Der Wanderer XC
Der Herbst tut nochmal so, als wäre er Spätsommer. Das schafft er jetzt nur noch am späten Nachmittag, und wir tun gut daran, die Sonne und ihre immer noch enorme Wärme in die Wohnung und ins Herz herein zu lassen. Morgens sieht man noch die größeren Insekten, die am Balkon an der Wand sitzen, wo sie übernachtet haben. Und auch die Eichhörnchen sieht man jetzt wieder öfter. Ich freue mich auf die Sonne. Wenn der Nebel weggeht, und die leichtwarmen Oktoberstrahlen durch dringen, und sei es auch nur für ein paar Stunden.
Emacs 29.1 XII
Zu den wertvollsten Verbesserungen für Emacs, auf die ich in den
letzten Wochen gestoßen war, gehört die Möglichkeit, einen harten
Zeilenumbruch leicht wieder rückgängig machen zu können. Das kann
Emacs nämlich nicht von Haus aus, Emacs kann nur neu umbrechen und
umbrechen und umbrechen. Um einen Umbruch zurückzunehmen, hatte ich
früher die wikipedia-unfill-*
-Befehle aus dem Wikipedia Mode von
Chong Yidong und Uwe Brauer benutzt. Das setzt aber voraus, dass man
den Wikipedia Mode zuvor geladen hat. Einfacher zu handhaben ist
dagegen der Vorschlag von Stefan Monnier, der im EmacsWiki überliefert
ist:
(defun unfill-paragraph (&optional region)
"Takes a multi-line paragraph and makes it into a single line of text."
(interactive (progn (barf-if-buffer-read-only) '(t)))
(let ((fill-column (point-max))
;; This would override `fill-column' if it's an integer.
(emacs-lisp-docstring-fill-column t))
(fill-paragraph nil region)))
(define-key global-map "\M-1" 'unfill-paragraph)
Man muss den Absatz nicht markieren, die Funktion greift dort, wo der
Cursor gerade steht. Als eine schöne motorische Eselsbrücke hat sich
bewährt, die neue Funktion global an M-1
zu binden, was direkt neben
dem händischen Umbruch per M-q
liegt.
Der Wanderer LXXXVIV
Die Umstellung meiner LaTeX-Einführung von HTML auf Org-Mode ist abgeschlossen. Das Projekt steht jetzt als l2intro auf GitHub und kann direkt für meine Website exportiert und installiert werden, ohne weitere Nachbearbeitung.
Bin noch unsicher, ob ich es damit bewenden lasse oder ob ich auch die restliche Website in Org überführe und dann in Zukunft komplett als Publishing-Projekt exportiere.
Thunderbird 115, Firefox 120
Alle sieben Bug Reports, die ich in den letzten beiden Monaten für
Thunderbird 115 eingericht hatte, sind mittlerweile gefixt
worden, und es wurde sogar ein ganz alter Bug, den ich 2018 für den
Firefox gemeldet hatte und der bis heute noch offen war, aufgegriffen.
Er ist für die übernächste Version Firefox 120 behoben worden. Ob
die Korrektur auch in Version 119 noch einfließen wird, ist derzeit noch
nicht sicher, es gehe nur um eine Zeile Code. Könnte also klappen. Sie
tun was.
Der Wanderer LXXXVIII
Es ist jetzt nicht mehr Spätsommer, sondern schon eher Frühherbst. Am Morgen sehr kühl. Wenn die Sonne aufgeht, wird es dann schnell ziemlich warm. Die Sonne steht auch am Mittag so schräg, dass man die Spinnennetze deutlich sehen kann, an der Ampel sind es gleich zwei, und sie werden offenbar gepflegt, sind also einträglich für die Spinne, die sich durch sie ernährt. Ich stelle mich hinter die Ampel in den Schatten und warte, bis sie auf grün schaltet. Und so schnell, wie die Sonne morgens aufgeht, verschwindet sie am späten Nachmittag auch schon wieder und entzieht der Welt die Wärme, die sie ihr für wenige Stunden nur gab. Wo sind die beiden Schmetterlinge, die heute an meinem Fenster vorbei flogen, jetzt, wo es dunkel wird? Mögen sie beschützt sein!
Emacs 29.1 XI
Es gibt mehrere Completion Frameworks für den GNU Emacs. Sie
sollen die Auswahl von Dateien, Buffern, von Variablen und Funktionen
erleichtern. Und weil sie immer wieder empfohlen, teilweise geradezu
gehypt werden, habe ich die wichtigsten ausprobiert.
- Ido
ist Teil von Emacs. Man muss es also nicht mehr hinzu installieren,
sondern nur noch aktivieren. Es verändert den Mini-Buffer, indem
eine Auswahl in horizontaler Anordnung gezeigt wird, und man kann
diese dann weiter einschränken, indem man weiter tippt, je nach
Konfiguration genau oder fuzzy, oder indem man mit dem Cursor nach
rechts oder links und RET auswählt. Viel mehr macht Ido nicht. Man
kann damit leben.
- Helm von Thierry Volpiatto
wird vielerorts wärmstens empfohlen. Helm hieß früher Anything und
wurde dann umbenannt. Es schaltet sich in sämtliche
M-x
-Dialoge
ein und sorgt für eine Autovervollständigung in eigenen Buffern.
Helm blendet alle verfügbaren Datei- und Befehlsnamen ein, die
irgendwie zum Suchstring passen. Die Auswahl erfolgt über eine
Auswahlliste in einem eigenen Buffer, nicht über den Mini-Buffer, in
den man den Suchstring eintippt – das ist zu Anfang etwas
verwirrend. Ein Nachteil liegt in der Unruhe, die in die Bedienung
kommt. Ich meine, vor allem durch Helm wird die Bedienung sogar eher
erschwert als erleichtert.
- Die dritte Lösung, die ich getestet hatte, ist
Ivy von Oleh Krehel, das
zusammen mit den weiteren Paketen Counsel und Swiper eingesetzt
wird. Ivy wurde offenbar von Helm inspiriert, denn der Mini-Buffer
wird auch hier zu einer Liste, die man direkt durchsuchen kann;
dabei wird sie live gelichtet, und am Ende bleiben nur noch die
Datei- und Buffer-Namen übrig, die irgendwie zur Eingabe passen.
Beim Durchsuchen eines Buffers mit Swiper werden stattdessen die
passenden Zeilen angezeigt, die zu einem Suchmuster passen. Das ist
tatsächlich eine Verbesserung der inkrementellen Suche, die ich zu
schätzen gelernt habe.
- Das vierte Completion Framework ist
Vertico von Daniel Mendler in
Verbindung mit den Paketen Marginalia, Consult, Embark und
Orderless. Vertico baut soweit wie möglich auf den bestehenden
Funktionen in Emacs auf, bietet sie aber anders dar und erlaubt eine
sehr dynamische und interaktive Auswahl. Praktisch ist, dass
Marginalia die Kurzbeschreibungen von Paketen, Variablen und
Funktionen einblendet, das erleichtert den Überblick erheblich.
Insgesamt erinnert es mich aber zu sehr an Helm, das ich nicht mag.
Und so blieb ich am Ende erst einmal bei Ivy, das sich einerseits
noch nach Emacs anfühlt, das andererseits aber auch per Swiper eine
sehr schöne und nützliche Verbesserung der Isearch mitbringt. Die drei
anderen Lösungen habe ich aber noch nicht deinstalliert, sondern
erstmal beibehalten, um immer mal wieder testen zu können. Es mag
sein, dass sich meine Bedarfe im Laufe der Zeit verändern. Außerdem
ist es leichtes Gepäck, denn die nicht genutzten Pakete werden nicht
geladen, wenn man sie im Init-File auskommentiert hat.
Der Verzicht auf Completion Frameworks hat aber auch vieles für sich,
denn die Bedienung, bei der man Vervollständigungen per TAB und die
History der Auswahl per Cursor hoch/runter bedient, ist man schon so
lange vom Terminal gewöhnt, dass sie sehr eingängig ist und einfach.
Außerdem wird der Zugriff auf das Dateisystem durch die Completion
umständlicher. Mein Dateisystem ist Teil meines Wissensmanagements und
erschließt das Material, mit dem ich arbeite, auch inhaltlich. Alle
Frameworks verändern die Bearbeitung des Speicherpfads im Mini-Buffer,
so dass es etwas schwieriger wird, im Pfad zu navigieren, um eine
Datei in einem anderen Verzeichnis neu zu speichern. Vieles muss sich
also bei der Bedienung neu einspielen, wenn man als erfahrener
Emacs-Benutzer solche Lösungen zum ersten Mal einsetzt.
Weniger ist mehr.
Der Wanderer LXXXVII
Kurz vor dem Wochenende traf die dritte Auflage des LaTeX Companion, des TLC3, ein. Zwei Bände mit zusammengenommen gut 1900 Seiten. 18 Jahre nach dem Erscheinen der deutschen Übersetzung der zweiten Auflage. Ein enormer Gewinn für alle Benutzer und eine große Freude, ein so sorgfältig hergestelltes Buch zu bekommen.
Wobei es nicht ganz einfach war, den Titel zu bestellen, denn Addison-Wesley oder besser gesagt: Pearson ist auch nicht mehr ganz, was es mal war. Das Buch ist zwar in Deutschland über den Buchhandel bestellbar, es wird hierzulande aber nicht gelagert, sondern jeweils direkt beim Verlag aus den USA beschafft. Das sorgt für eine lange Lieferzeit und für vergleichsweise hohe Kosten. Und auch für ungewöhnlich schwankende Kosten. Wenn man die deutsche Buchpreisbindung gewöhnt ist, mag es merkwürdig anmuten, aber die Preisunterschiede zwischen den Buchhändlern sind doch beträchtlich.
Am ärgerlichsten ist aber wohl, dass der Transfer der Metadaten vom amerikanischen zum deutschen Buchhandel nicht so richtig klappen will. Wer das Werk bestellt, möge sich deshalb, bitte, nicht kirre machen lassen, es gibt mehrere Angebote vom Verlag: Man kann beide Bände separat bestellen, beide haben eine eigene ISBN, und es gibt ein Bundle mit beiden, und dann gibt es nochmal ein Bundle zusammen mit der E-Book-Ausgabe, das wäre dann also sozusagen die vollständigste aller Ausgaben. Wer die Auskunft erhält, der zweite Band sei nicht lieferbar, möge ihn reklamieren. Es gibt ihn wirklich, er liegt gerade neben mir auf dem Schreibtisch. Also nicht nur als E-Book, sondern als Book-Book.
Wer sich für LaTeX interessiert, möchte doch wahrscheinlich gerne ein gedrucktes Buch in Händen halten, zumal bei dem besagten Umfang. Fest gebunden auf gutem Papier mit einem schönen dunkelroten Lesebändchen. Und dann hat es also doch noch deutlich vor Weihnachten geklappt. Ich freue mich wirklich darauf! Und alle Beispiele aus dem TLC3 gibt es auf CTAN.
Übrigens habe ich die knappe Einführung in LaTeX, die ich seit ein paar Jahren auf meiner Homepage anbiete, endlich einmal wieder aktualisiert. Viele Weblinks gingen nicht mehr. Einige Angaben waren ebenfalls überholt. Bei der Gelegenheit habe ich den Text von HTML auf Org-Mode umgestellt. Sowohl die Quelle als auch der leicht nachbearbeitete HTML-Export aus Org stehen auf GitHub bereit. Und bei der nächsten Version werde ich auch die Teile, die ich heute noch händisch angegangen hatte, soweit wie möglich in Org umsetzen. Vielleicht kann ich meine gesamte Website als Publishing-Projekt auf Org umstellen. Wahrscheinlich erhalte ich auch beim Lesen des TLC3 eine paar Anregungen, die in den Text einfließen können, ohne ihn zu sehr auszudehnen.
Bei der Gelegenheit habe ich meine Homepage noch mit einem Dark Mode versehen. Das war per @media (prefers-color-scheme: dark) {...}
tatsächlich viel einfacher, als ich gedacht hätte.
Ich stelle mir gerade parallel eine ebenso kurze Einführung in die Installation von Emacs unter macOS vor, in der ich meine Erfahrungen aus den letzten Wochen zusammenfassen könnte, die ich ja teilweise hier auch verbloggt hatte. Ich mag die alte Tradition der gentle introductions sehr, von denen es früher ganz viele im Netz gab, zu allen möglichen Themen. Blogs, Wikis und Webforen sind hilfreich, aber letztlich sind es nur gesammelte Bruchstücke, es fehlt meistens der größere Überblick über ein Thema. Still digging!
Emacs 29.1 X
Zu den praktischsten neuen Paketen, die mir in den letzten Wochen
untergekommen sind, gehört mit deutlichem Abstand der Company
Mode. Er kam auf mein
System, als ich die Python-Umgebung
elpy nachinstallierte, die
es einsetzt. Beim Tippen werden Vorschläge aus dem restlichen Text in
diesem oder auf Wunsch auch aus weiteren Buffern desselben Modes
angeboten, die man auswählen und annehmen oder verwerfen kann. Die
Vorschläge können also auch ein Projekt mit einbeziehen, das aus
mehreren Dateien besteht. Das funktioniert sowohl bei Code als auch
bei Fließtext, auch in längeren Kommentaren, und für mich als
Vielschreiber ist das Paket natürlich ein Muss. Damit kann ich das
Paket dabbrev-expand deutlich erweitern, das kein Frontend hatte, bei
dem der Text automatisch so schön eingeblendet wurde – man musste
einen Keystroke ausführen, um Autocomplete auszulösen. Company kann so
konfiguriert werden, das auch Groß- und Kleinschreibung beachtet
werden. Mit anderen Worten: Ich bin glücklich.
Der Wanderer LXXXVI
Derzeit bin ich am Räumen. Sehr. Analog und digital. Schon vor einem
Jahr, als ich auf den neuen Rechner umstieg, nahm ich nicht alle Daten
mit. Das riesig angewachsene, aber in iTunes gefangene Archiv ließ ich
zurück und lagerte es auf eine separate Festplatte aus. Ich habe es
ein Jahr lang nicht gebraucht, was dafür spricht, das so zu
lassen. Manchmal befreit einen so ein Datensilo auch von allzuviel
Ballast. Jetzt ist das laufende Wissens- und Projektmanagement
dran. Analog und digital, siehe oben.
Andere Technik, andere Gliederung des Materials, Durchsicht, Ordnen
und auch Löschen sind angesagt. Analog, freilich: Wegwerfen.
Das beendet ein offenes oder auch latentes Leiden und sorgt für
Platz. Außerdem scheint ein Paradigmenwechsel vor mir auf, vom
hermeneutischen und systemischen Denken hin zu was Moderneren. Was das
dann sein wird und wie weit der Umbau da gehen wird, mag sich zeigen.
Fenster auf, gut durchlüften und putzen und räumen. Jedes Mal, wenn
ich rausgehe, nehme ich was mit. Umbruchzeiten sind gute Zeiten, und
sie wollen gestaltet werden.
Emacs 29.1 IX
Zu den schönsten Paketen für den GNU Emacs, die mir untergekommen sind, gehört golden-ratio von Roman Gonzalez. Gestern kam Version 1.0.1 auf ELPA. golden-ratio nimmt sich des Zuschnitts der Buffer im Verhältnis zueinander an, wenn innerhalb eines Frames in Emacs mehrere Buffer gleichzeitig geöffnet sind.
Das Paket sorgt für zweierlei: Es gibt dem Buffer, in dem man gerade arbeitet, den meisten Platz. Und es legt für das Verhältnis der Buffer-Höhen zueinander den Goldenen Schnitt zugrunde. Und das alles dynamisch und direkt bei der Benutzung, was sehr praktisch ist und auch ziemlich elegant aussieht. Besonders zu empfehlen, wenn man beim Schreiben zum Beispiel zwischen einem Org-Buffer und einem Programm in elpy und mehreren Test-Buffern hin und her schaltet.
Ich war ja skeptisch, aber nach diesem Härtetest bin ich sehr gespannt, ob es tatsächlich Pakete gibt, mit denen sich golden-ratio nicht verträgt – kann mir das aber mittlerweile kaum noch vorstellen. golden-ratio ist wohl schon ziemlich gut getestet worden.