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Es wird eng II

Brent Simmons denkt nach über die Ankündigung von Mozilla sowie von Apple, bald nur noch https zu unterstützen. Er habe bisher vorwiegend an Programmen gearbeitet, die alle Feeds verarbeiten, die man ihnen vorsetzt. Wer vollständig auf https setze, richte sich gegen das offene Web. Mozilla und Apple arbeiten in Richtung auf ein Web, das von den großen Konzernen beherrscht wird, ein Web der geschlossenen Gesellschaften, und ein Konzern spielt den Gatekeeper und bestimmt, wer und damit auch was reinkommt und draußen bleiben muß. Letztlich, meint er, werde der vollständige Umstieg auf https aber noch lange auf sich werten lassen, denn es sei teuer, und: To cut off http is to cut off the arms of the body of free speech.

Der Blogpost war eher ein Zufallstreffer, denn Brent Simmons hat sich auch den aktuellen Markt für Newsreader Feedreader angeschaut – via Schockwellenreiter.

Brave New E-Book World

Was hat man alles gehört über die wunderbare neue Welt der Selfpublisher, die ihre Bücher über Apple und Amazon veröffentlichen, statt bei einem richtigen Verlag. Wir gingen herrlichen Zeiten entgegen, hat man gehört. Geht zu den großen amerikanischen Konzernen, hat man gehört, sie zahlen mehr als die anderen, viel, viel mehr. Und jetzt dies: Mit einer Frist von zwei Wochen kündigt Amazon einseitig eine Änderung seiner Vertragsbedingungen an: Die Autoren, deren Werke über Kindle unlimited vertrieben werden, würden fortan nicht mehr nach den von den Lesern im Rahmen der Pauschale genutzten Büchern, sondern nach den tatsächlich gelesenen Seiten vergütet. Denn die Kindle-Lesegeräte schaffen ja den gläsernen Leser. Amazon ist live dabei, wenn die Datei durchblättert und dabei möglicherweise auch gelesen wird. Und man wundert sich, daß es überhaupt Leser gibt, die bei sowas mitmachen. Und Autoren, natürlich, auch. Aber es gibt ja auch Leute, die Google für eine Suchmaschine halten und die meinen, bei Facebook gehe es vor allem um „Kommunikation“ und um „Nachrichten“. If you're not paying for it, you are the product. Aber hier bezahlen sie ja sogar dafür, und deswegen wird bestimmt keiner umdenken. Sie zahlen einen hohen Preis, Autoren wie Leser.

GAFA IV

Es gibt einige Nachrichtenströme, die es auseinanderzuhalten gilt, und andere, die zusammenzuführen wären. Neues zu den GAFA – Google, Apple, Facebook, Amazon.

Apple Music: Ein Musikstreamingdienst, der auch moderierte Radioprogramme anbieten werde. Nicht frei zu empfangen, sondern gegen eine monatliche Gebühr von zehn Dollar. Das sind 120 Dollar pro Jahr. Der Mehrwert liegt nicht im Radio, sondern in dem Zugriff auf einen sehr großen Katalog der Musikindustrie, der für diese Pauschale wiedergegeben werden kann. Mit den eigenen Radiokanälen wird Apple erstmals zu einem Content-Anbieter, das ist neu.

Apple News und Facebook Instant Articles: Nachdem Google News als Makler zum Content den Weg bereitet hatte, machen sich diese beiden Konzerne nun an eine neue Form der Verwertung, die die exklusive Verbreitung der Inhalte einschließt. Man wird zum Verleger, zum Diensteanbieter. Die Zeitung bietet ihre Inhalte nicht mehr über ihre eigenen Kanäle an, die eigene Website, die eigene App, sondern wird abhängig von diesen Plattformen. Gleichzeitig spaltet sich das Internet in diesen kommerziellen Teil und den ganzen Rest. Die Paywall ist das Mittel hierzu, sie wird als Normalfall gedacht. Wer darauf zugreifen will, braucht den richtigen Zugang oder das richtige Abo. Mit den entsprechenden Folgen für die Demokratie durch die kaufkraft- und technisch bedingte Aufspaltung der politischen, künstlerischen Diskurse.

Die Plattform, auf der man arbeitet, spielt endgültig keine Rolle mehr. Wie schon bei iTunes, das es natürlich auch für Windows gab, wird heute mobil neben iOS auch Android bedient. Einer fehlt bei alledem aber völlig: Microsoft.

Welche Verbreitungswege für die elektronischen Medien genutzt werden, entscheiden nicht mehr Politiker, die beschließen, beispielsweise UKW einzustellen und auf DAB+/DVB-T2 umzustellen, sondern Konzerne in gottesdienstähnlichen, quasi-kultischen Inszenierungen, die weltweit live verfolgt und kommentiert werden. Die Priester tragen Jeans und Turnschuhe. Die „Benutzer“ folgen ihnen. Wer ihnen nicht „folgt“, ist schon älter, hat im Schnitt einen geringeren Bildungsgrad, ist deswegen aber nicht notwendigerweise blöder als die anderen.

Apple Pay: Der Zugriff aufs Bankkonto erfolgt bald ebenfalls durch das Handy. Und im Gegensatz zum elektronischen ÖPNV-Ticket, das es zwar gibt, das aber bis heute so gut wie keiner benutzt, gibt es dafür angeblich auch Interesse von Benutzern. Und: Aldi macht mit.

Kein Wort vom Datenschutz, von der umfassenden Überwachung, nirgends.

Ungleiche Archivierung

Dave Winer denkt nach über die Veränderungen beim Publizieren im Web. Während Yahoo Pipes im September eingestellt werden soll, stehen auch Veränderungen bei Medium an. Winer denkt weiter: …Medium is not a very future-safe place to post. But even sites like Tumblr and WordPress.com that look stable are still subject to corporate changes or disappearance. What we need, and still don't have, is a systematic way of publishing to the future. Einen long-lived content wünscht er sich. Er denkt sogar darüber nach, sein Blog nach seinem Tod auf testamentarischer Grundlage auf Dauer online zu halten. Und merkt, daß auch archive.org hierfür keine Lösung wäre, weil die Plattform – trotz aller Änderungen in neuerer Zeit – keine Netzwerke abbildet, sondern in der (urheberrechtlich mittlerweile problematisch gewordenen) Wayback Machine nur Snapshots von Content abbildet. Da fehlt also ein wesentlicher Teil.

Man sieht, daß im Umfeld von Facebooks Instant Articles – bisher nur Testballons – noch mehr in Bewegung gekommen ist. Blogger werden sich darüber klar, daß das Publizieren im Web, vor allem auf sozialen Netzwerken und Bloggerplattformen (hosted services) der Zeitlichkeit unterliegt. Es ist kein Zufall, wenn Dave Winer als einer der dienstältesten Blogger überhaupt sich Gedanken über seinen „digitalen Nachlaß“ macht – wobei unter dem Begriff ja gemeinhin eher das Auffinden und Verschwindenlassen von Nutzerprofilen Verstorbener verstanden wird, weniger das Erhalten ihrer Hinterlassenschaft. Die diesbezügliche Diskussion ist also bisher eher von den Problemen der Spießer geprägt.

Klar ist, daß auch die letztlich nur ephemer bestehenden Datensilos kein Ausweg sein werden. Vielleicht wären gemeinnützige oder genossenschaftliche Organisationen eine Lösung, auch wenn die meisten heutigen Nutzer bisher vollständig auf die Kommerzialisierung des Web 2.0 beschränkt sind. Auch das Selberhosten führt insofern nicht weiter, denn gerade der Betrieb des eigenen Blogs endet ja spätestens, wenn das hinterlassene Erbe aufgebraucht ist. Also das Blog bei der Deutschen Nationalbibliothek als Netzpublikation abliefern? Dagegen sträuben sich mir nun wieder die Nackenhaare, wenn ich mir vorstelle, daß meine schneeschmelze oder mein albatros am Ende bei den Frankfurter Beamten im Archiv landen.

Schon manches Blog ist zwischenzeitlich verschwunden. Ich erinnere mich zum Beispiel an Kristian Köhntopps Blog „Isotopp“; er postet seit langem nur noch auf Google+, was ja nun wirklich keine Lösung ist, in keiner Hinsicht. Er wird nicht der letzte sein, dessen Content für immer verschwunden ist. Ist das aber schlimm? Sind die Archive zurück bis anno olim nicht irgendwie auch merkwürdig, weil sie uns die Vergänglichkeit und das Älterwerden demonstrativ vor Augen führen? Hat schon mal jemand einen Blogpost von vor zehn oder fünfzehn Jahren wieder ausgegraben? Ist das überhaupt von Interesse außerhalb der Szene? Die Leserschaft, die „Reichweite“ ist absolut auf die Gegenwart bezogen, sie kennt kein Gestern.

Andererseits: Es entsteht eine Ungleichheit in der Archivierung, die wir aus der Geschichtsschreibung bereits kennen: Es zeichnet sich ab, daß sehr langfristig nur diejenigen self-publisher im Web verfügbar bleiben werden, die in irgendeiner Weise institutionalisiert veröffentlicht haben und daß kommerzielle Angebote jedenfalls keine Lösung sind, um die Verzerrungen, die sich für die Nachkommen aus diesem Bild ergeben werden, aufzufangen. Allemal wäre es falsch zu sagen, das Netz vergesse nichts.

Sonntagslektüre II

Die Bibliothek als Kunstwerk

Die norwegische Künstlerin Katie Paterson hat die Future Library begründet. Das Besondere daran: Sie werde erst in hundert Jahren öffnen. Bis dahin sollen die Texte, die von Schriftstellern gestiftet werden, in einem besonderen Raum aufbewahrt werden, der sich, von Paterson gestaltet, in der neuen Deichmanske bibliotek in Oslo befinden werde, die derzeit errichtet wird. Der Neubau soll 2018 eröffnet werden. Die Texte werden in der Hoffnung gesammelt, daß es dann noch Menschen geben werde, die sie lesen können. Das erste Manuskript für die Future Library hat vergangene Woche Margaret Atwood gespendet, die in einem Video erzählt, warum sie das getan habe: Several years ago we were told that everything was going to be digital. It turns out that it's not. Das Konzept der Zukunftsbibliothek erinnere sie an Kinder, die etwas vergraben in der Hoffnung, daß andere es wiederfinden und wieder ausgraben werden. Das ist so ein schöner Gedanke. (via DRadio Wissen, via kulturimweb.net)

Das Blog, das Wiki, das Netz, das Kapital

Angeregt durch Jan Drees' Beitrag Weshalb es 2015 Literaturblogs braucht, lese ich in einige der dort genannten und auch weiterer Plattformen hinein und klicke mich über Links und Blogrolls weiter. Es sind es in den meisten Fällen nurmehr Wurmfortsätze der Werbeabteilungen von Verlagen. Während in den bürgerlichen Feuilletons die Konfektionsware für das Zeitungspublikum angepriesen wird, gibt es hier den ganzen Rest zu sehen. Die Übergänge zu den Rezensionsforen der Online-Buchhandelskonzerne sind fließend. Mit anderen Worten: In dem Beitrag von Rees wird nicht ein einziges echtes Blog erwähnt. Und natürlich heißt es das Blog!, möchte man nach einer Stunde den „Literaturbloggern“ mit Jörg Kantel zurufen.

Was die meisten User, die erst mit Google und Facebook surfen gelernt haben, mit dem Begriff „Blog“ verbinden, hat mit der ursprünglichen und eigentlichen Bedeutung des Begriffs nichts mehr zu tun. Es sind Werbeplattformen, die von den Verlagen bemustert werden. Das gleiche gilt für Wikis. Ebenso wie für entsprechende Blogger, stellen die Verlage Random House und C. H. Beck seit einiger Zeit Rezensionsexemplare für Wikipedia-Autoren zur Verfügung. Random House schrieb selbst über einen eigenen Account bei Wikipedia an Artikeln zu seinem Verlagsprogramm mit und überarbeitete den Artikel Luchterhand Literaturverlag vollständig. Buch-Cover werden zur Bebilderung eingestellt, und den Blogger-Relations treten die Wiki-Autoren-Relations gegenüber. Das Wiki als ein weiterer PR-Kanal neben den vielen anderen. Full service.

Die Folge ist: Das Web 2.0 schafft sich durch seine fortschreitende Kommerzialisierung selbst ab. Wahrscheinlich ist das schon weitgehend erfolgt. Es ist in seinen wirtschaftlich relevanten Teilen schon überwiegend von den Konzernen übernommen worden. Der Traum vom libertären Netz ist an der Normalität des Kapitalismus gescheitert.

Nicht im mindesten

Die Zeit vom 21. Mai 2015, S. 21: Der Zeitverlag gehört zu den Gründungsmitgliedern des Projekts – was seine Journalisten nicht im mindesten daran hindert, unabhängig über Google zu berichten. – Wenn es so wäre, bräuchte man es nicht hervorzuheben, sondern täte es einfach.

Feste Freie

Hektor Haarkötter weist darauf hin, daß der WDR, der in seinen Sendungen wiederholt über die Zunahme prekärer Beschäftigung berichtet hatte, in eigenen Haus eben genau so verfährt: Produktions- und Verwaltungsmitarbeiter werden über Leiharbeitsgesellschaften angemietet, Stellen werden nur befristet vergeben und ein Heer von scheinselbständigen Freien Mitarbeitern ist für die Herstellung des journalistischen Programms zuständig. Über 1.700 WDR-MitarbeiterInnen sind sog. Feste Freie, sie haben keine festen Verträge, keine vernünftigen Arbeitsplätze, wenig Rechte, aber sie zeichnen für bald 90 % des WDR-Programms verantwortlich. Die festangestellten Redakteure im WDR stellen nur äußerst selten selbst journalistische Beiträge her. Sie sind darum auch eigentlich keine Journalisten, sondern Teil des WDR-Verwaltungsapparats, denn sie verwalten das Programm, das andere, nämlich die freien Mitarbeiter, herstellen. – Nota bene: Neunzig Prozent des WDR-Programms werden von sozial nicht abgesicherten Zuarbeitern erstellt, die die eigentliche journalistische Arbeit erbringen.

NPR und Flash

NPR hat zu Pfingsten seine Website renoviert, und der Livestream (mit neuer Adresse), den man gleich auf der Startseite oben anstoßen kann, läuft dort ohne Flash Player – aber nur, solange man auf der Startseite bleibt. Und dann braucht man Flash doch wieder, um einzelne Beiträge anzuhören; das ist inkonsequent. Dann aber wieder die text-only version. Schön, daß es das heute noch gibt.

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