In unserem Ort gibt es zwei lokale Zeitungen, die einmal pro Woche an alle Haushalte verteilt werden. Sie finanzieren sich durch Werbung. Eine der beiden Zeitungen hat jetzt angekündigt, sie werde bald nicht mehr erscheinen. Das Blatt sei schon seit mehreren Jahren nicht mehr rentabel. Wegen der coronabedingten Lockdowns seien viele Werbeinnahmen weggefallen. Und nun stiegen auch noch die Vertriebskosten und der Papierpreis. Deshalb habe man sich entschlossen, die gedruckte Zeitung ganz einzustellen. Ein Onlineportal behalte man bei. Es erschließt sich aber nicht, ob es dafür auch in Zukunft eine Redaktion geben wird oder ob dort nur Anzeigen veröffentlicht werden und wie man von diesen wiederum erfahren wird können: Durch einen Newsletter oder – man wagt es kaum zu fragen – durch einen RSS-Feed? Oder verlässt man sich ausschließlich auf Suchmaschinen- und Social-Media-Marketing? In der Hoffnung, dass die Flaschenpost schon irgendwie ankommen werde? Ob das den Werbekunden ausreichen wird oder ob sie sich nicht so eher ein anderes Outlet suchen werden?
Ich erinnere mich an eine Diskussion auf der Mailingliste Nettime, vor so langer Zeit, dass ich nur vage sagen kann: Es war wohl vor etwa zehn Jahren. Jedenfalls nach den Finanzkrisen. Vielleicht war es auch auf der Mailingliste Futureculture, die es schon seit ein paar Jahren nicht mehr gibt. Jedenfalls erzählte uns damals ein Amerikaner aus der Provinz, wie es bei ihnen zur Einstellung fast aller gedruckter Zeitungen gekommen sei. Vorher schon im Besitz ganz weniger Familien, ganz ähnlich wie in dem Bonmot, wonach die Pressefreiheit nichts anderes sei als die Freiheit fünf reicher älterer Männer, ihre Ansichten frei mitteilen zu können und damit auch noch Einnahmen zu erzielen. Dann sei das Internet gekommen, und die Werbung sei nicht mehr in Print geflossen, sondern in die Sozialen Netzwerke und die Suchmaschinen und so weiter, und die Leute hätten alles umsonst lesen wollen. So dass immer weniger Zeitungen verkauft worden seien. Man habe dann die Redaktionen zusammengelegt, weshalb sich die Inhalte der verbliebenen Zeitungen immer weniger voneinander unterschieden hätten. Und am Ende habe es nur noch am Wochenende gedruckte Ausgaben gegeben. Und vielleicht auch das mittlerweile nicht einmal mehr.
Die Geschichte der Zeitungskrise ist bekannt. Aber erst jetzt ist sie auch bei uns soweit angekommen, dass auch die Lokalzeitungen nicht mehr funktionieren. Der Umstieg von Print auf Online geht im lokalen Bereich auch nicht so richtig voran. Wo sind sie denn, die lokalen Ersatzangebote? Siehe oben.
Hinzu kommt das mittlerweile problematische, um nicht zu sagen giftige Umfeld im Netz. Als wir das alles begannen, waren wir kritisch, und uns lag viel an Aufklärung und Austausch und Vernetzung untereinander. Wir waren aktivistisch. Und wir waren auch immer die Guten. Wo wir waren, gab es keine Bösen. Das ist vorbei. Die Bösen sind jetzt auch immer schon da, ganz gleich, wo man hinkommt. Und man muss ständig mit ihnen rechnen. Und manchmal sind es gerade die Besten, die böse werden. Und alles ist persönlich geworden.
Es geht nicht mehr ums Thema, sondern immer um die Person. Und es gibt keinen kleinsten gemeinsamen Nenner mehr. Alle sind sich uneins, alle haben beschlossen, Recht zu haben, keiner zieht in Betracht, er könnte sich auch einmal geirrt haben, und der andere ist immer im Unrecht.
Überall stehen Fettnäpfchen herum, um die man Slalom laufen muss, aber mit verbundenen Augen im Dunkeln und im Nebel auf abschüssiger Piste im Sturm und ohne Skistöcke.
So dass die Öffentlichkeit als Diskursraum kaum noch funktioniert. Deliberative Verfahren kann man mittlerweile eigentlich vergessen. Die Nerven liegen blank. Spätestens seit Anfang 2020, aber das war nur noch der letzte Anstoß zu einer schon länger laufenden Entwicklung. Man zieht sich in immer kleinere und engere private Räume zurück. Das digitale Biedermeier kam. Manche hielten es für modern, es war und ist aber reaktionär. Vor allem kann es die Öffentlichkeit, wie wir sie einmal gestaltet hatten, als einen Raum für gesellschaftliche Aushandlungs- und Verbesserungsprozesse, nicht ersetzen.
Meine These wäre: Es ist nicht nur das Ende der Zeitungen, wie wir sie kannten. Es ist auch eine Art Post-2.0-Zeit, in der wir uns derzeit befinden. So wie die Postmoderne der Moderne folgte, folgt das Post-2.0 oder das Postinternet oder das Post-Web dem Web 2.0 als der ersten Phase von Vernetzung und digitalem gesellschaftlichem Aufbruch.
Blogs sind vom Motor der damaligen Bewegung zu einem Fremdkörper geworden. Unzeitgemäße Erscheinungen, die meisten Jüngeren werden sie gar nicht mehr wahrnehmen, weil sie es nicht bis in ihre Filterblase schaffen, und wenn sie darauf stoßen, werden sie sich vielleicht fragen, warum das Webdesign auf ihrem Smartphone nicht richtig funktioniert. Und die Texte sind viel zu lang und zuwenige Bilder und so weiter.
Über diese Entwicklung kann man nicht richten, man kann sie nicht abschließend beurteilen, man kann sich nur ratlos davor stellen. Und natürlich weiterbloggen.
Der traditionsreiche Lehrstuhl für Psychoanalyse an der Frankfurter Goethe-Universität soll zum Sommersemester 2022 neu besetzt werden. Derzeitiger Inhaber ist Tilmann Habermas. Er war einst Nachfolger von Christa Rohde-Dachser, bei der ich während meines Studiums Psychoanalyse gehört hatte, und er wird bald emeritiert. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete ausführlich darüber – und versteckt den Beitrag nun hinter einer Paywall; nachzulesen ist er in der gedruckten Ausgabe vom 25. August 2021, S. N4.
Es ist geschehen: Der Lehrstuhl soll vom Fachbereich „verfahrensoffen“ ausgeschrieben werden. Mit anderen Worten: Der Fortbestand der Psychoanalyse an der Frankfurter Universität ist gefährdet.
Nun ist Frankfurt eine Stadt der Psychoanalyse. Das Fach ist hier mit den Mitscherlichs und mit dem Sigmund-Freud-Institut verbunden, überhaupt mit der Frankfurter Schule. Nach dem Scheitern des Exzellenzclusters „Normative Ordnungen“, der auch von Schülern der Frankfurter Schule getragen wurde, gerät ein weiterer, der wenigen Pfeiler, die Frankfurt noch von anderen Hochschulen unterschieden und ausgezeichnet haben, ins Wanken. 2017 war es eine Entscheidung der DFG (auch die ZEIT heute nur noch hinter der Paywall zu lesen). Vielleicht wird die Frankfurter Schule bald von den Frankfurtern selbst noch abgewickelt?
Wohlgemerkt, es geht hier nicht nur um die Ausbildung zukünftiger Psychoanalytiker, sondern um ein Fach, das von zentraler Bedeutung für alle Sozial- und Geisteswissenschaften ist. Als ich Veranstaltungen zur Psychoanalyse besuchte, kamen dorthin Hörer aus allen Fachbereichen. Der Andrang war groß, trotzdem musste sich der Fachbereich immer wieder darum sorgen, den kleinen Hörsaal II behalten zu dürfen. Deshalb wurden damals Anwesenheitslisten ausgegeben, auf denen man auch sein Studienfach eintragen sollte, um das große Interesse zu dokumentieren.
Auch heute ist der Protest gegen die Abschaffung der Psychoanalyse an der Goethe-Universität groß. Sie findet natürlich im virtuellen Raum bei OpenPetition statt. (Eine Preisfrage für Bibliothekare am Rande wäre etwa: Ist der virtuelle Raum ein Ort im bibliothekarischen Sinne, beispielsweise als Tagungsort bei Online-Tagungen? Aber das wäre ein ganz anderes Thema. – SCNR.)
Bisher haben über 8900 Unterstützer die Online-Petition gezeichnet. Ich habe dazu auch einen Kommentar hinterlassen, den ich hier noch einmal dokumentiere:
Die Psychoanalyse ist eines der Fächer, die mein Studium als Jurist geprägt hatten. Ihr Ziel ist die Aufklärung des Einzelnen und der Gesellschaft über sich selbst. Eine moderne und immer mehr individualisierte und diverse Gesellschaft braucht dieses Fach, um vernünftig und sinnvoll handeln und gestalten zu können. Es ist, wenn man so will, ein Kernfach der Frankfurter Schule, das Brücken schlägt, das uns über den Menschen und die Gesellschaft informiert und ohne das ich mir meine Frankfurter Universität gar nicht vorstellen kann. Ich hoffe sehr, dass der Fachbereich den Lehrstuhl in seiner bisherigen Ausrichtung erhält!
„Die Formel, die ich wählen würde, wäre: Wir müssen rückkehren an einen Ort, an dem wir noch nicht waren. Und das scheint mir genau das Problem zu sein. Es gibt Rückkehr, und wir wollen Rückkehr in ein normales Leben. Aber wenn man ganz ehrlich ist, wissen wir, dass die Normalität, die wir dann haben werden, eine andere Normalität ist, die auch andere Vulnerabilitäten mit sich bringt, andere Aufmerksamkeiten nötig macht. Auch ein neues Verständnis des Zusammenwirkens von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Also, was bei allen Pandemien in der Weltgeschichte so war: Die haben immer zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft geführt. Davor stehen wir auch, vor diesem Problem, jetzt wieder. Und das ist total interessant, und ich stimme Ihnen zu, dass die politischen Anbieter dieses Problem noch nicht richtig verstehen.“ (Heinz Bude im taz Talk am 9. Juli 2021).
Man steigt nicht zweimal in denselben Fluss. Es gibt kein Zurück. Es geht nur vorwärts. Bei disruptiven Entwicklungen gibt es keine Wiederholungen mehr. Es entstehen unwirkliche Zwischenräume: Das Alte funktioniert nicht mehr, und das Neue funktioniert noch nicht.
Nehmen wir die Entwicklung im Verlagsbereich. Blicken wir zurück. Den Umbruch zu einem öffentlich verpflichtenden Open Access. Der Wissenschaftsfreiheit war Genüge getan, weil eine Print-Veröffentlichung immer noch möglich blieb. Alles gut.
In den Bibliotheken voller Bleiwüsten zwischen Buchdeckeln, in denen wir noch studiert hatten, schien das letzte Abendglimmen einer untergehenden Verlagslandschaft noch einmal kurz auf, und wir waren am Ende tatsächlich die letzte Generation, für die das noch dazugehört hatte: Die Bücherwelt, bevölkert mit Büchermenschen wie wir.
Als die Bücher lastwagenweise angeliefert wurden. Kartonweise. Palettenweise. Am Anfang hatte es noch etwas Beruhigendes. Als sie die Regale füllten in einem steten Strom, der nie zu enden schien, der aber schließlich dann doch versiegte. Das gedruckte Buch gab es seitdem nur noch zum vertieften Studium – oder als Coffee Table Book, weil es so schön war. In Einzelanfertigung, auf Anfrage.
Zurückkehren an einen Ort, an dem wir noch nicht waren.
Es dauerte keine zwei Jahre mehr, bis die Magazine abgebaut waren, weil sie nicht mehr gebraucht wurden. Die Umstellung ging am Ende schneller als man je gedacht hätte. Und die Studenten waren sowieso schon seit mehreren Generationen daran gewöhnt, ihre Zeitschriften online zu lesen. Erst auf dem Laptop, später auf dem iPad. Der Übergang verlief ziemlich geräuschlos, denn das Geschäftsmodell Zeitschrift funktionierte ja auch schon lange nicht mehr. Erst gab es zu den Print-Abos die Online-Fassung dazu, später war es umgekehrt, schließlich fiel Print ganz weg, schließlich die Zeitschrift.
Die Älteren erinnerten sich noch an das Blättern in gedruckten Büchern, die Vorsichtsmaßnahmen zu ihrer Erhaltung – wie sie aufzustellen wären, wie sie zu greifen wären, damit sie möglichst langsam verschleißten. Nach Größe sortiert ins Magazin gestellt. Überhaupt: Magazine. Speicherplatz ist billig.
Was blieb, war der reine Content. Der bloße Text auf dem Bildschirm, flüchtig und austauschbar und seelenlos und leer. Und diese Leere übertrug sich beim Lesen und erfüllte uns schließlich ganz. Etwas fehlte.
Ein Ort, an dem wir noch nicht waren.
Wir kamen dorthin, ziemlich unbemerkt. Plötzlich fanden wir uns in einer ganz anderen Gegend wieder, fast wie in einem Roman von Ror Wolf. Kaum Widerstand, nur wenige wünschten sich in die alte Welt zurück. Als die Pandemie begann, waren wir genaugenommen schon lange an dem neuen Ort, aber erst damals merkten wir es so richtig, wir mussten uns nur noch darin zurechtfinden.
Als die Bibliotheken schlossen und nur noch E-Books und E-Journals und Dokumentenserver verblieben: Fehlte uns eigentlich nichts. Als die Pandemie Lücken in den Printbestand riss: Merkten es nur wenige. Denn die Bibliothek war längst schon überall, wo man Zugriff auf ihre digitalen Bestände hatte. Also überall. Und eine Bibliothek, die nicht überall war, war nirgends. War gar nicht. Es gab sie gar nicht. Jedenfalls nicht wirklich.
Als der alte Raum nicht mehr passte, entstand ein neuer Rahmen. Und es galt, das Neue im Neuen zu finden und von nun an zum Ausgangspunkt zu machen für alles, was folgte.
Der Ort, an dem wir noch nicht waren, war der Ort, von dem nun alles weitere seinen Gang nahm.
Es ist jetzt der zweite Durchgang des Bachmannpreises, den ich beruflich bedingt nicht live verfolgen konnte, und am Ende schaut man sich die Videos dann ja doch nicht mehr alle an. Man sucht Zuflucht bei den Zusammenfassungen in den Feuilletons oder beim Literaraturcafé-Podcast, wo Andrea Diener und Wolfgang Tischer auch in diesem Jahr tapfer nacherzählen, was passiert war. Andrea trotz Impfung in ihrer mollig warmen Frankfurter Dachgeschosswohnung, und Wolfgang dieses Jahr getestet vor Ort in Klagenfurt, wo sich die Getesteten, Geimpften und Genesenen beim Public Viewing in der Hitze trafen.
Risikogruppe, anyone? Der gerade verrentete Hubert Winkels ließ sich für seine Rede zur Literaturkritik aus der Ferne zuschalten. Und die Jury kam diesmal im Studio zusammen, nur die Schriftsteller wurden per ORF-iPad hinzugeholt. Der Bachmannpreis als Zoom-Konferenz und lokal. Sie nannten es „hybrid“. Vielleicht tut man sich dann leichter, in die Ferne hinaus auszuteilen?
Heike Geißler ließ jedenfalls ihrem Unmut über die teils ganz offen dilettantische Performance einiger Jurymitglieder im Deutschlandfunk Kultur freien Lauf – und ging danach natürlich bei den Preisen leer aus. Klar.
Ganz knapp gehaltene Berichterstattung in der taz, von einer Autorin, die nicht vom Fach ist, sich aber Mühe gibt, den dünnen Wettbewerb auf den Punkt zu bringen, was ihr am Ende auch gut gelingt:
In Julia Webers Wettbewerbstext sagt Protagonistin Ruth zur Erzählerin: „… manchmal käme ihr das ganze Leben vor wie das Abtrocknen feuchter Hände an einem bereits feuchten Handtuch.“ Vielleicht hat Weber damit ein treffendes Bild für Gegenwartsliteratur gefunden.
Übrigens lag ich mit meiner Prognose völlig daneben. Aber das wäre eine ganz andere Geschichte.
Es war ein langes, erwägendes Gespräch, das Serdar Somuncu heute in der Blauen Stunde auf radioeins mit Martin Werthmann geführt hat. Kunst als Alltag, Kunst als Sprache, als die maßgebliche Beziehung zur Welt. Und dann die Frage:
Es ist ein bisschen still geworden um mein Blog. Vielleicht ist es zu still mittlerweile, denn das Blog war immer meine Stimme im Netz. Manch eine/r hat sich in letzter Zeit eher aus der öffentlichen Öffentlichkeit zurückgezogen und ist in das digitale Biedermeier entschwunden. Dafür gibt es sicherlich gute Gründe. Aber gibt es nicht auch ebenso gute für das Gegenteil?
Die Zeit des freien Webs ist noch nicht ganz vorbei. Es gibt sie noch, die alten Schnittstellen. Aber die Ver-Appung greift um sich, und es gibt nicht nur die großen Ökosysteme (im technischen Sinne, als Geschäftsmodell der Content-Industrie), sondern auch die kleinen, ganz praktischen. Manchmal hängen sie zusammen, manchmal auch nicht. Die alten Formate werkeln jedenfalls immer noch unter der Oberfläche, aber die Oberfläche verbirgt sie zunehmend vor den Benutzern, als gäbe es beispielsweise und insbesondere RSS nicht mehr. Aber was denn sonst? Wenn man nachfragt, wo denn der RSS-Feed geblieben sei, erhält man beispielsweise solche Antworten:
vielen Dank für Ihr Interesse an der ARD Audiothek. Zurzeit können wir Ihnen leider keinen RSS Feed für Sendungen bereitstellen, da bei der Bereitstellung des RSS Feeds uns ein Fehler unterlaufen ist. Wir sind bereits schon dabei dieses Problem zu beheben. Jedoch wird diese Fehlerbehebung noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Wir bitten daher um Entschuldigung und um etwas Geduld. Vielen Dank für Ihr Verständnis und wir wünschen Ihnen trotz dieser Einschränkung weiterhin viel Freude bei den Inhalten der ARD Audiothek.
Wir können auch nicht durchkoppeln. Aber das wäre ein weiteres Thema.
Überhaupt: Standards. Bei der E-Mail fing es an. Vor fünf Jahren gab es die info-Adresse beim CERN schon nicht mehr, als ich sie auf einen Fehler auf ihrer Website hinweisen wollte. Kam als nicht zustellbar zurück. Mail und Webmaster: dito. Wohlgemerkt: Beim CERN. Und mittlerweile fehlen immer öfter die rss+xml-Alternate-Links im Header. Ich fühle mich so alt. Ist es schon soweit?
Natürlich nicht nur hierzulande. Hörfunk-Livestreams sind auch so ein Thema. Die BBC hat gerade umgestellt. Könnten Sie mir bitte Ihre neuen Livestream-URLs mitteilen, damit ich weiter zuhören kann?
We do not provide the URLs to our streams.
Ja, dann: Auf zu GitHub! Übrigens nicht nur meine Sorge: Es gibt durchaus große Frustration in Großbritannien über diese Haltung der BBC, bitte die sendereigene App BBC Sounds, einen Smart Speaker(!) oder ein Webradio zu benutzen, das an einer proprietären Datenbank hängt. Soll man nicht tun.
I hope this has been helpful, and once again thank you for contacting us.
Zu den alten, bewährten Kanälen gehören auch Mailinglisten. Und Mozilla tritt doch für ein freies Internet ein – oder etwa nicht? Mozilla hat gerade alle seine Mailinglisten zu Google transferiert. Das heißt es gibt kein selbstgehostetes Archiv mehr, und auch die gesamte Infrastruktur wurde stillgelegt. Die Daten der Benutzer, die sich an den Listen beteiligt hatten, liegen jetzt bei Google in Form einer Google Group vor. Das Thunderbird-Projekt wurde mit einem Vorlauf von zwei Wochen davon in Kenntnis gesetzt, was für sich genommen schon mal recht sportlich war, und musste sich schnell entscheiden, wie es weitergehen sollte. Man erwog, die eigenen Listen zu Topicbox umzuziehen, sah davon aber wegen des Datenschutzes ab: Dazu fehlte nämlich die Einwilligung der Benutzer (was, wie gesagt, Mozilla überhaupt nicht interessiert hatte).
Wir stehen für ein Internet, das alle Menschen auf der Welt einbezieht…
Wer weiterhin an den Thunderbird-Listen teilnehmen möchte, muss diese nun auf Topicbox abonnieren. Was ich nicht möchte und nicht tun werde. Ein eigener Mailman kam für Thunderbird nicht infrage, denn:
Mailman and things like it are dinosaurs.
Was die E-Mail angeht, so gibt es auch Neues zur Überwachung beim Bezug von Newslettern anzumerken. Sowohl The Conversation als auch France Culture fragten nach einigen Wochen Empfang ihrer täglichen Mails nach, ob ich sie noch erhalten wolle, ich hätte schon so lange nicht mehr hineingesehen. Tatsächlich lese ich die Beiträge, klicke aber nicht auf die Links und habe auch das Nachladen von Grafikdateien abgeschaltet. Immerhin weiß man dadurch nun, dass das ausreicht, um ein Tracking zu verhindern.
Weitere Neuerungen: WordPress.com blendet nun einen Sponsored Post in englischer Sprache mit Werbung für Online-Bloggerkurse an zweiter Stelle in meinen Feed ein. Die Werbung bei WordPress.com wird also immer penetranter. Außerdem wird ist es schon wieder hakeliger geworden, noch mit dem klassischen Editor zu arbeiten. Man muss nun über ~/wp-admin/edit.php gehen, um noch ins alte Backend zu gelangen. WordPress.com kann mittlerweile wirklich nicht mehr empfohlen werden. Und den Wanderer führe ich jedenfalls hier weiter und nicht mehr nebenan.
Zum Schluss etwas Erfreuliches: Gestern, am Gründonnerstag, wurde TeX Live 2021 veröffentlicht. Das ist kein Aprilscherz. Alles weitere hier, wie gehabt, auch was die Release Notes angeht.
MacTeX kann man diesmal ab macOS 10.14 installieren. Ausgeliefert werden Universal Binaries für Intel64 und ARM. Für ältere Apple-Systeme muss man den Unix-Installer verwenden. Da ich weiterhin auf 10.13 bin, wird mir diesmal nichts anderes übrigbleiben als eben dies. Da ich das noch nie gemacht habe, sondern immer MacTeX installiert hatte, kann ich leider derzeit noch keine ersten Erfahrungen weitergeben. Muss mir das erstmal anschauen, wenn ich die Zeit dazu finde…
Danke an alle, die an der neuen Version ehrenamtlich mitgearbeitet und diese damit möglich gemacht haben!
Die TUG-Tagung 2021 wird übrigens vom 5. bis 8. August in Zusammenarbeit mit der Universität Adelaide als reiner Online-Event ausgerichtet. Die Teilnahme ist kostenlos nach Registrierung möglich. Spenden sind willkommen.
Vielleicht vertiefe ich den TeX-Teil noch einmal in einem weiteren Beitrag, wir werden sehen…
Die Creative-Commons-Plattformen waren einst die Lösung für den Vertrieb an den großen Plattenlabels vorbei. Die Netlabels entstanden und bündelten den Markt. Aber nach 16 Jahren sei es immer schwerer geworden, noch CC-lizenzierte Musik im Netz zu finden. Denn heute verliert der lineare Hörfunk zwar ständig an Nutzern, während die Streamingdienste an seine Stelle treten, aber sie verdrängen eben auch die Netlabels, und die interessanteren Künstler bieten ihre Stücke eher bei Spotify zum Kaufen an als bei den CC-Plattformen. Jamendo ist schon länger nur noch ein Schatten seiner selbst, und WFMU hat sein Projekt Free Music Archive ziemlich lustlos und kaum bemerkt abgestoßen. So muss man es wohl sagen.
Die Machtdose lebte schon lange fast nur noch aus Bandcamp. Und Roland schreibt, seine Ausbeute beim Googlen nach neuer Musik sei immer schlechter geworden. Auch Bandcamp gebe derzeit kaum Neues her, jedenfalls sei es immer schwerer auffindbar. Ob das auch für die Creative-Commons-Suche gilt, möge offen bleiben. Denn zumindest Soundcloud scheint doch immer wieder Annehmbares bereitzuhalten. Von dort wird ja auch die Machtdose regelmäßig im Blog eingebunden.
Aber es ist schon richtig: Die Freie Musik (im Sinne von: free as in Freedom) verschwindet aus dem Netz, aus der Welt. Die musikalischen Commons entwickeln sich nicht mehr weiter. Die Idee des freien Remix, wie sie Lawrence Lessig vertreten hatte, kommt an ein Ende. Das Pendel schwingt aus, und es ist Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen unter die alte Welt des Web 2.0 der 1990er und der frühen 2000er-Jahre.
Ich habe immer gerne und interessiert zugehört und sage deshalb Danke für den Fisch – an Roland und an die vielen Künstler/innen, ohne die es die Machtdose nicht hätte geben können!
Seit November 2005 gab es in der Machtdose 2610 Musikstücke zu hören, das Google-Docs-Spreadsheet, in dem sie alle verzeichnet sind, scheint riesig, und das ist es ja auch! Eine riesige kreative Allmende ist das, und alles kann man im Internet Archive auf Dauer nachhören – und remixen! Und wenn sich unsere Generation an ihre Musik erinnert, wird man keinen Radiosender mehr einschalten, sondern das Internet Archive ansurfen.
Es gibt Momente, in denen man traurig sein darf. Das Ende der Machtdose gehört dazu.
Das transnationale Medium Arte beschreibt in einem Dokumentarfilm, der am 5. Januar 2021 im linearen Programm läuft lief, das transnationale Projekt Wikipedia und nimmt dabei eine Position ein, die derjenigen der Wikimedia Foundation beim Blick auf ihre Operationen nicht unähnlich sein dürfte.
Aus den Interviews wurde nicht deutlich, welche der Wikipedianer, die dort gezeigt wurden, denn nun eigentlich je miteinander auf Wikipedia zu tun bekommen hätten. Immerhin zwei aus der deutschsprachigen Wikipedia waren darunter, aber die anderen sprachen jeweils nur über ihre eigene Sprachversion, und diese finden nicht zueinander.
Auf dieser globusdrehenden Metaebene verschwindet auch die Unzufriedenheit der Community an den Verhältnissen vollständig.
Was bleibt, ist ein Dilemma: Wikipedia als mächtiger information hub und zugleich als verletzlicher Gigant in einer Umwelt von Fake News. Viel genutzt, aber bis heute nicht alternativlos.
Die Rolle der Bibliotheken und vor allem der Verlage im Markt der Informationen fehlte ganz. Die Ökonomie der Inhalte, aus denen die Wikipedianer schöpfen, wenn sie sich bei ihrer Arbeit auf Literatur stützen.
Es ist kein kritischer Film.
Lorenza Castella, Jascha Hannover: Das Wikipedia Versprechen. 20 Jahre Wissen für alle? WDR. Deutschland. 2020. Verfügbar in der Arte-Mediathek bis 4. April 2021.
6. Januar 2020: Das Video des Films habe ich nachträglich in den vorstehenden Beitrag eingebettet, nachdem es auf YouTube eingestellt worden war.
Es begann 2015. Damals hatte wordpress.com angekündigt, den klassischen Editor schrittweise abzuschalten. Für mich war es das Signal zum Aufbruch – weg von wordpress.com, hin zu antville.org, wo seitdem mein albatros fliegt.
Nachdem ich im zurückliegenden Jahr als Blogger deutlich weniger aktiv war – weniger Blogposts, keine Bloggerkurse für Anfänger mehr gehalten –, muss ich aber doch staunen: Meine alten Bookmarks funktionieren nicht mehr, und ich werde beim Aufruf des Editors direkt in den Quelltext-Modus des neuen Block-Editors geleitet. Was ich gar nicht will.
Wer weiterhin den alten Classic Editor in wordpress.com benutzen möchte, kann möglichweise einen Button im Menüpunkt Alle Beiträge verwenden, um ihn aufzurufen:
„Möglicherweise“, denn ich kann derzeit nicht überblicken, ob das bei allen alten Blogs noch geht oder nur bei meinen. Es scheint der einzige Weg zu sein, um weiterhin so arbeiten zu können wie zuvor. Wie lange das noch klappen wird, ist derzeit nicht absehbar, aber wir sollten es tun, solange es geht. Es gibt anscheinend keinen Schalter mehr im Dashboard, um den Editor zentral auszuwählen. Jedenfalls kann ich auf diese Weise weiterhin in Markdown bloggen.
Ebenfalls praktisch: Auch beim Nachbearbeiten von bereits gespeicherten Beiträgen kann man den Classic Editor im Ausklappmenü unterhalb des Blogposttitels aufrufen:
Ein Lesetipp für die kommenden Wochen dürfte dieses Werk sein:
Hegland, Frode, Hrsg. 2020. The Future of Text. 1. Auflage. Future Text Publishing. doi:10.48197/fot2020a, (zugegriffen: 5. Dezember 2020).
Worum geht es?
Welcome to Future Text Publishing, producers of ‘The Future of Text’, the largest survey of the future(s) of text ever undertaken.
The book is a collection of dreams for how we want text to evolve as well as how we understand our current textual infrastructures, how we view the history of writing, and much more. The aim is to make it inspire a powerfully rich future of text in a multitude of ways today and to still have value in a thousand years and beyond. It should serve as a record for how we saw the medium of text and how it relates to our world, our problems and each other in the early twenty first century.
Und das ganze ist open end angelegt. Die zweite Auflage wird ab Februar 2021 vorbereitet.