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E-Book und Book-Book III

Der Anteil der E-Books am Markt liege bei vier Prozent. Der Absatz der Verlage habe sich durch die Digitalisierung nicht erhöht, er verteile sich nur neu. Die Verlage versuchten, durch den Betrieb eigener Webforen und Blogs, Werbung zu treiben: Siv Bublitz vom Ullstein-Verlag in einem Interview bei Deutschlandradio Kultur. – Von den Marketing-Aktivitäten der Verlage bei Wikipedia ein andermal mehr.

Aus der schönen neuen Elsevier-Welt

Elsevier hat eine neue Open-Access-Policy bekanntgegeben, der zufolge die Autoren, welche an den Verlag gebunden sind, ihre Werke anderenorts im wesentlichen nur unter einer CC-BY-NC-ND-Lizenz veröffentlichen dürfen, die jegliche Änderung des Originals und seine gewerbliche Verwendung untersagt. Ein weiteres Kernstück ist ein „Embargo“ von 48 Monaten. Der Protest dagegen ließ nicht lange auf sich warten. Hintergrund für den Konflikt ist der Trend kommerzieller sozialer Netzwerke, alle möglichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die online zu greifen sind, einzusammeln, sie zu speichern und daraus Publikationslisten zu erstellen – hier der aktuelle Stand.

Elsevier ist in den Streit eingetreten und zeigt sich unnachgiebig. Wohl doch zu Unrecht, denn was jetzt benötigt würde, wären einfache Regeln für den sofortigen öffentlichen Zugriff auf Forschungsdaten. Elsevier nutzt die derzeit noch anhaltende Stellung der Wissenschaftsverlage aus, die die Wahrnehmung der Autoren durch die Öffentlichkeit organisieren sowie kanalisieren. Die Regeln, die in der Policy aufgestellt wurden, sind so kompliziert, daß sie schon in Elseviers offiziellem Blogpost nur in einer grafischen Übersicht überhaupt dargestellt werden konnten.

Dagegen hilft aber alles Weh und Klagen nicht, denn Ursache für diese weiterhin beherrschende Stellung der Verlage ist letztlich das Unvermögen der Universitäten, sich selbst zur Marke zu machen und solchen Geschäftsmodellen und der damit verbundenen Gängelung von Autoren, Bibliotheken und Lesern etwas Wirksames entgegenzusetzen. Solange die Wissenschaft selbst keine Marke ist und sich selbst nicht als Marke wahrnimmt, sondern alle Welt weiterhin auf die Handvoll Verlage und deren Output schaut, solange die Universitätsserver bestenfalls die Preprints bereithalten, und selbst diese oft nur für die eigenen Studenten, wird das kein Ende haben. Damit ist denn auch die Stoßrichtung bezeichnet, die eigentlich anzugehen wäre. Es liegt letztlich an den Wissenschaftlern, wo sie firmieren wollen und umgekehrt: welche Veröffentlichungen für die Karriere – bei ihresgleichen – als förderlich gelten. Erst wenn hier Einigkeit besteht, wird die Wissenschaft endlich befreit sein aus den Walled Gardens der Verlagskonzerne.

Weggehen, um heimzukommen

Die Diskussion über die Heimarbeit – das „Homeoffice“ – wirft nicht nur sozialversicherungsrechtliche Fragen auf – etwa nach dem Unfallversicherungsschutz –, sie verweist auch auf eine Verschiebung der Grenzen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Wenn die eigene Wohnung zum Ort für fremde Geschäfte wird, stellt sich etwa die Frage nach der grundrechtlichen Abgrenzung zwischen dem Kernbereich und den weniger streng geschützten Sphären der Persönlichkeitsentfaltung neu. Die Wohnung bleib „unverletztlich“, aber mit der Öffnung für fremde Angelegenheiten ist unzweifelhaft auch ein Verlust an Privatheit verbunden. Elektrische Bahnen rasen läutend durch meine Stube. Automobile gehen über mich hin, schrieb Rilke im „Malte Laurids Brigge“. Heute funken und strömen Telefone und Internet ferne Räume herbei, die elektrisch und unvermittelt in der Wohnung stattfinden. Geschachtelte und kurzgeschlossene Wirklichkeiten. Das hat auch psychische Folgen. Der Rückzug muß weiterhin möglich bleiben – möglicherweise findet er dann woanders statt. Was sich wiederum städtebaulich auswirken wird. Niklas Maak weist in der Sendung „Fragen an den Autor“ vom 19. April 2015 darauf hin, daß jemand, der stundenlang aus seinem Schlafzimmer geschäftlich skypt, diesen Raum anders erleben und möglicherweise den Besuch eines Cafés ohne Handy und sonstiger „Netze“ als einen Rückzug von dieser Entfremdung wahrnehmen wird. Die Öffentlichkeit als Rückzugsort. Er geht dann sozusagen weg, um wenigstens einmal am Tag heimzukommen.

Ich möchte lieber nicht

Blogplaneten aggregieren die RSS-Feeds von vielen Blogs zu einem bestimmten Thema und bringen dadurch Autoren und Leser zusammen. Der Betriebswirt würde es wahrscheinlich eine „Win-Win-Situation“ nennen. Und nun möchte einer der bekannteren Blogplaneten, Jurablogs, die teilnehmenden Blogger zahlen lassen: Fünf Euro soll es für Klaus Graf zukünftig pro Monat kosten, damit seine Beiträge, die er in „Archivalia“ mit „Archivrecht“ taggt, dort weiterhin ungekürzt verbreitet werden. Sonst würden nur noch fünf Blogposts pro Monat transportiert. Wohlgemerkt: Sein Blog ist ein ehrenamtliches und hochwertiges Projekt aus der Wissenschaft für die Wissenschaft – und weit darüber hinaus. Er werde das nicht tun, liest man in seinem Blog, das lange schon gleich über mehrere Blogplaneten für Historiker und Bibliothekare zu lesen ist, die allesamt umsonst verbreitet werden. Diesen Betreibern geht es um Qualität, nicht um Zahlungskraft. Eine Ansammlung von Werbeplazierungen wird da demnach also bei Jurablogs geboten. – Auch als Leser: Ich möchte lieber nicht, sagte Bartleby. Es gibt genug Gutes zu lesen da draußen im Netz, zuhauf.

GAFA III

Die Debatte geht weiter. Dave Winer zum Beispiel ärgert sich bloß darüber, daß er als Groß-Blogger nicht darf, was die großen Zeitungskonzerne jetzt bei Facebook dürfen. Er habe sich auch dort beworben, und, denk Dir, sie haben ihn abgelehnt. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, da ist er sich sicher. Denn er wird wohl am Ball bleiben, nachdem er bemerkt hat, daß seine Texte auf Facebook wenigstens gelesen werden, bevor man sie kommentiert. Texte, die in dem neuen Modell nur unter iOS zu lesen sein werden. Pardauz. Während MG Siegler auf den Übergang vom Webbrowser hin zur App verweist. Der Browser, das Tool fürs freie Web: Heute viel zu langsam, die Technik von gestern, meint auch John Gruber.

GAFA II

Richard Gutjahr hatte ich schon länger wahrgenommen, sein Blog mag ich aber aus verschiedenen Gründen nicht. Immerhin schreibt er heute ein kleines Stück über die Einführung der Instant Articles bei Facebook. Die New York Times geht voran und zieht zwei Konsequenzen aus ihren eigenen Zahlen und aus der jüngeren Entwicklung: Ihre App, die früher acht Dollar im Monat gekostet hatte, verschenken sie jetzt. Außerdem veröffentlichen sie ihre Artikel direkt bei Facebook, um Leser zu erreichen, die schon lange keine Zeitungs-Webseite mehr besucht hätten. Dafür bekommt die Zeitung die gesamten Werbeeinnahmen. Vorläufig. Aber die große Zeitung sei letztlich nur wie ein Eisberg, zitiert Gutjahr einen ehemaligen Mitarbeiter der New York Times: Ein Eisberg, der immer mehr abschmelze. Sich an Facebook zu verkaufen, also ein weiterer Akt aus Verzweiflung über das verlorene Geschäftsmodell, was sich auch auf die Attraktivität als Arbeitgeber für Journalisten nachteilig auswirke. Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Der Guardian, die BBC, die Bild-Zeitung und der Spiegel folgen bald. Stephen Downes fragt sich, wie man auf solche Artikel verlinken solle?

Es wird eng

Ben Klemens hat die Ankündigung von Mozilla, wonach neue Features in Firefox nur noch von Websites genutzt werden können, die mit HTTPS ausgeliefert werden, als the real end of the DIY era bezeichnet: This is not a closed-source corporation, or a startup pushing its new tool, or the arrogant guy at the hackathon, but the Mozilla Foundation — “Our mission is to promote openness, innovation & opportunity on the Web” — saying that if you are building web pages using tools from your desert island, without first filling in registration forms, then you are doing it wrong. Mozilla Firefox will make increasingly active efforts to block you until you obtain the correct permissions to build modern web pages. Und damit dürfte er wohl Recht haben, wenn man bedenkt, wie aufwendig es sein kann, den eigenen Webserver auf HTTPS umzustellen. Klemens schreibt aus der Perspektive des Entwicklers, des Selbst-Hosters, the me of the 1990s, the kid of the present day who doesn’t like WordPress and has the energy and curiosity to try building something new, the real-world dissidents in real-world totalitarian countries, are dark matter in the background and not addressed directly in the announcement, but are affected by the announcement nonetheless. Also genau derjenigen, für die Mozilla bis heute der letzte verbliebene Webbrowser überhaupt geblieben ist. Es wird eng für ihn. (via nettime-l)

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