rocken in jeder Form
Meint Anke Gröner in ihrem Blogpost zum 20. August:
Sehr lange auf dem morgendlichen Balkon gesessen mit dem derzeit üblichen Glas Lungo und ordentlich Milchschaum, plus Wasser, alles auf einem silbernen Plastiktablett, das ich mal wieder vom Mütterchen überreicht bekommen habe beim letzten Besuch, „nimm mit“. Ein Buch ausgelesen, das hatte ich peinlicherweise gestern schon im Blogeintrag vermerkt, den ich nach dem Morgenbalkon verfasst hatte, ein neues angefangen, nämlich „The Nickel Boys“ von Colson Whitehead. Steht seit Ewigkeiten auf meinem Wunschzettel, aber als ich Freitag in der Stadtbücherei meinen neuen Ausweis bekam und danach durch die Regale schlenderte, stand es vor mir, schön auf Englisch, gleich mal mitgenommen. Bibliotheken rocken in jeder Form.
Sag ich doch.
Das Kunstwerk in Zeiten des Internets
Michael Schmalenstroer berichtet über die große Hieronymus-Bosch-Ausstellung, die derzeit noch im Noordbrabants Museum im niederländischen ’s-Hertogenbosch stattfindet, danach wird sie im Prado zu sehen sein. Das Problem: … die Ausstellung … ist … voll. Gerappelt voll. Gedrängelt voll. Genauer gesagt ist sie leider zu voll. Das kleine Provinzmuseum, das sie ausrichtet, wird überrannt von Besuchern. Und so zählt Schmalenstroer auf, wo man die Werke stattdessen online betrachten kann. Siehe da: Die Wikimedia Commons haben den Heuwagen in einer Auflösung von 9843×6475 Pixeln und im Vergleich stellt man fest, dass die digitale Version mehr Details erkennen lässt als das Original. Und er resümiert die Rolle des Web angesichts solcher Kunstevents: … das Internet, dieses Netzwerk, das eigentlich dazu gedacht ist, dass Menschen miteinander kommunizieren, bietet hier einen Ausweg: Denn es bietet genau das, was wir beim Museumsbesuch wünschen. Privaten, individuellen Zugang zu den Werken, ungestört von anderen Besuchern und mit weiterführenden Informationen nur einen Klick entfernt. Und trotzdem ist es leider irgendwie etwas anderes, nach Nordbrabant zu fahren, Boschs Werke als Original zu sehen und dann die wirklich sehr schöne Stadt zu erkunden. Der Fetisch des Originals, es gibt ihn einfach.
Folgekosten des Netzes
Manchmal findet ja auch ein blindes Huhn mal ein Korn:
Die Gebildeten und Jüngeren ziehen sich inzwischen teilweise wieder aus dem Netz zurück, weil sie es nicht mehr aushalten, ständig angehasst und angepöbelt zu werden. … Die Blütezeiten des Netzes sind vorbei: Wir sprechen von einem Digital Backlash. Es gibt eine zunehmende Verzweiflung an den sozialen und psychologischen Folgekosten des Netzes, Stichwort Störbarkeit, Cybermobbing, ewiger Shitstorm, digitale Hass-Kultur. Die Digitalisierung wird nicht rückgängig gemacht, sie muss sich aber rekonfigurieren. Wir brauchen so etwas wie einen Neustart der Netzwerk-Kultur.
So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen.
Die Schrift wird zum Leben V
Ich schreibe nicht für ein Publikum. Ich schreibe für mich, und dabei bleibt es auch.“ – Hanns Dieter Hüsch ist vor zehn Jahren gestorben, er wäre heute 90 Jahre alt geworden. Auch er war genaugenommen ein Blogger.
Opting out
Im Blog der Paris Review denkt Sadie Stein über die Flucht im Geiste nach: „Escapism has become something of a pejorative. But escape isn’t easy, and it doesn’t always entail the pursuit of dumbed-down entertainments … Of course, second best is ignorance: it may not be bliss, but it’s an effective form of opting out.“
Ich wundere mich
Zwei kritische Stimmen zur Digitalisierung, die thematisieren, daß jeder selbst Teil des Problems ist:
- Günter Grass, 2013 (via Open Culture): „… In meiner Werkstatt gibts keinen Computer. Ich habe selbst kein Handy. Für mich wäre die Vorstellung, ein Handy dabei zu haben, das heißt dauernd erreichbar zu sein, und wie ich mittlerweile weiß, auch dauernd überwacht zu werden, eine grauenhafte Vorstellung, und ich wundere mich, daß nach diesen neuesten Erkenntnissen nicht Millionen Menschen sich von Facebook und all dem Scheißdreck distanzieren und sagen: ‚Damit will ich nichts zu tun haben!‘ Wenn ich Informationen haben will, mache ich mir die Mühe und recherchiere. Gehe in die Bibliothek und gucke in Bücher. Das geht alles langsam, ich weiß, man kann mit Hilfen das alles beschleunigen, aber zum Beispiel läßt sich Literatur als Arbeitsvorgang nicht beschleunigen. Wer es macht, macht es auf Kosten der Qualität.“
- Harald Welzer, 2015 (via BILDblog): „… Es wäre doch Micky-Maus-Denke, anzunehmen, dass eine Veränderung der Verhältnisse an einem so entscheidenden Punkt zu haben wäre, ohne einen Preis dafür zu bezahlen. Widerstand kostet. Schlimmstenfalls das Leben, wie wir aus der Geschichte wissen. Uns hingegen erscheint es schon als zu teuer bezahlt, wenn wir auf Whatsapp verzichten sollten. Obwohl wir wissen, dass wir uns mit jeder Message einer Totalüberwachung ausliefern. … E-Mails schreibe und lese ich noch. Auch Suchmaschinen benutze ich. Aber ich bin weder bei Facebook noch bei Xing. Ich habe auch kein Smartphone und werde mir ganz sicher nie eines zulegen.“
Soziale Probleme können nicht durch Technik, sondern nur durch eine andere soziale Praxis gelöst werden.