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Neuerscheinungen zur Netzpolitik VII

Diesmal nur als unkommentierte und unsortierte Liste, möchte die Hinweise aber gerne weitergeben. If time permits, reiche ich Anmerkungen nach…

  • Lang, Susanne. 2017. Eine kurze Geschichte des Internets. Die Inkorporation des Internets in kapitalistische Verhältnisse ist keinesfalls abgeschlossen und noch immer umkämpft. Prokla 47, Nr. 186 (1. März): 7–25. prokla.de

  • N.N. 2017. c’t Uplink 19.9: Die Geschichte des Computers, erzählt von Andreas Stiller. c’t uplink. Nr. 19.9. Hannover: heise online. www.youtube.com (zugegriffen: 3. Dezember 2017).

  • Billari, Francesco C., Osea Giuntella und Luca Stella. 2017. Broadband Internet, Digital Temptations, and Sleep. SOEPpapers on Multidisciplinary Panel Data Research. Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. www.diw.de (zugegriffen: 23. November 2017).

  • Dachwitz, Ingo und Marie Kochsiek. 2017. Interview über Period-Tracking: „Wir brauchen Zyklus-Apps mit freier und offener Software!“ netzpolitik.org. 30. November. netzpolitik.org (zugegriffen: 1. Dezember 2017).

  • Farkas, Meredith Gorran. 2017. Saying goodbye to the Library Success Wiki. Information Wants To Be Free. 6. November. meredith.wolfwater.com (zugegriffen: 16. November 2017).

  • Heimstädt, Maximilian und Leonhard Dobusch. 2017. Perspektiven von Open Educational Resources (OER) für die (sozio-)ökonomische Bildung an Schulen in NRW und in Deutschland. Neues ökonomisches Denken. Düsseldorf: FGW – Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung. www.fgw-nrw.de (zugegriffen: 9. November 2017).

  • Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht e. V., Dr Christian Djeffal, Privatdozent Dr. Christian Ernst, Peter Schaar, Daniel Mattig und Theresa Witt. 2017. Digitalisierung und Recht: Tagung des eingetragenen Vereins Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht an der Bucerius Law School am 26. November 2016. Hg. von Dr Anika Klafki, Felix Würkert, und Tina Winter. 1. Auflage. Hamburg: Bucerius Law School Bucerius Law School Press. www.researchgate.net.

  • Lee, Felix. 2017. China: Die AAA-Bürger. Die Zeit, 30. November, Abschn. Digital. www.zeit.de (zugegriffen: 30. November 2017).

  • PEIRA. 2017. 35. PEIRA Matinée: Katharina Nocun - Terrorismus und Überwachung. www.youtube.com (zugegriffen: 23. Oktober 2017).

  • Schaumburg, Felix. 2017. Das neue UrhWissG Gesetz und die Schulbuchkopie. schaumburg.xyz. 8. November. schaumburg.xyz (zugegriffen: 8. November 2017).

  • Welchering, Peter. 2017. Tante Emma 2.0 - Wie der Einzelhandel mehr verkaufen willWissenschaft im Brennpunkt. Deutschlandfunk. Köln: Deutschlandfunk, 3. Dezember. www.deutschlandfunk.de (zugegriffen: 3. Dezember 2017).

  • Emery, Christina, Mithu Lucraft, Agata Morka und Ros Pyne. 2017. The OA effect: How does open access affect the usage of scholarly books? White Paper. Springer Nature. www.springernature.com (zugegriffen: 8. November 2017).

  • Kotowski, Julia. 2017. What happened to CC? And other thoughts regarding the future of Entertainment for the Braindead. entertainment for the braindead. 18. November. eftb.tumblr.com (zugegriffen: 19. November 2017).

  • Ehrenhauser, Astrid. 2017. Google in der Grundschule: Kleine Geschenke mit Nebenwirkung. Die Tageszeitung: taz, 22. Oktober, Abschn. Gesellschaft. www.taz.de (zugegriffen: 23. Oktober 2017).

Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse 2017

Von der Sicherheit war viel die Rede im Vorfeld dieser Buchmesse. Bis hin zu der Empfehlung, keine Rücksäcke und keine Rollkoffer mitzubringen, denn alles werde gefilzt werden am Eingang, was zu langen Schlangen an demselben führen könne. Die Aufforderung hat nicht viel Eindruck gemacht, offenbar, denn natürlich kommen alle, wie immer, mit ihrem Gepäck – wie denn auch sonst soll man das stundenlange Herumlaufen in den trotz Wegwerfteppich so unwirtlichen Hallen noch ertragen, wo ein halber Liter Leitungswasser im Wegwerfpack für drei Euro verkauft wird.

Überhaupt: Der Andrang an Besuchern. Mit dem ist es nicht so weit her wie gewünscht. Bei mittäglichen Gang von Halle 4 in Halle 3 waren wir doch recht einsam auf dem schnieken Laufband unterwegs. Es war so leer wie noch nie auf der Messe, und ich komme seit etwa zehn Jahren hierher.

Eine Branche im Abbau ist zu besichtigen. Der Umsatz konnte nur durch Preiserhöhungen aufgefangen werden; der Rückgang ist also bereinigt durchaus vorhanden, möchte man den Branchenjournalisten zuraunen. Eine Branche, die sich in die Eventisierung flüchtet, so war zu lesen, um ihren gesellschaftlichen Bedeutungsverlust zu kontern. Das gelingt, und die Bücher, die in den großen Verlagen produziert werden und dann durch die Verwertungskette Buchhandel, Bibliothek und Antiquariat durchgereicht werden, sind immer noch gern genutzte Aufhänger, an denen sich der Journalismus abarbeitet, um damit ganze Kulturteile zu füllen mit Kritiken und Autoreninterviews, das ganze Jahr über. Die Digitalisierung fand statt – und doch nicht, jedenfalls nicht so, wie es vorhergesagt worden war. Das E-Book ist bis heute eine Randerscheinung geblieben. Der allergrößte Teil des Marktes besteht weiterhin aus gedruckten Büchern, und so hat es auch eine gewisse Berechtigung, dass das Mainzer Gutenberg-Museum wieder seinen Namensgeber an der Druckerpresse auffährt, wo es immer noch zugeht wie vor fünfhundert Jahren.

Aber dem Buch an sich brechen die Leser weg, sagte die Ex-FAZ-Journalistin und Piper-Verlegerin Felicitas von Lovenberg gerade in einem Interview im Handelsblatt. Es ist also nicht nur eine Frage des Absatzes, der Einnahmen oder des Umsatzes oder wie man es sonst betriebswirtschaftlich bezeichnen möge, es ist ein tiefgreifender und kaum wieder umkehrbarer Medienwandel, der dazu geführt hat, dass Bücher weitaus weniger beachtet werden, während Fernsehserien aus dem amerikanischen Pay-TV auch schon mal in der U-Bahn besprochen und zitiert werden – wenn man die Ohren für sowas offen hält.

Andererseits die schwierige wirtschaftliche Lage vor allem der kleinen Verleger, die Christoph Links in den Frankfurter Heften zusammengefasst hat.

Der Medienwandel wird greifbar. Er ist hier zu besichtigen, Jahr für Jahr.

Es ist ein bisschen wie bei den Pressekonferenzen in den Museen, wo durch die Zusammenlegung der Redaktionen über die Jahre immer weniger Journalisten kamen, so dass sie schließlich auch die Blogger einluden – nicht weil sie verstanden hätte, was diese tun, aber weil die renommierten Häuser gerne eine ansehnliche Zahl an Schreibern um sich scharen, wenn sie sie rufen. Im Fall der Buchmesse sind es die Verlagsfusionen, die mittlerweile doch auffallen. Wo weiland doch immer wieder mittelständische inhabergeführte Verlagshäuser zwischen den großen Playern auftauchten, sehen wir heute sogenannte Gruppen, also beispielsweise die Westermann Gruppe, die eine Handvoll Schulbuchverlage als Marken verwaltet und deren Produkte feilbietet. Im naturwissenschaftlichen Bereich fällt die Übernahme des Schattauer Verlags durch den ebenfalls in Stuttgart ansässigen Thieme Verlag auf. Wieder einer weniger.

Und alles so englisch heute hier, auch wo man es gar nicht erwartet hätte. In der Wissenschafts- und Bibliotheks-Halle, okay, da mag es angehen. Aber auch in den anderen Hallen wurden die Aussteller bunt gemischt, und es kann schon mal vorkommen, dass man von der Seite in amerikanischem Englisch wie selbstverständlich gefragt wird, ob man sich für Kinderbücher interessiere?

Auch der Bildungsbereich, kaum wiederzuerkennen, so klein, so international. Schon vergangenes Jahr war viel Luft zwischen den Ständen, dieses Jahr ist es eher noch ein bißchen mehr geworden.

Der Brockhaus, der vor zwei Jahren rein online wiederauferstanden war und der im letzten Jahr den Eintritt ins Schulbuchgeschäft verkündet hatte, fehlt diesmal vollständig. Die Messe wird offenbar nicht benötigt, um die Zielgruppe zu erreichen. Und man verspricht sich davon anscheinend keinen zusätzlichen Nutzen mehr. Viele öffentliche Bibliotheken bieten den Zugriff auf die Enzyklopädie mittlerweile an. Das neu hinzugekommene Kinder- und Jugendlexikon und die Kurse für Schüler zum Selbstlernen werden dagegen noch selten hinzugekauft. Zu teuer für die meisten Bibliotheken, in unserer Gegend kam deshalb leider kein Konsortium zustande.

Dafür ist Wikipedia dieses Jahr vor Ort, in Halle 4.2 am Stand A58, ziemlich hinten am Rande platziert, aber gut zu finden dank großem Wikipedia-Ball, der auf diese Wand projiziert wird, wo sich die Hallengänge kreuzen. Deutsche und französische Wikipedianer haben sich hier versammelt, um, passend zum Gastland Frankreich, an Artikeln zur Deutschland und Frankreich zu basteln. Ein portables Fotostudio bietet Gelegenheit, Autoren und weitere Prominente zu fotografieren, um deren Artikel zu bebildern.

Wer fehlte noch? Größere Zeitungen, den Spiegel und den Freitag habe ich nicht bemerkt, aber vielleicht habe ich sie übersehen.

Dafür viel Politik. Der Rechtsruck in der Gesellschaft macht sich bemerkbar, und die Buchmesse reagiert darauf. Sie gibt der Neuen Rechten durchaus ein Forum, indem sie sie ausstellen läßt, aber sie platziert den Stand der Jungen Welt neben den der Jungen Freiheit, und der Antaios Verlag ist schräg gegenüber von der Amadeo Antonio Stiftung. Die Bürger wehren sich dagegen, dass die Rechte auf diese Weise ein Forum für ihre Positionen und für ihre Texte bekommt. Buchmesse gegen Rechts sammelt Unterschriften für eine weltoffene Buchmesse und gegen eine Bühne für rechte Propaganda, und am Orbanism Space lagen Lesezeichen für Respekt und für Gutmenschen aus mit dem Hashtag #verlagegegenrechts. Can Dündar war anwesend unter Applaus, als heute mittag der Raif-Badawi-Preis der Friedrich–Naumann-Stiftung Ahmet Şık verliehen wurde, einer der vielen Journalisten, die derzeit in der Türkei in Haft sind. Dazu passend auch das neue Buch von Naomi Klein, die bezogen auf die Entwicklungen in den USA, zu Maßnahmen gegen die Politik Donald Trumps aufruft. Dagegen kaum Politiker auf der Messe.

Zum Abschluss aber noch einmal ein Blick auf die Diskussion über das digitale Lesen. Auch sie auf Englisch, natürlich. How does reading work? A debate on the impact of digital on reading hieß das Panel, das am Nachmittag in Halle 3.1 an Stand B33 im Kulturstadion im Bildungsbereich stattfand. Zwei Wissenschaftler – Anezka Kuzmicova von der Universität Stockholm und Adriaan van der Weel von der Universität Leiden –, Jens Nymand Christensen, ein Mitarbeiter der EU-Kommission, und der Moderator Ruediger Wischenbart unterhielten sich über Probleme, Desiderate und Forschungsergebnisse zum Thema Lesekompetenz und ganz besonders zum Einsatz von gedruckten Schulbüchern im Vergleich zu digitalen Lehrbüchern. Die Ergebnisse, um die es dabei ging, waren vor kurzem auf einer Tagung in Vilnius vorgestellt worden; am Montag dieser Woche hatte die FAZ darüber berichtet – der Beitrag ist hier zu lesen, und auch in El Pais wurde darüber berichtet.

Dabei war die Kehrseite des oben angesprochenen Wegbrechens der Leserschaft zu bemerken: Die Lesefähigkeit nimmt in der EU spürbar ab, und das dürfte nach Ansicht des Podiums zumindest auch mit dem Wandel von Print zu Online zu tun haben. Betroffen sind vor allem die schlechter gestellten Schichten, Lesen zu können ist also in allererster Linie eine soziale Frage, aber nicht nur. Und Lesen können heißt Denken können. Erst das vertiefte Lesen helfe, grundlegende Kompetenzen zu entwickeln, die für das Verstehen von Narrativen und weiteren komplexen Zusammenhängen unabdingbar seien. Ein Nebeneffekt sei, dass man beim deep reading die Konzentrationsfähigkeit entwickle und erhalte. Man war sich aber einig, dass man bei der Frage, wie sich Print- und Onlinemedien auf das Lernen auswirkten, allemal Neuland betrete, was vor allem den Lehrern zu schaffen mache, weniger den Schülern.

Man empfahl vor allem, für das grundlegende Lernen gedrucktes Material zu verwenden und erst zum weiteren Arbeiten digitale Medien und Geräte einzusetzen, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen verhinderten audiovisuelle Inhalte, dass sich die Vorstellungskraft herausbilden könne. Zum anderen seien Bildschirme sehr stark mit Unterhaltung und Zerstreuung und weniger mit Konzentration konnotiert, so dass auch bei nüchterner Aufbereitung des Materials bestimmte Erwartungen angestoßen würden, die die Wahrnehmung negativ beeinflussen könnten. Man war sich auch darüber einig, dass es sinnvoll sei, dass Schüler lernten, von Hand zu schreiben – die Diskussion darüber, ob Blockschrift oder gar Maschinenschrift vorzugswürdig wäre oder ob gar Diktiersysteme ausreichten, wurde gestreift, aber im Ergebnis abgelehnt. Pragmatisch sei es sinnvoll, bis auf weiteres den Gebrauch von Tablets durch Kinder und Schüler zu beschränken. Uneinigkeit bestand in Bezug auf die Gamification des Lernens; während einerseits im Spiel ein sehr niedrigschwelliger Zugang zu allen denkbaren Inhalten liege, wurde dem entgegengehalten, dass sie einer vertieften Beschäftigung mit Themen gerade entgegenständen.

Soweit zur Digitalisierung der Schule. Auf die abschließende Frage aus dem Publikum, wie ältere, die mit Printmaterial aufgewachsen waren, den negativen Auswirkungen des digitalen Lesens entgegenwirken könnten, war sich Adriaan van der Weel sehr sicher. Schon Nicholas Carr hatte in seinem Buch und in dem gleichnamigen Aufsatz im Atlantic Is Google making us stupid? vor etwa zehn Jahren am Ende sich wieder dem Strom der Texte und des übrigen digitalen Contents hingegeben, mit den bekannten Folgen des Verlusts der Aufmerksamkeit und der Konzentrationsfähigkeit. Dagegen helfe nur eines: Read books!

Literatur: N.N. 2017. Zwischen Diskursmedium und Kundenschwund. buchreport. 10. Oktober. www.buchreport.de (zugegriffen: 11. Oktober 2017). – Müller, Anja Tuma und Felicitas von Lovenberg. 2017. Das Buch ist schöner als ein paar Bits. Handelsblatt, 9. Oktober, Abschn. Unternehmen & Märkte. – Links, Christoph. 2017. Gegenwind für die Buchbranche Problematische Gesetzesentscheidungen und globale Herausforderungen. Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte. 1. September. www.frankfurter-hefte.de (zugegriffen: 11. Oktober 2017). – Jacobs, Michael. 2017. Messe-Flucht: Für viele Mainzer Verlage rechnet sich die Frankfurter Buchmesse nicht mehr. Allgemeine Zeitung. 7. Oktober. www.allgemeine-zeitung.de (zugegriffen: 7. Oktober 2017). – Dupré, Johanna. 2017. Lesestoff aus der Apotheke: Digitalisierung verändert die Buchbranche grundlegend. Allgemeine Zeitung. 7. Oktober. www.allgemeine-zeitung.de (zugegriffen: 7. Oktober 2017). – N.N. 2015. Als Wissensservice im Netz: Der Brockhaus kehrt zurück. Börsenblatt. 15. Oktober. www.boersenblatt.net (zugegriffen: 10. Oktober 2017). – Roesler-Graichen, Michael. 2016. Interview mit Hubert Kjellberg, Brockhaus NE: „Das Ergebnis unserer Arbeit ist kein Buch mehr“. Börsenblatt. 12. August. www.boersenblatt.net (zugegriffen: 10. Oktober 2017). – N.N. 2017. Wikipedia:Frankfurter Buchmesse 2017. Wikipedia. 7. Oktober. de.wikipedia.org (zugegriffen: 11. Oktober 2017). – Klein, Naomi. 2017. Gegen Trump: wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen. Übers. von Gabriele Gockel. Frankfurt am Main: S. Fischer. – Küchemann, Fridtjof. 2017. Ist das nun mutig oder dumm? Buch oder Tablet: Wie wir einen Text verstehen, hängt auch vom Medium ab. Was bedeutet das für das künftige Lesen und Lernen? Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Oktober, Abschn. Feuilleton. - Carbajosa, Ana. 2015. ¿Recuerdas cuando leíamos de corrido? EL PAÍS. 24. Mai. politica.elpais.com (zugegriffen: 11. Oktober 2017). – N.N. 2017. E-READ COST. 11. Oktober. ereadcost.eu (zugegriffen: 11. Oktober 2017). – Carr, Nicholas. 2008. Is Google Making Us Stupid? What the Internet is doing to our brains. The Atlantic, August. www.theatlantic.com (zugegriffen: 13. April 2017).

Noch lange nicht vorbei X

Der Beschluss der Unionsparteien über die faktische Anerkennung einer – verfassungsrechtlich bekanntlich nicht haltbaren – Obergrenze von 200.000 Asylbewerbern und Flüchtlingen pro Jahr zeigt, welchen Weg die Politik insoweit eingeschlagen hat: Man grenzt sich eben nicht nach rechts hin ab, sondern man übernimmt rechtsextreme Positionen, vereinnahmt sie damit und gibt sie fortan nicht nur als die eigenen aus; sondern es sind seitdem Positionen des Mainstream geworden. Fleisch vom eigenen Fleisch. Sie nennen es die Mitte.

Das Vorgehen wird zur anderen Seite hin schon lange praktiziert. Zuerst wurden die Positionen der Grünen, dann der Piratenpartei auf diese Weise rezipiert. Auf einmal hatten alle eine Umweltpolitik, eine Frauen- und Familienpolitik oder einen netzpolitischen Sprecher. Man kann auch ganz weit in die Geschichte zurück gehen, als sich auch andere als die sozialdemokratische und die kommunistischen Richtungen mit der sozialen Frage zu beschäftigen begannen. So gesehen war die Sozialdemokratisierung der CDU in den letzten Jahren aber nur ein Aufgreifen der Standpunkte der neoliberal gewendeten Schröder-Schulz-SPD. Natürlich gab es eine Grenze; sie verlief ziemlich dort, wo die Linke beginnt. Gegen sie hat sich der Apparat immer schon abgegrenzt.

Ganz anders jetzt in Bezug auf die rechtsextremistischen Positionen. Auch wenn sie gar nicht mitregieren, wirkt ihre Anwesenheit im Parlament doch auf die Regierungspolitik ein. Die fehlenden Prozente, auch wenn sie gar nicht zurück zu gewinnen sein werden, schmerzen und führen im Ergebnis zur Anerkennung dieser Richtung. Kurzfristig führt so ein Vorgehen nicht zur Dezimierung ihrer Stimmanteile, nur langfristig kann das wirken. Von Gründen des guten Geschmacks ganz zu schweigen. Der Machterhalt ist aber wichtiger als die Moral.

Wenn man die Geschichte der Bundesrepublik betrachtet, war das nicht immer so. Bei all den altbraunen Funktionsträgern bis in die Regierungen hinein, folgte der nivellierten Mittelstandsgesellschaft der Nachkriegszeit mit dem Konsens der Demokraten vor allem der Widerspruch der Achtundsechziger – der auf einen erbitterten Widerstand traf. Auf die Demonstranten gegen den Schah 1967 in Berlin wurde nicht ohne Grund scharf geschossen. Und die Stahlhelmfraktion der CDU bot den Grund, auf dem die älteren unter den heutigen hessischen Funktionsträgern der neuen Rechten einst übten. Fleisch von ihrem Fleisch. Das Aussitzen des linken Protests in den Kohlschen Jahren markierte das Ende dieses Widerstands gegen die sozialen Bewegungen. Es ging dann bei Merkel über in ein opportunistisches Regieren von Fall zu Fall, bei dem ausnahmslos jede Position auf den Prüfstand kam, wenn es die Meinungsumfragen empfahlen. Sie schluckte einfach alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, so zuletzt in diesem Wahlkampf noch die Ehe für alle. Und jetzt also auch die Obergrenze, gestern noch vehement abgelehnt.

Und als nächstes wird sich auch in der Sozialpolitik zeigen, welche unausgegorenen Ansichten eben doch Mehrheiten finden, auch wenn sich 87 Prozent der Wähler für eine ganz andere Politik und also gegen sowas ausgesprochen hatten. Auf der Grundlage der zur Wahl gestellten Programme. Die natürlich unter einem Vorbehalt standen, nämlich demjenigen der Meinungsumfragen – auch derjenigen zu den kommenden Landtagswahlen in Niedersachsen und in Bayern.

Und so signalisierten auch die Grünen ob der neuen Linie bei der Einwanderungspolitik erst einmal grundsätzlich Gesprächsbereitschaft. Klar, warum auch nicht? Man ziert sich noch ein bißchen, aber wenn man ihnen ein paar Millionen für neue Radwege in den Koalitionsvertrag hineinschreibt, passt das schon.

Früher waren es soziale Bewegungen von links oder liberale Stoßrichtungen, deren Inhalte auf diese Weise mehrheitsfähig wurden. Heute steht die Basis, nach der man sich ausrichtet, rechts, sehr weit rechts sogar, und zwar schon ziemlich lange – der sogenannte Wutbürger. Das ist ein erheblicher Unterschied zu damals, zumal in Deutschland.

Die nächste Grenze, die überschritten wird, wird ganz gewiss keine Außengrenze mehr sein. Und diejenigen, die darüber jetzt entscheiden, bereiten schon längst ihren baldigen Abtritt vor, ganz egal, welche Musik das Orchester an Bord bis zu ihrem Abgang noch spielen wird. Der nächste Konzertmeister ist schon ausgewählt und steht bereit.

Quellen: pad/AFP/dpa. 2017. Krisengipfel: Union findet Kompromiss bei Streit über Zuwanderung. Spiegel Online, 8. Oktober, Abschn. Politik. www.spiegel.de (zugegriffen: 9. Oktober 2017). Reimann, Anna. 2017. Grüne und FDP zu Unionskompromiss: Ja-Nein-Jamaika. Spiegel Online, 9. Oktober, Abschn. Politik. www.spiegel.de (zugegriffen: 10. Oktober 2017).

Der Nullvektor

Wer nach etwa einem Vierteljahr vom Zauberberg zurückkehrt zu jenen unten im Tal, findet eine etwas andere Szene vor als diejenige, die er verlassen hatte. Der zeitweilige Rückzug nach innen als Reaktion auf eine Phase mit sehr viel Außen ist durchaus notwendig und nährend. Das Trommeln und das Zittern treffen auf tiefe Stille und immer noch lauten Nach-Hall, der langsam ausläuft und zum Ruhepunkt drängt, obwohl der nicht ganz ruhen soll.

Was fällt auf? Einige Notizen:

In eineinhalb Wochen ist Bundestagswahl, und die Gesellschaft ist immens politisch geworden. Aber das Politische hat für die meisten nichts mehr zu tun mit Parlamenten oder Politikern, sondern es beginnt bei einem selbst. Wer beispielsweise etwas für den Schutz von Tieren unternehmen möchte, würde nicht ernsthaft argumentieren, dazu eine bestimmte Partei zu wählen. Schon die Vorstellung, es gebe einen Zusammenhang zwischen dem Wahlakt und einem bestimmten, konkreten Erfolg in der Wirklichkeit, erscheint derzeit eher wie ein Wahn, zumindest sehr abwegig. Wer etwas für Tiere tun möchte, bestellt sich das vegetarische Essen, besser noch: vegan. Das Politische findet nicht mehr repräsentativ in weiter Ferne statt, sondern es passiert hier und jetzt, wo wir es machen – oder eben gar nicht.

Denn alles legt sich selbst lahm, das System blockiert sich selbst, weil die Player sich selbst ebenso wie gegenseitig behindern. Eine starke Hemmung lähmt den Diskurs in den Medien. Gründe dafür sind nicht erkennbar. So wird die Politik zu einem einzigen großen Nullvektor. Das ist der eigentliche Grund für die schwindende Legitimität der Demokratie: Ihre Un-wirk-lichkeit ist keine Frage von checks and balances mehr, es gibt eher zuviel davon, und Impulse für eine inhaltliche Entwicklung fehlen ganz oder kommen nicht in die Gänge. Ein Land, in dem die Beschaffung zweier Liegesessel für eine psychosomatische Klinik nur mit dem vereinten und kontinuierlichen Einsatz aller Beschäftigten über einen Zeitraum von fünf Jahren möglich ist, hat fertig, weiß offenbar schon lange nicht mehr, wozu es eigentlich da ist und wo es hin will und wozu das alles überhaupt. Verhinderung und Beharren sind wichtiger geworden als das Tun. Schlichte Verwaltung scheint das wichtigste geworden zu sein. Entwicklung ist nahezu ausgeschlossen, und Gelder, die bereits bewilligt sind, können nicht abgerufen werden, weil die Verwaltung nicht hinterher kommt.

So wird auch das Wählen selbst schon zu einer Art Bilanzselbstmord, zumindest eine Bankrotterklärung, denn keiner derjenigen, die sich dazu anbieten, wären noch in der Lage, über ihren eigenen Schatten zu springen – was doch das mindeste wäre, um wirklich voran zu kommen. Nur die kleinsten Parteien, ausgefiltert von Prozenthürden und Schikanen, sprechen noch über Veränderung in die Zukunft hinein, die großen wollen entweder zurück, um die Vergangenheit einfach weiter zu schreiben, oder sie kommen gar nicht erst vom Fleck. Der politische Diskurs ist zum Geschwätz von Marketing-Leuten verkommen, die sich Plakate ausdenken und Sprüche als ginge es um irgendwelche Wegwerfprodukte wie andere mehr. Politik als Konsum. Kauf statt Mitbestimmung. Und folglich die Konsumverweigerung als letzte mögliche Chance, so etwas wie Kontrolle zu erleben. Der Nichtwähler als der eigentliche Wähler, der, wie Bartleby, lieber nicht teilhat an einer Farce, bei der schon lange die Minderheit über die Mehrheit herrscht – obwohl das Gegenteil der Fall sein sollte. Dieser Widerspruch ist nicht heilbar.

Politik als Nullvektor, also. Das Nichtstun als das eigentliche Tun. Diese Bundestagswahl ist sozusagen das Tao der Politik geworden.

Oder ist es ganz anders? Antje Schrupp hatte schon im Januar von den BIG ULGLY FIVE geschrieben, und die Diskussion in ihrem Blog dauert weiter an. Auch für sie stellen sich die Dinge ganz ähnlich dar: Keine Partei kann sie wirklich überzeugen. Also: Wählen, um den Anteil der Rechtsextremisten am Ergebnis so gering wie möglich zu halten. Ein ehrenwertes Ziel, sicherlich, und so werde ich es am Ende auch halten, aber es ändert eben am ganzen nichts. Und das sollte man deshalb im Auge behalten.

Die Lage ist völlig verfahren. Was fehlt, sind Spielräume. Und über sie wäre in einem deliberativen Verfahren zu beraten. Das aber würde einen echten Diskurs voraussetzen, keine Schlacht der Waschpulververkäufer und keine Kandidaten, die nur deren Parolen auswendig lernen und live im Fernsehen aufsagen. Die Abwesenheit von Politik kann nur durch die Neuerfindung der Politik behoben werden. Wenn wir aber gegen den rechten Rand und die Feinde der Demokratie stimmen, statt für die Politik, schwächt das die Demokratie, wie es in Frankreich schon lange der Fall ist, wo ja auch ganz viele in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen nicht gegen den FN stimmen wollten, was nur möglich gewesen wäre, indem sie ihre Stimme einem Neoliberalen Macron gegeben hätten, der sich seine eigene Partei zudem gleich mitbrachte.

Politik muß ein Vektor sein, muß in Bewegung sein, muß auch Impulse aufnehmen und produktiv verarbeiten können, um die Gesellschaft voran bringen zu können. Muß selbst ein Teil der Gesellschaft sein. Darf nicht länger den Begriff der Reform diskreditieren als eine Richtung, die nur nach unten führt, zum Abbau von Strukturen und Leistungen, sondern zur Solidarität und zum Aufbau hin.

Politik muß ein Trotzdem sein, wie es zum Beispiel beim Bestellen eines vegetarischen Gerichts sich zeigt. Und kein Weiter so, sondern ein Weiter!

Neuerscheinungen zur Netzpolitik VI

Cyberabwehr, Digitalministerium, Breitbandausbau: Nur einige Stichworte, mit denen die großen Parteien im Bundestagswahlkampf punkten wollen. Inzwischen haben alle ihre Vorschläge zur Digitalpolitik vorgelegt. Dabei liegen die Ideen der Parteien weit auseinander und sind häufig recht vage.

Falk Steiner kommt in seinem Hintergrund-Beitrag beim Deutschlandfunk zu dem Ergebnis, daß Netzpolitik bei allem … nur eine Nebenrolle spiele. Nur CDU/CSU, FDP und Grüne haben dazu eigene Kapitel in ihren Wahlprogrammen vorgesehen. Gleichzeitig aber spielten die digitalen Projekte in den Ministerien eine wichtige Rolle, anders als noch vor vier Jahren. Aber alles ist auch zersplittert, ist (noch nicht) zusammengeführt, weder thematisch noch personell.

CDU/CSU wollten deshalb einen Staatsminister im Bundeskanzleramt installieren, der die Ressorts koordinieren werde. Nur die FDP fordere ein eigenes „Digitalministerium“. Allein die Neusortierung der Zuständigkeiten könnte die politische Entwicklung des Felds auf Jahre hinaus behindern und zunächst erst einmal lähmen.

Überhaupt: Man spricht derzeit vornehmlich von „Digitalpolitik“, nicht mehr von „Netzpolitik“. Der Spießer hat zu sich gefunden, er spielt nicht mit den nerdigen Schmuddelkindern.

Ansonsten: Gemeinplätze. Aber ein guter Überblick über den derzeitigen Stand der Positionen.

  • Steiner, Falk. 2017. Digitalpolitik im Wahlkampf – Viele Ideen, wenig Gemeinsamkeiten. Hintergrund. Deutschlandfunk. Köln: Deutschlandfunk, 21. Juli. www.deutschlandfunk.de.

Ergänzend dazu: Eine Arbeit im DIW-Wochenbericht, in dem Parteienpräferenzen mit dem sozioökonomischen Status auf der Grundlage des SOEP in Beziehung gesetzt werden. Die reichsten Wähler hat die FDP, gefolgt von den Grünen und CDU/CSU. Die SPD-Wähler liegen ökonomisch gesehen ziemlich im Median, gefolgt von AfD und der Linken. AfD- und Links-Wähler eint die Besorgnis über die politische und wirtschaftliche Entwicklung. Nichtwähler sind die wirtschaftlich Abgehängten und die Jungen.

  • DIW Berlin. 2017. Unionsparteien und SPD werden sich in der Struktur ihrer Wählerschaft immer ähnlicher. diw.de. 19. Juli. www.diw.de.

Die taz beschäftigt sich heute in drei Beiträgen mit dem Thema „Zehn Jahre Smartphone“ und „Smartphone-Nutzung durch Kinder und Jugendliche“:

  • Kimmerle, Elisabeth. 2017. Lehrer über Smartphones: „Nacktfotos gibt’s an jeder Schule“. Die Tageszeitung: taz, 26. Juli, Abschn. Gesellschaft. www.taz.de.

  • Kimmerle, Elisabeth. 2017. Smombies. Vor zehn Jahren kam das erste Smartphone auf den Markt. Die Tageszeitung: taz, 22. Juli, Abschn. Archiv. www.taz.de

  • Raab, Klaus. 2017. Das Handy aus Papier. Die Tageszeitung: taz, 22. Juli, Abschn. Archiv. www.taz.de

In der c't gibt es diese Woche einen Schwerpunkt zu Fake News …

  • Bager, Jo. 2017. Das Lügen-Biotop. Wie Fake News entstehen und warum sie eine Gefahr darstellen. c’t, Nr. 16 (22. Juli): 66–73. www.heise.de

  • Bleich, Holger. 2017. Fakten, Fakten, Fakten! Medienhäuser gründen neue Factchecking-Einheiten. c’t, Nr. 16 (22. Juli): 74.

  • Bager, Jo. 2017. Nix mit Fake. Fake News erkennen und bekämpfen. c’t, Nr. 16 (22. Juli): 78.

  • Schüler, Hans-Peter. 2017. Schlechte Zahlen, böse Zahlen. Statistische Zerrbilder und wie man sie erkennt. c’t, Nr. 16 (22. Juli): 82.

… sowie einen Beitrag zu den veränderten Nutzungsgewohnheiten beim Fernsehen:

  • Kuhlmann, Ulrike. 2017. Fernseher statt TV. Veränderte Nutzungsgewohnheiten am TV und die Folgen. c’t, Nr. 16 (22. Juli): 30–31. www.heise.de

Neuerscheinungen zur Netzpolitik V

Nachdem 2013 die umfangreiche digitale Dauerüberwachung durch staatliche Sicherheitsbehörden ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit geriet, entwickelte sich im europäischen Raum unter dem Schlagwort "digitale Souveränität" eine breite Debatte über Chancen und Risiken sowie Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung. In diesem Papier soll zunächst der Bedarf für eine stärkere gesellschaftliche Einbettung digitaler Technologien aufgezeigt werden, indem die ideologische Rahmung der Digitalisierung und ihre wesentlichen Entwicklungslinien in Form eines Literaturüberblicks herausgearbeitet werden. Nach einer Beschreibung des Regierungsverständnisses von digitaler Souveränität wird argumentiert, dass eine Erweiterung des Konzepts dazu beitragen könnte, die ursprünglich mit der Digitalisierung verbundenen, aber bisher weitestgehend enttäuschten emanzipatorischen Hoffnungen zu verwirklichen.

  • Misterek, Fokko. 2017. Digitale Souveränität: Technikutopien und Gestaltungsansprüche demokratischer Politik. MPIfG Discussion Paper. Max Planck Institute for the Study of Societies. hdl.handle.net (zugegriffen: 1. Juli 2017).

Der neue Gesandte VII

Albrecht von Lucke sieht in der freitäglichen Abstimmung über die „Ehe für alle“ eigentlich nur Verlierer. Die Betroffenen und ihre Interessen werden bei diesem Beschluss im Schweinsgalopp instrumentalisiert, alles nur Wahlkampf, full of sound and fury, verfassungsrechtlich kann man das Gesetz sehr wahrscheinlich leicht kippen. Man bräuchte also kein einfaches Gesetz, sondern eine klare Verfassungsänderung, die soll es aber nicht geben.

Sozialpsychologisch handelt es sich bei dem Vorgehen von SPD und Opposition um eine Identifizierung mit dem Aggressor: Ganz lange hatte man sich gegen Populisten gewandt, in diesem Fall übernimmt man kurzerhand deren Vorgehen und begründet ein Gesetzesvorhaben ausschließlich mit dessen Popularität in den Meinungsumfragen, ohne der Verfassungsmäßigkeit und der Ernsthaftigkeit der betroffenen Anliegen das nötige Gewicht zu geben.

Ich glaube, dieser Satz von Thomas Oppermann, der Ball liegt auf dem Elf-Meter-Punkt, wir müssen ihn nur reinmachen, das ist ein Satz, der geeignet ist, ihm auf die Füße zu fallen, weil die Leute merken, es geht primär jetzt um kleine Bodengewinne im Wahlkampf. Das ist aber möglicherweise in wenigen Tagen wieder vergessen. Dann hat die Kanzlerin gewissermaßen diesen Platz abgeräumt. Es ist dann mit den Worten von Jürgen Habermas das endgültige Moment der Fundamental-Liberalisierung der Union. Merkel hat quasi alles abgeräumt, was irgendwie noch für Konservative große Unterschiede machen könnte. Das ist dann auch ein Problem für die restlichen Teile der Konservativen in der Union. Normalerweise würde die AfD jubilieren, wenn sie nicht momentan hoch geschwächt und zerstritten am Boden läge, denn da würden sich natürlich die Konservativen hinflüchten. Aber das heißt, wir müssen doch sehen, dass jenseits des Mehrheitswillens der Bevölkerung, den es wichtig ist, natürlich zur Kenntnis zu nehmen, in einer solchen zentralen Frage der Bundestag gehalten wäre, eine große Debatte, wenn wir uns daran erinnern, Berlin-Entscheidung oder die Entscheidung zur Sterbehilfe, daraus zu machen. Dann würde dieser Veränderung Rechnung getragen und wir kämen zu einem guten Ergebnis. So wird etwas übers Knie gebrochen und das wird letztlich der Sache nicht gerecht.

  • Lucke, Albrecht von und Sandra Schulz. 2017. Ehe für alle – „Hals über Kopf wird eine sehr grundsätzliche Frage abgeräumt“. Interview. Köln: Deutschlandfunk, 29. Juni. www.deutschlandfunk.de (zugegriffen: 29. Juni 2017).

Neuerscheinungen zur Netzpolitik IV

Ein Buch, eine Radiosendung, eine Tagung und ein Podcast:

  • Stier, Sebastian. 2017. Internet und Regimetyp: Netzpolitik und politische Online-Kommunikation in Autokratien und Demokratien. 1. Auflage 2017. Vergleichende Politikwissenschaft. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

  • Schimmeck, Tom. 2017. Algorithmen im US-Justizsystem - Schicksalsmaschinen. Feature. Köln: Deutschlandfunk, 20. Juni. www.deutschlandfunk.de (zugegriffen: 22. Juni 2017).

  • Deutscher Ethikrat. 2017. Jahrestagung: Autonome Systeme. Wie intelligente Maschinen uns verändern. Deutscher Ethikrat. 21. Juni. www.ethikrat.org (zugegriffen: 22. Juni 2017).

  • Semak, Nicolas. 2017. Julia Reda. Podcast Viertausendhertz: Elementarfragen. 19. Juni. viertausendhertz.de (zugegriffen: 21. Juni 2017).

Und – sozusagen als albatros+ – noch der Hinweis auf diese Umfrage zur Bibliotheksnutzung im Generationenvergleich …

  • Geiger, Abigail. 2017. Millennials are the most likely generation of Americans to use public libraries. Pew Research Center. 21. Juni. www.pewresearch.org (zugegriffen: 22. Juni 2017).

… und auf diesen Beitrag von Torsten Kleinz bei Heise zur – im Vergleich zu den USA – geringen Nutzung von Facebook für die politische Information in Deutschland:

In einigen Ländern nimmt die Nutzung sozialer Netzwerke sogar ab – dazu zählt auch Deutschland. 29 Prozent der erwachsenen Onliner gaben hier an, soziale Medien als Nachrichtenquelle zu verwenden. Im Vorjahr waren es 31 Prozent. Genutzt wird dabei meist passiv: 14 Prozent benutzen die Funktion "Gefällt mir", 8 Prozent kommentieren. Entsprechend niedrig ist auch das Ansehen sozialer Netzwerke als Informationsquelle: 7 Prozent der Volljährigen gaben soziale Medien als wichtigste Nachrichtenquelle an. Lediglich 1,6 Prozent verzichteten dabei auf andere Medien, um sich über die Weltlage zu informieren.

  • Kleinz, Torsten. 2017. Reuters Institute: Großes Interesse an Nachrichten, abnehmendes Vertrauen in Medien. heise online. 21. Juni. www.heise.de (zugegriffen: 22. Juni 2017).

Neuerscheinungen zur Netzpolitik III

Das neue Buch von Geert Lovink ist gerade erschienen:

Der Band behandelt u. a. die Selfie-Kultur, die Internet-Fixierung des amerikanischen Schriftstellers Jonathan Franzen, das Internet in Uganda, die Ästhetik von Anonymous und die Anatomie der Bitcoin-Religion: Wird die Geldschaffung durch Cyber-Währungen und Crowdfunding zu einer Neuverteilung des Reichtums beitragen oder die Kluft zwischen reich und arm eher vergrößern? Was wird in diesem Zeitalter des Freien das Einkommensmodell der 99 % sein?

Ein Auszug daraus war im April in Le Monde Diplomatique zu lesen: Die Filterblasen müssen platzen.

  • Lovink, Geert. 2017. Im Bann der Plattformen: Die nächste Runde der Netzkritik. Übers. von Andreas Kallfelz. 1. Aufl. Digitale Gesellschaft 12. Bielefeld: transcript.

Auf der Website des Transcript-Verlags beachte man den Menüpunkt Open Access. Dort gibt es derzeit 404 Bücher aus dem breit angelegten sozialwissenschaftlichen Verlagsprogramm der letzten Jahre zum Herunterladen als PDF, zuletzt erschienen:

  • Holzer, Daniela. 2017. Weiterbildungswiderstand: Eine kritische Theorie der Verweigerung. 1. Auflage. Pädagogik. Bielefeld: transcript. www.transcript-verlag.de.

Aber auch:

  • Burkhardt, Marcus. 2015. Digitale Datenbanken: eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data. 1. Aufl. Digitale Gesellschaft. Bielefeld: Transcript. www.transcript-verlag.de.

  • Frömming, Urte Undine, Steffen Köhn, Samantha Fox und Mike Terry, Hrsg. 2017. Digital environments: ethnographic perspectives across global online and offline spaces. 1. Auflage. Media studies. Bielefeld: transcript. www.transcript-verlag.de.

oder:

  • Baier, Andrea, Tom Hansing, Christa Müller und Karin Werner, Hrsg. 2016. Die Welt reparieren: Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis. 1. Auflage. Bielefeld: transcript. www.transcript-verlag.de.

und natürlich auch:

  • Helfrich, Silke, David Bollier und Heinrich Böll Stiftung, Hrsg. 2015. Die Welt der commons: Muster gemeinsamen Handelns. 1. Aufl. Bielefeld: Transcript. www.transcript-verlag.de.

Neuerscheinungen zur Netzpolitik II

Eine Dissertation im Fach Informatik: …diese Arbeit fokussiert die technischen Bedingungen der Möglichkeit des öffentlichen Vernunftgebrauchs. … Die vorliegende Untersuchung einer technē der Publizität führt uns von der antiken Agora über die aufklärerischen Salons bis zu den virtuellen und realen Orten der Netzöffentlichkeit. Technisch Handelnde besitzen eine ungeheure Macht, die öffentliche Deliberation zu ermöglichen oder zu bremsen. In der nun ausgerufenen Turing-Galaxis muss nun gerade die Informatik in allen Bindestrich-Varianten Verantwortung für die Gewährleistung von Öffentlichkeit übernehmen. Diese Arbeit soll dazu beitragen. – Gutachter waren Wolfgang Coy, Hans-Jörg Kreowski und Volker Grassmuck.

  • Ullrich, Stefan. 2017. Informationstechnische Grundlagen, Werkzeuge und Praktiken des öffentlichen Vernunftgebrauchs. Die techne der Publizität. Humboldt-Universität zu Berlin, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, 16. Mai. edoc.hu-berlin.de (zugegriffen: 10. Juni 2017).
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