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Entdeckung hinter dem Haus III

Die Netzpolitik ist outgesourct worden, sie wird von dem Blog netzpolitik.org öffentlich verkörpert, kanalisiert und kompetent vertreten. Die Piratenpartei ist ziemlich an ihr Ende gekommen. Und in meinem Feedreader ist in Bezug auf das Thema eine Art von Normalität eingetreten. Ich habe die Feeds noch abonniert, aber sie schreiben heute in ihren Blogs über andere Themen. Die Netzpolitik war stets eine liberale Bewegung. Für die Scriptkiddies war das alles noch zu kompliziert, es waren eher die Fanboys, die sich da auf Twitter breitgemacht hatten, so etwa meine Altersgruppe, die sich auch die nötige Ausrüstung leisten konnten. Das Publikum der Webmontage und der Chaos-Congresse. Es war eben noch etwas teurer gewesen, als es damals anfing.

Und diese Klientel hat heute andere Sorgen. Zum Beispiel im Frankfurter Stadtteil Harheim, wie man bei UmamiBücher lesen kann. Man sorgt sich um den Wertverlust infolge der dort geplanten Wohnanlage für Flüchtlinge. Projektionen und diffuse Ängste mischen sich mit dem wirtschafts-rationalem Kalkül, der Wert der eigenen Immobilie könne sinken. Das ist nicht ganz abwegig, denn solche Wertveränderungen hat man ja auch schon beim Ausbau des Frankfurter Flughafens gesehen. Politik macht Märkte.

Aber jetzt doch ganz anders. „Noch kein Frankfurter Stadtteil hat sich so aufgeregt, weil er aus Kriegsgebieten geflohene Menschen aufnehmen soll“, wird die Vertreterin des Sozialdezernats zitiert. Und an anderer Stelle wundert man sich darüber, daß Flüchtlinge in Baden-Württemberg und in Bayern Bargeld und Wertsachen bis auf einen kleinen Barbetrag abgeben müssen, wenn sie Kost, Logis und weitere soziale Leistungen in Anspruch nehmen wollen. Und ein SPD-Politiker aus Ba-Wü begründet das im DLF damit, sie würden genauso behandelt wie andere Arme in Deutschland auch. „Finden Sie das eigentlich gerecht, den Ärmsten auch noch zu nehmen, was sie an wenigem haben?“ fragte ihn die Journalistin. Ja, so ist das hier. Und auch nicht erst seit gestern. Und Grün-Rot 2016 verteidigt das rot-grüne Hartz IV von 2005. Dabei läßt ihnen Baden-Württemberg deutlich mehr als gesetzlich vorgesehen ist. Der Minister hat also nicht korrekt geantwortet, die Ungleichbehandlung findet bereits statt. Es gibt schon heute zwei Klassen von Armen, von der Politik geschaffen.

Ausgangspunkt war ein Bericht in der „Welt“ aus dem Axel-Springer-Verlag. Auch das ist bemerkenswert: Das Bürgertum staunt darüber, wie man hierzulande mit Armen umspringt. Das hatten sie noch gar nicht bemerkt. Dabei datiert das Asylbewerberleistungsgesetz aus den 1990er Jahren, und Hartz IV mit der Reform der Sozialhilfe wurde 2005 in Kraft gesetzt.

Entscheidend ist am Ende das Timing in Bezug auf die Wahltermine. Es ist ein einziger, nicht endenwollender Eiertanz.

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