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Mozilla II

Man kann ja doch noch was bewegen als Blogger: Die Süddeutsche Zeitung hat meinen Beitrag über Mozilla als Steilvorlage zu einem längeren Text offenbar als Anstoß aufgefaßt ;), und anmut und demut hat diesen Text wiederum kommentiert. Ernsthaft: Lesenswert sind vor allem die Kommentare. Tenor: Wir sind mit Mozilla alt geworden, sind der Marke treu geblieben, und nun fühlen wir uns gemeinsam mit der Firma angesichts der Entwicklung ziemlich alt. Was kann man denn da machen? (via wirres.net).

Nachdenken über Literaturverwaltungen

Zwei aktuelle Diskussionen zum Thema Literaturverwaltung:

(1) In der c't 1/2016, S. 158–161 empfahlen Peter Schüler und Herbert Braun BibTeX als Datenbankformat für Microsoft-Word-Nutzer. (sic!) Neben dem Import von Daten aus verschiedenen Online-Datenbanken (vgl. meinen Beitrag in der DTK 4/2006) sowie JabRef als BibTeX-Editor wurde das Makro BibTeX4Word empfohlen, um die Daten in der Textverarbeitung zu benutzen. Die engagierten Kommentare auf der Projektseite sprechen für sich: Es hat sich etwas getan in Sachen Literaturverwaltung. Der Platzhirsch Citavi hat mit Campuslizenzen den Markt erobern können, weil die Plattformunabhängigkeit von Anwendungen an deutschen Hochschulen keine Rolle spielt. So gab man vor ein paar Jahren sang- und klanglos die Pläne auf, eine Version für den Mac bereitzustellen. Die nahtlose Integration in Winword war wichtiger. Wer außer seiner Textverarbeitung keine andere Software zum Schreiben kennengelernt hat und Citavi geschenkt bekommt, ist in der Regel für andere Lösungen nicht mehr zu begeistern.

(2) Das zeigt auch der Erfahrungsaustausch zwischen zwei den Bibliothekaren auf infobib.de: Zotero ist bei den meisten Benutzern außen vor. Auch der Einwand von Klaus Graf, nur Cloudlösungen, die gemeinsam genutzt werden können, seien „zukunftsfähig“, geht fehl, denn nirgends ist man als Autor bekanntlich einsamer als im Studium. Es gibt nur eine Steigerung dazu: Die Promotion, in ihrer juristischen Spielart. Nicht erwähnt wird dort BibSonomy, das ebenfalls vorzüglich mit LaTeX umgehen kann. Ich verwende den Dienst seit vielen Jahren und möchte ihn nicht mehr missen. Aber auch hier punktet die Cloud in der Regel nicht, sie wirft für die meisten Benutzer mehr Fragen auf als daß sie die Neugier weckt. Für Citavi spricht vor allem die Usability. Und wem die bei Word schon nicht gefallen hat, der wird sie bei Citavi nicht vermissen und lieber eine vernünftige Lösung auf der Grundlage von BibTeX und LaTeX wählen.

Natürlich habe ich auch Erfahrungen zu dem Thema beizusteuern: In einem LaTeX-Kurs, den ich im Dezember hielt, waren insbesondere die Mathematikstudenten an Literaturverwaltungen überhaupt nicht interessiert. „Die fünf Quellen zu meiner Arbeit kann ich auch noch händisch aufzählen.“ Literatur in einer Literaturverwaltung sammeln, Notizen hinzufügen, ein vollständig digitaler Workflow? Nein, eher nicht. Bei Psychologen und Sozialwissenschaftlern und den Juristenkollegen sah es anders aus. Sie freuten sich über Biblatex und Biber.

Mozilla

Das freie Web schwindet in dreifacher Hinsicht: Zum einen, indem sich die Benutzer geschlossenen Plattformen zuwenden. Weiterhin, indem die Inhalte der Anbieter zunehmend in Datensilos landen; und schließlich, indem universell zu nutzende Programme durch Apps ersetzt werden. Letztere greifen nicht mehr auf frei verfügbare Ressourcen zurück, sondern auf einen walled garden, der nur für die jeweilige App geschaffen wurde. Jörg Kantel hat Ende des vergangenen Jahres darüber geschrieben.

Es gibt aber auch ein Sterben der freien Software zu beklagen. Das Paradebeispiel dafür ist Mozilla. Die amerikanische Stiftung hatte bisher im wesentlichen zwei Produkte am Markt, die plattformübergreifend eingesetzt werden konnten: Den Webbrowser Firefox und den Mail-Client Thunderbird. Letzterer ist von der Hauptseite des Unternehmens mittlerweile verschwunden. Dort findet man nur noch den Browser. Die Startseite von Thunderbird ist von dort auch schon längere Zeit nicht mehr verlinkt.

Wenn man sich auch bereits 2012 aus der aktiven Weiterentwicklung von Thunderbird zurückgezogen hatte, so gab es doch immer weiter Bugfix-Releases und Anpassungen an neue Betriebssystem-Versionen. Im November 2015 verkündete dann die Mozilla-Chefin Mitchell Baker in einer Mail auf der Governance-Liste des Projekts, die bezeichnenderweise bei Google archiviert wird, es sei überhaupt besser, Thunderbird gäbe es nicht. Jedenfalls nicht bei Mozilla. Der Webbrowser und der Mail-Client behinderten sich gegenseitig bei der Entwicklung. Die einen müßten auf die anderen immer Rücksicht nehmen. So könne das nicht weitergehen. Es wäre besser, man ginge getrennte Wege.

Die Reaktion der etwas kritischeren Szene im Netz war entsprechend verstört. Man brauche doch Thunderbird zum allseitigen Verschlüsseln von Mails. Man kann sagen, die Kombo aus Thunderbird, Enigmail und GnuPG ist die einzige Toolchain, die auf allen Rechnern von den meisten Menschen bedient werden kann – wenn man davon ausgeht, daß die PGP-Verschlüsselung ein allgemein durchzusetzendes und anzustrebendes Ziel sei. Die Zukunft all dessen ist aber offen. Bei einem Test Ende 2014 funktionierte die Verschlüsselung mit diesen Programmen in unserem Test (jeweils dieselben Versionen) nur zwischen zwei Macs (einer unter Mavericks, der andere unter Yosemite), nicht jedoch zwischen Mac und Windows. Da uns der Leidensdruck fehlte, gingen wir dem nicht weiter nach, sondern ließen es gut sein.

Auf der Mozilla-Governance-Liste berichteten jedenfalls Berater und Entwickler vom Rückzug ihrer Kunden angesichts der Unsicherheit, in der sich das Projekt bewegt. Am Rande dieser Diskussionen kam nebenbei zur Sprache, daß die Integration des Dienstes Pocket in Firefox wohl auch einen finanziellen Hintergrund gehabt haben dürfte, was Mozilla stets bestritten hatte.

Entscheidend wird aber sein, daß auch Firefox immer weniger Bedeutung im Web hat. Der Marktanteil ist insgesamt auf etwa 20 Prozent gesunken, nur auf deutschsprachigen Websites liegt er wohl etwas darüber. Viele Benutzer sind zu Google Chrome abgewandert. Es ist ihnen egal, an welches Zuhause der Browser ihre Daten telefoniert. Und eine mobile Nutzung ohne Nachhausetelefonieren gibt es sowieso nicht. Je mehr Traffic vom Desktop auf Smartphone und Tablet wandert, desto weniger relevant ist der Begriff der Privatsphäre beim Surfen überhaupt. Hauptsache, die Website, die man nutzen möchte, kann dargestellt werden. So wurden Google Chrome und Safari immer wichtiger. Mozilla reagiert, indem Firefox nun auch Webkit-Präfixe in CSS verstehen soll. Mittlerweile werden viele Websites für Firefox gar nicht mehr getestet. Man merkt es spätestens, wenn man eine Seite ausdrucken will, und sei es nur zur Archivierung eines Texts. Gerade die Zeitungs-Websites sparen sich ganz offenbar die Kompatibilität mit dem Mozilla-Browser. Jüngstes Beispiel heute abend: profil.at.

Das gilt zumindest auf dem Mac, wo die Erfahrungen mit Firefox ohnehin eher ernüchternd verlaufen sind. Der Browser hängt praktisch bei jedem Beenden, so daß der „Absturzmelder“ aufgeht. Kehrt der Rechner aus dem Ruhezustand zurück, ist Firefox erst einmal eingefroren und braucht als einziges Programm fast zwei Minuten, bis es überhaupt Eingaben entgegennimmt. Es ist auch nicht möglich, die Symbolleiste anzupassen. Spätestens beim nächsten Neustart der Anwendung sind alle Icons, die vom Standard abweichen, wieder woanders platziert oder sie sind ganz verschwunden und es verbleibt nur noch die Adreßzeile. Mit der ESR-Version für den Firmeneinsatz ist es nicht ganz so schlimm, deshalb bevorzuge ich diese seit einiger Zeit. Aber man kann festhalten, daß Firefox auf dem Mac offenbar nicht sorgfältig getestet wird. Hinzu kommt die merkwürdige Oberfläche, die sich nicht in den Desktop einfügt. Unter OS X gibt es zu jedem Fenster ein Drop-Down-Menü am oberen Bildschirmrand. Es ist daher nicht sinnvoll, eine Bedienung über das Menüfeld am rechten Rand der Symbolleiste zusätzlich vorzusehen, das man zudem erst aufklappen muß – und das man natürlich aus den eben erwähnten Gründen dort auch nicht entfernen kann.

Firefox als Browser, der vor Tracking schützt? Das war der jüngste Werbespruch. Auch hier: Fehlanzeige. Schützt vor Tracking, aber nicht so sehr. Denn von irgendwas muß ja Mozilla ja denn doch weiterhin leben, also arrangiert man sich mit der Werbewirtschaft, und die IT-Medien transportieren brav die Pressemitteilung und tragen zur Desinformation bei.

Der stabilste Firefox ist derzeit auf dem Mac der TorBrowser, also ausgerechnet ein Produkt, das in der kleinsten denkbaren Nische spielt. Ein echtes Außenseiter-Tool, so sehr man es bedauern mag.

So nutze ich Thunderbird vorerst weiter als lokales und plattformübergreifendes E-Mail-Archiv – aber wohl nicht mehr für die Langzeitarchivierung… Auch wenn ich nach jedem Update den kruden Kalender Lightning stets aufs neue abschalten muß. Das Add-on wird immer wieder aktiviert. Ein Add-on, das sage und schreibe den Speicherbedarf des Programms verfünffacht, was doch ziemlich grotesk ist. Auch hier offenbar keine ausreichenden Tests, wahrscheinlich Gleichgültigkeit der Entwickler, die sich möglicherweise gar nicht mehr vorstellen können, wie sorgsam der Mac mit dem Arbeitsspeicher gewöhnlich umgeht. Erst dadurch fällt das ja auf.

Und ich schaue Mozilla weiterhin beim schrittweisen Verschwinden in die Bedeutungslosigkeit zu.

Lohnt sich der Umstieg auf Linux, wenn es keine plattformübergreifenden Lösungen für Mail und Web mehr gibt, die nicht in der Konsole spielen – abseits von Google? Zweifel sind angebracht.

25 Jahre ohne CMS

Derzeit würden 25 Prozent aller Websites unter WordPress betrieben liest man. Es folgten Joomla mit 2,8 Prozent Marktanteil, Drupal mit 2,1, Magento und Blogger mit je 1,2 Prozent. Alle weiteren blieben unter einem Prozent. Und: 57,4 Prozent laufen – der Statistik zufolge – ganz ohne ein CMS, also mit statischen Seiten (via VB via Fefe).

Die erste Website überhaupt – info.cern.ch – wird am 13. November 2015 25 Jahre alt, so alt wir das ganze World-Wide-Web-Projekt insgesamt (via MacTechNews, dort auch Screenshots der WWW-Browser von 1991 und 1993 unter NeXtSTEP).

On the track II

Lena Sundström hat Edward Snowden interviewt (via cryptome.org), fünf Stunden lang. Und Lotta Härdelin hat ihn photographiert. Ein Leben auf Abruf. Die auf Widerruf gestundete Zeit wird sichtbar am Horizont, könnte man sagen.

Die amerikanische Regulierungsbehörde FCC hat es abgelehnt (Entscheidung, via Goldstein Report), die Einstellung Do not track im Webbrowser als ein Verbot jeglichen Benutzer-Trackings auszulegen. Der Artikel in der Washington Post weist darauf hin, daß das Feature ohnehin technisch überholt sei, weil dazu längst schon keine Cookies mehr, sondern der Browser-Fingerprint verwendet werde.

Firefox 42 schützt vor Tracking?

Heise Online vermeldet heute, der neue Firefox 42 schütze vor Tracking. So hätten sich das jedenfalls die Entwickler gedacht, heißt es. Also habe ich mal den Test bei anonym-surfen.de gemacht. Hier das Ergebnis (in den wesentlichen Teilen):

Firefox 42 schützt vor Tracking?

Beim Tor-Browser sind die roten Felder grün bzw. orange, je nach Konfiguration (um den Referrer hatte ich mich auch hier bereits händisch gekümmert, normalerweise ist das Feld ebenfalls rot).

Es bleibt abzuwarten, wie es mit Firefox (nur mit „privatem“ Fenster) weitergehen wird.

Bei Panopticlick schneidet Firefox übrigens noch relativ gut ab. Es gibt zwei Browser, die einen eindeutigen Fingerprint hinterlassen: Safari und Google Chrome. Honni soit qui mal y pense.

„Silver Tipps“ zu Wikis und Wikipedia

Eine kurze Durchsage in eigener Sache: Für die Plattform silver-tipps.de, die von der Universität Mainz betrieben wird und sich vorwiegend an ältere Online-Einsteiger richtet, habe ich zwei Beiträge zu Wikis und Wikipedia erstellt:

Ein weiterer Text von Helena Henzel vertieft den Themenschwerpunkt im Monat Oktober auf der Plattform weiter: Zusammen wissen alle mehr: Wikis – interaktive Wissenssammlungen im Internet

Dazu die Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Silver Tipps – sicher online! Monatsthema Oktober: Wikipedia – Informationen im World Wide Web vom 1. Oktober 2015.

Medieval Hackers

Lesen:

Rezension von John C. Ford, Champollion University, in der Medieval Review: The basic premise of Kathleen E. Kennedy's intriguing volume Medieval Hackers is that modern computer hackers are essentially the inheritors of the medieval copyist and translators who sought to freely disseminate information from original sources through their "derivative texts," which often also abridged, expanded, or altered information in their exemplars. … (via Nettime-l).

Leslie Lamport in Heidelberg

Über TeX-D-L erreicht uns der Hinweis auf einen Vortrag, den der LaTeX-Erfinder Leslie Lamport am 24. August 2015 beim Heidelberg Laureate Forum gehalten hat: A Mathematical View of Computer Systems. Hier einbinden kann ich das Video leider nicht. Wer den HTML5-Player der dortigen Website auf seinem System nicht nutzen kann (es wurden Probleme unter Linux berichtet), möge sich die mp4-Datei direkt herunterladen.

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