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Der Wanderer 101

Günther Fetzer bespricht hintergründig in literaturkritik.de vom 15. Februar 2024 die in den beiden letzten Jahren erschienenen zwei ersten Teilbände zur Geschichte des DDR-Buchhandels, die bei De Gruyter von Christoph Links, Siegfried Lokatis und Klaus G. Saur in Zusammenarbeit mit Carsten Wurm herausgegeben werden. Sie erscheinen in der Reihe zur Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert und handeln vor allem von den Verlagen. Ein dritter Band soll noch folgen, darin soll es auch um die Geschichte der Bibliotheken in der DDR und um den Außenhandel des Buchhandels gehen. Der Verlag hat den abschließenden Band gegenüber dem Rezensenten für 2025 angekündigt.

  • Fetzer, Günther. 2024. „Der andere deutsche Buchmarkt – Die ersten zwei Teile zur Geschichte des Buchhandels in der DDR sind erschienen“. literaturkritik.de. 15. Februar 2024. literaturkritik.de.

Frankfurter Zeitung digital

Zu den interessanteren Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich brachte, gehört die Möglichkeit, alte Zeitungen und Zeitschriften zu lesen. Während die großen, noch erscheinenden Blätter ihre Archive immer mehr hinter Paywalls und bei den großen kommerziellen Presseportalen verstecken, um sie vermarkten zu können, bleiben die Digitalisate von gemeinfreien Quellen auf Bibliotheksportalen allgemein zugänglich.

So kann man die Zeitläufte in der Vossischen Zeitung für den Zeitraum 1911 bis zur Einstellung des Erscheinens im Jahr 1934 im Zeitungsinformationssystem ZEFYS der Staatsbibliothek zu Berlin nachlesen. Ebenda gibt es auch die DDR-Presse, die den Zeitraum von 1945 bis 1994 (sic!) abdeckt (nur mit Login zugänglich, das geht auch mit einem ORCID-Account).

Weniger bekannt ist dagegen, dass das DFG-Projekt zur Digitalisierung der Frankfurter Zeitung bei der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main vorangekommen ist. Die Förderung lief Ende 2022 aus. Der mittlerweile digitalisierte und online verfügbare Bestand umfasst nun den Zeitraum von 1874 bis 1943 und schließt damit eine sehr bedeutsame Lücke, nämlich die Zeitspanne, in der die Gleichschaltung der deutschen Presse stattfand. – Lesen! (via Maximilian Schönherr).

His theories still generate controversy

Die Library of Congress hat heute Dokumente aus dem Sigmund-Freud-Archiv erstmals online gestellt. Es handelt sich um 20.000 Dokumente aus dem Bestand des Archivs, die bei der LOC verwahrt werden – persönliche Papiere der Familie Freud, Briefe und Postkarten, Kalender und Notizbücher, aber auch die Manuskripte von Freuds Schriften, außerdem über hundert Interviews von Kurt R. Eissler, die zum ersten Mal veröffentlicht werden, schreibt Margaret McAleer im Blog der Bibliothek, während man auf deren Website die lakonische Einordnung liest: His theories still generate controversy. Die Digitalisierung wurde von der britischen Polonsky Foundation getragen.

Noch lange nicht vorbei II

Auch Klaus Röhl treibt die Frage um, wie es nach dem Brexit mit Englisch als Sprache in Europa weitergehen mag. Er meint, schon wegen der Mitgliedschaft Irlands und Maltas bleibe das Englische weiterhin offizielle Arbeitssprache der Union, in den Arbeitsgremien, in der Europäischen Kommission und als Gerichtssprache könne es aber intern zu einer Verdrängung durch die romanischen Sprachen kommen. Einen stärkeren Einfluß des Deutschen erwartet er nicht: Die Sprachloyalität der deutschen Eliten ist so schwach, dass sie lieber weiterhin ihre Englischkenntnisse vorzeigen. Er erwartet keinen Einfluß des Brexit auf Englisch als Wissenschaftssprache. Höchstens bei EU-weiten Ausschreibungen könne es zu Veränderungen kommen. Er ist gespannt, wie die Mittel in Zukunft verteilt werden.

Im Verfassungsblog merkt man von dem Wandel jedenfalls noch nichts. Maximilian Steinbeis interviewt Gertrude Lübbe-Wolff denn auch ungeniert auf Englisch. Sie weist darauf hin, daß der Austritt Großbritanniens noch nicht erklärt oder gar vollzogen worden sei. Bisher gebe es nur ein Referendum; das müßte nun politisch und rechtlich umgesetzt werden.

Auffällig ist die weitentwickelte wissenschaftliche Blogosphäre im angelsächsischen Raum, die man aus diesem Anlaß erkunden kann. So verweist Jo Shaw im Gespräch mit dem Verfassungsblog auf einen Beitrag des Edinburgher Kollegen. Dessen Blogroll weist weitere Websites und Blogs nach. Auch bei The Conversation findet man weitere etwas fundiertere Beiträge – journalistisch aufbereitet, natürlich, denn das gehört dort zum Konzept, aber genaugenommen ist es ein redigiertes bzw. kuratiertes Autorenblog. Der deutschsprachige Raum hat insoweit ganz sicherlich Nachholbedarf.

Noch lange nicht vorbei

The revolution will not be televised. – Doch, sie wird live gestreamt. Die BBC öffnete vergangene Nacht sogar den Stream für ihr Fernsehprogramm auf ihrer Website für alle. Und so konnte man am frühen Morgen, als sich schon abzeichnete, daß leave in dem First-past-the-post-Wahlsystem mehr Stimmen erhalten würde als remain, mitverfolgen, wie ein konservativer Abgeordneter erklärte, was da eigentlich passiert sei. Immer mehr Briten hätten sich gefragt, so meinte er, „wofür man eigentlich im letzten Krieg gestorben sei“. Jedenfalls wolle man nicht fremdbestimmt werden, nicht nur nicht aus Brüssel, sondern überhaupt, und schon gar nicht von den Deutschen. Das wollte er am Ende dann doch noch einmal sagen. Es war sein letzter Satz, dann endete das Interview morgens um drei Uhr – seiner Zeit.

Damit ginge demnach auch die Nachkriegszeit endgültig zuende. Daran hatten wir gar nicht mehr gedacht. Der Versuch, Europa zusammenzuschließen und die Grenzen zu überwinden im Wege einer immer engeren Rechtsgemeinschaft, er endet hier nun wirklich. Was sich vergangenes Jahr schon abgezeichnet hatte, als Deutschland und Österreich mit der Aufnahme der Flüchtlinge von den anderen EU-Staaten alleingelassen worden waren. Euer Problem, nicht unseres. Gibt es überhaupt noch ein Wir? Der Versuch, das und anstelle des oder zu setzen, wie Ulrich Beck es 1993 in der Erfindung des Politischen genannt hatte. Offenheit, Liberalität. Durchaus auch die Kultur der Digitalität, wie Felix Stalder den gegenwärtigen Zustand nennt. Das alles endet doch nun in einer Abstimmung, die letztlich doch sehr knapp ausgegangen war: 51,3 zu 48,7 Prozent, das ist keine wirkliche Mehrheit. Das legt eher die Frage nahe, ob zu der 50-Prozent-Grenze bei solchen Voten nicht doch auch ein Mindestabstand der Mehrheit über die Minderheit zu fordern wäre, damit sie legitimerweise über die Minderheit obsiegen könne? Immerhin: Auch die Zeit der deutlichen Mehrheiten ist vorbei, das gilt nicht nur für Großbritannien.

Der nationalistische Rechtsruck überall derzeit ist ein einziger großer Reflex gegen die Moderne, aber auch gegen das Kapital, gegen die neoliberale und globalisierende Strömung, die eben auch damals in den 1990er Jahren eingesetzt hatte.

Die Börse zu betrachten, ist langweilig, immer. Interessant wird dagegen zu beobachten sein, wie sich der Brexit auf die Stellung der englischen Sprache in Europa auswirken wird, ob nun andere Sprachen wichtiger werden, wenn nicht mehr überall ein Engländer mit drinsitzt. Ob die Europäische Union wieder frankophiler, romanischer wird?

Heute vor 83 Jahren fand in Neu-Isenburg eine Bücherverbrennung statt, und es sind Gedenkveranstaltungen angekündigt worden, um sich daran zu erinnern. Am 24. Juni 1933 brannten auf dem Wilhelmsplatz Bücher. Man dachte, es wäre vorüber, aber das ist alles noch lange nicht vorbei.

Die Klinik

Andreas Heinz von der Charité denkt nach über die Frage, was überhaupt eine psychische Erkrankung sei und wie moderne Therapie aussehen könnte (via Suhrkamp):

Barbara Taylor spricht in Late Night Live und bei 26 über ihre gerade erschienene Arbeit The last asylum. A memoir of madness in our time über das Ende des asylum, der großen psychiatrischen Klinik. Sie verarbeitet darin ihre eigene Krankengeschichte in Friern Hospital, in der sie wegen einer Angststörung unter anderem einundzwanzig Jahre in psychoanalytischer Therapie war – bis ihr Analytiker in Rente ging. Der historische Blick auf die Ereignisse eröffnet eine relativierende Perspektive auf die heute favorisierten therapeutischen Methoden, die keineswegs so „alternativlos“ sind, wie es häufig dargestellt wird („evidenzbasierte Medizin“): „Psychiatrists like my daughter are under a massive pressure just to keep handing out the pills.“ – „Yes, indeed. I mean, the real run-down here has been in psychotherapeutic services. The whole model on which therapy operates … We have cognitive behaviour therapy now which is a real 'patch 'em up and send them back out' kind of idea that's driving it. I'm not saying that can't be helpful for people. But the whole idea that mental illness is something that can be tackled through in-depth psychotherapeutic relationships and a supportive environment, a principle that underpinned a lot of post-war services, I mean, that's been swept away.“

Bei hypotheses.org entsteht derzeit ein Resilienz-Blog, in dem Mitglieder des bayerischen interdisziplinären Forschungsverbunds Fit for change ihre Working Papers und weitere Empfehlungen und Hinweise zum Thema vorstellen. Die ersten Veröffentlichungen sind aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht. More to come.

Gardiner über Bach

Die BBC hat John Eliot Gardiners Dokumentation über Johann Sebastian Bach aus dem Jahr 2013 im eigenen Kanal auf YouTube veröffentlicht: Bach. A passionate life dauert eineinhalb Stunden und ist absolut sehens- und hörenswert (das Video war am 8. Juni 2015 nicht mehr online).

Angesichts der zahllosen Raubkopien ihrer Beiträge hat die BBC nun wohl sozusagen die Flucht nach vorn angetreten und stellt hochwertige Kopien selbst auf YouTube ein.

(via Philoblog)

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