Sonntag, 19. Februar 2017
„Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo“ im Städel Museum, Frankfurt am Main
Was soll man sagen? Eine Ausstellung, zunächst einmal durch die über sie berichtenden Medien betrachtet. Zu Anfang: Das Übliche in den Massenmedien, von denen man schon längst keine Überraschung mehr erwartet. Tenor: Geht hin! Dann die Rezensionen in den Feuilletons, in denen eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand wohl unter den Bedingungen des Marktes immer schwerer geworden ist. Am ehesten bei Katharina Cichosch in der taz ahnt man, wie sehr es wohl durcheinandergeht im Geschlechterkampf nach der Lesart des Städels. Die Blogger hielten sich ziemlich zurück, erst nach und nach liefen ein paar distanzierte bis eher kritische Beiträge ein.
Die Ausstellung polarisiert doch ziemlich. Zustimmung hörte man seltener nach dem Besuch. Konzipiert wurde sie im Nachgang zu einer Schau zur Schwarzen Romantik, die im strengen Winter 2012/13 an gleicher Stelle gezeigt wurde, und so gibt es denn nicht das Wahre, Schöne, Gute zu sehen, sondern einen ziemlich holprigen Querschnitt durch die Kunstgeschichte, den die beiden Kuratoren zum Thema der Geschlechterbeziehungen ausgewählt haben, anknüpfend an den Gender-Diskurs der letzten Jahre, bis hin zum #aufschrei und dem Gauckschen Tugendfuror.
Etwa 150 Werke – darunter geht es in den großen Ausstellungshäusern mittlerweile anscheinend nicht mehr –, davon 30 aus der eigenen Sammlung, werden im Städel gezeigt, und zwar buchstäblich beginnend bei Adam und Eva, zwölf Räume füllend, beginnend beim Symbolismus in der Mitte des neunzehnten, bis hin zum Surrealismus zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Räume, die man durchschreitet, folgen meist beziehungslos aufeinander. Viele Darstellungen schwanken zwischen Mord und Totschlag; so viele abgeschlagene Köpfe hat man selbst vom IS in den letzten Jahren nicht gezeigt bekommen. Und in vielen Fällen – nicht ausschließlich – sind es Bilder, die von Männern gemalt wurden und die mehr oder weniger bekleidete Frauen zeigen – einen Umstand, den die feministische Autorin Antje Schrupp auf ihrer Facebook-Seite dahingehend zusammenfaßte, die Ausstellung könnte genausogut heißen: „Wie Männer sich einen Geschlechterkampf fantasiert haben“, unter besonderer Berücksichtigung nackter Busen. Man dokumentiere hier aber nur die Kunstgeschichte und stelle sie der aktuellen Debatte gegenüber, hieß es immer wieder seitens der Kuratoren.
Aber braucht es dazu wirklich eine solche Ausstellung? Ist es nicht schon lange bekannt, daß die Kunstgeschichte eben vor allem ein Abbild der Sammlungen ist, in denen sich der jeweilige Zeitgeist spiegelt, mal mehr und mal weniger chauvinistisch, mal mehr, mal weniger aufgeklärt, und daß das meiste, was Frauen geschaffen haben, außen vor blieb und mithin der Fundus, auf den heute zurückgegriffen werden kann, notwendig von Männern stammt, von Männern ausgewählt wurde und daher vorwiegend aus männlicher Perspektive auf das Thema zugreift? Ist das – unbeschadet der Wirkung einzelner Werke, die für sich stehen können – im ganzen gesehen nicht genaugenommen trivial?
Zumal der Titel „Geschlechterkampf“ eine ziemlich grobe Verengung des Themas der Geschlechter und der Geschlechtlichkeit darstellt, das am Ende so viele Facetten hat. Haben könnte. Nicht nur destruktive, problematische, kriminelle bis pathologische, sondern eben auch Nährendes, Reifendes und Heilendes.
Und wäre es nicht die Aufgabe gewesen, diesen verzerrten Blick durch eine ausgewogenere Auswahl der Werke zu korrigieren – gegebenenfalls auch durch eine Beschränkung der Werkanzahl – und dabei auch den Begriff der Kunstgeschichte kritisch zurechtzurücken, die beileibe kein neutrales Abbild der Wirklichkeit ist, mit dem sich alles begründen ließe, sondern letztlich nur eine Konstruktion? So, wie ja auch heute immer noch das meiste, was kreativ entsteht, aus dem Kunstbetrieb herausgehalten wird durch diverse Zensur- und Auswahlverfahren, von den Aufnahmeprüfungen an den Kunsthochschulen über die künstlerischen Produktionsbedingungen bis hin zur Vermarktung einschließlich des Ausstellungsbetriebs.
Das Narrativ, unter dem die Schau steht, funktioniert nicht.
Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo. Bis 19. März 2017 im Städel Museum, Frankfurt am Main. Kuratoren: Felix Krämer und Felicity Korn. – Katalog (Prestel, München, vor Ort: 39,90 Euro), Begleitheft (7,50 Euro), Digitorial.
Freitag, 17. Februar 2017
Die Freitag Community revisited
Meine Erfahrungen als Autor der Freitag Community hatte ich seinerzeit auf der schneeschmelze verarbeitet. Der letzte Beitrag dort scheint von 2012 zu datieren. Verdammt lang her.
Wie sieht es dort heute aus? Die Community ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, der inhaltliche Niedergang des crowdgesourcten Contents hat sich nach meinem Dafürhalten fortgesetzt, und Jakob Augstein erklärt in einem Interview gleichwohl ziemlich frei:
Die große Mehrheit unseres Netz-Inhalts stammt inzwischen aus der Community.
Obwohl in der Community also sehr viel weniger los ist als zu meiner Zeit (sie endete im November 2009), braucht man nur zum Füllen der Website mittlerweile keine Journalisten mehr. Man läßt zu einem großen Teil Freizeitblogger unbezahlt für sich schreiben. Und wenn man sie bezahlte, weil ihr Text in die Printausgabe übernommen wurde, honorierte man das mit 25 Euro, pauschal. Gilt das auch heute noch? Augstein ist trotz dieser Produktionsbedingungen der Ansicht, er verlege eine linke Zeitung.
Die Freitag Community sieht er als eine Ansammlung von Autoren, denen es leichter falle, Meinungsbeiträge zu schreiben als sachorientierte Texte. Darauf führt er seine Enttäuschung darüber zurück, daß es keinen Lokaljournalismus in der Freitag Community gegeben habe, was eine große Hoffnung bei deren Gründung gewesen sei.
Abgesehen davon, daß ich mich daran gar nicht erinnern kann, hatte ich als einer der wenigen, die damals über lokale Ereignisse geschrieben hatten, nicht den Eindruck, daß das auf Interesse stieß, weder bei der Community noch bei den Lesern noch bei der Zeitung. Meine Beiträge über kulturelle Veranstaltungen in Frankfurt wurden kaum gelesen, und die Redaktion flog sowieso die ganze Zeit in ihrem Raumschiff Berlin isoliert durch den weiten eher östlich orientierten Raum.
Auf die vielen ehemaligen Nutzer angesprochen, die die Freitag Community aufweist und deren Beiträge mittlerweile nicht mehr entfernt werden, auch wenn sie ihren Account dort schließen, raunt Augstein: Das ist ja ein atmender Organismus, ein normaler Prozess.
Man könnte auch sagen: Es ist ein langsames und stetes Ausbluten, ein Exodus der schreibenden Netizens, die immer weniger werden – nicht nur beim Freitag, sondern auch darüber hinaus im ganzen Web 2.0. Der Rückgang der Wikipedia-Autoren ist bekannt. Und für die Facebook-Nutzer ist das gerade wieder bestätigt worden: 30 Prozent weniger eigene Inhalte 2016 im Vergleich zum Vorjahr; merklich zurückgegangen sind aber auch die Likes pro Post, die Kommentare und das Sharing fremder Beiträge.
Der Erhalt von Texten ehemaliger Nutzer will diese übergreifenden Trends im Netz kaschieren. Beim Relaunch der Website des Freitags im Jahr 2012 löschte man noch die inaktiv gewordenen Blogs, so auch meines. Wenn man das heute machen wollte – was bliebe dann noch übrig? Dann doch lieber ein publizistisches Potemkinsches Dorf.
Montag, 13. Februar 2017
Der konservative Reflex V
Eine interessante Entwicklung: Naomi Klein arbeitet bei The Intercept mit. Von ihren Büchern schien mir die Schock-Strategie, worin sie die Hintergründe und die Auswirkungen der neoliberalen Ideologie beschreibt, am aufschlußreichsten. Relativ neu dort auch: Der Podcast Intercepted mit Jeremy Scahill, der 2013 den Film Dirty Wars gemacht hatte. The Intercept, von Laura Poitras, Glenn Greenwald und Jeremy Scahill betrieben, ist ein Beispiel für den Widerstand gegen den Rechtsruck in den USA, den man allerdings von der europäischen USA-Kritik unterscheiden sollte.
Samstag, 11. Februar 2017
Der konservative Reflex IV
Hans Ulrich Gumbrecht faßt in einem Blogpost seine Eindrücke nach den ersten drei Wochen der Regierung Trump zusammen. Er beschreibt die für ihn täglich spürbaren Auswirkungen der sozialen Spaltung, die sich dahingehend auswirken, daß ihm seit der Wahl nur drei begegnet seien, die für die neue Regierung Position ergriffen hätten. Das ist das wahre Maß der Entfremdung, die man erst einmal aushalten können muß.
Gumbrecht sieht Trump auf einem energischen Weg ohne Richtung, unterwegs von irgendwo – nicht einmal eindeutig auf „die Rechte“ zuzuordnen – nach – man weiß es nicht, wohin. Er zeichnet ein bizarres Patchwork aus einem ziemlich plumpen Konservatismus und einem provozierenden Kurzschlußdenken, das jeden verwirren muß, der auch nur ein bißchen theoretisch vorgebildet ist. Es folgt eine Pathologisierung, der neue Präsident sei narzißtisch belastet und so weiter. Eine langfristige Konfrontation zwischen Exekutive und Judikative zeichne sich ab, für die es bisher kein Beispiel gebe. Eine blei-schwere Stimmung breite sich aus. Nur der Präsident twittert hysterisch-heiter weiter, als sei nichts gewesen. Er sitzt allein im Weißen Haus, seine Frau ist nicht mit eingezogen und lebt weiterhin in New York.
Bei alledem ist zu bedenken, daß Gumbrecht mit seinem Beitrag zwischen den Stühlen sitzt. Auf der einen Seite der kalifornische Elfenbeinturm, der ihn trägt, auf der anderen seine europäische Herkunft, zu der gewandt er berichtet.
Die Irritation der Europäer – oder vielleicht doch konkreter: der Deutschen über die Ereignisse der ersten drei Wochen der Amtsführung ist aber eine ganz andere als die der Amerikaner. Die Reaktion der amerikanischen Öffentlichkeit, die sich beispielsweise im Women's March on Washington zeigte, verweist auf eine andere Form von Betroffenheit, die sehr viel existentieller ist als unsere aus der großen Entfernung. Deshalb kommt das auch hierzulande in der Berichterstattung kaum vor.
Das deutsche Bürgertum hatte sich seit jeher als „Atlantiker“ mit den USA verbunden. Selbstverständlich waren die leitenden Redakteure der Zeitungen und der Rundfunkanstalten Mitglied in der Atlantik-Brücke oder in noch abwegigeren Zirkeln. Und diese Connections laufen nun leer, weil dortzulande das Führungspersonal gegen Militärs und Milliardäre ausgetauscht worden ist, die hier vorher keiner kennen mußte, weil das früher nichts genützt hätte. Wäre es anders gewesen, hätte man das selbstverständlich berücksichtigen können. Dumm gelaufen, also. Außerdem wurde für die falsche Partei und für die falsche Stiftung gespendet, und nicht zu knapp, das macht sich im nachhinein auch nicht so gut. Immerhin hat das aber eine andere Qualität als der Protest in Amerika, nämlich diejenige einer narzißtischen Kränkung: Man ist enttäuscht über den Weg des großen Bruders und gleichzeitig ärgert man sich sehr, daß man es nicht besser gewußt hatte, weil man einer realistischen Einschätzung selbst im Wege stand, und jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen, und einer der Herausgeber der „Zeit“, die ja schon immer auf der Seite des alten amerikanischen Establishments gestanden hatte, dachte schon öffentlich über das politische Attentat als Lösung nach.
So eine Grenzüberschreitung setzt voraus, daß der andere „keiner von uns“ ist. Sie vertieft die Gräben, statt sie zu schließen. Und sie zeigt, wie selektiv das Amerikabild ist, auf dem hierzulande meistens aufgebaut wird. Denn der Apparat, der nun in der amerikanischen Bundesverwaltung eingesetzt worden ist, 4000 Neubesetzungen immerhin, ist ja nicht über Nacht entstanden, er war die ganze Zeit schon vorhanden und steht jetzt zur Übernahme bereit. Das reaktionäre, xenophobe, antisemitische Amerika wird hier meist geflissentlich übergangen. Es existiert gleichwohl.
Ob der Deep State alledem etwas entgegenzusetzen hat, bleibt abzuwarten. Einer Anekdote zufolge soll der Einfluß der Führungsspitze letztlich begrenzt sein. Der ehemalige Bundesforschungsminister Rüttgers erzählte einmal Journalisten über sein erstes Treffen mit den Grundsatzreferenten: „Sie sind jetzt der vierte Minister, den ich in diesem Hause begrüßen darf.“
Donnerstag, 9. Februar 2017
Neu beim Project Gutenberg: Ocean Steamships
- F. E. Chadwick, U. S. N., J. D. J. Kelley, U. S. N., Ridgely Hunt, U. S. N., John H. Gould, William H. Rideing, A. E. Seaton: Ocean Steamships. A popular account of their construction, development, management and appliances. With ninety-six illustrations. New York, Charles Scribner's Sons, 1891.
Das Buch, bekannt aus dem Zauberberg von Thomas Mann, ist seit heute auf Project Gutenberg verfügbar. Dank an Chris Curnow, Brian Wilcox and the Online Distributed Proofreading Team.
Donnerstag, 2. Februar 2017
Ein Apfelbäumchen
Ist RSS am Sterben? Falls ja, beginnt es bei der deutschen Tochter von Transparency International. Nachdem ich gestern morgen den inaktiven Feed gerügt hatte, wurde dort am gleichen Tag – nicht der Feed repariert, sondern eine neue Nachricht eingestellt, nur im Feedreader zu lesen…, die da lautet: Liebe Abonnentinnen und Abonnenten des Transparency Deutschland RSS-Feed, leider haben wir im vergangenen Jahr die Pflege des RSS-Feeds vernachlässigt. Wir stehen nun vor der Entscheidung, ob wir die Aktualisierung in Angriff nehmen oder den Feed gänzlich schließen sollen. Für diese Entscheidung benötigen wir Ihr Feedback. Schicken Sie uns hierfür bitte eine E-Mail an … – So laßt und denn ein Apfelbäumchen pflanzen!
Mittwoch, 1. Februar 2017
His theories still generate controversy
Die Library of Congress hat heute Dokumente aus dem Sigmund-Freud-Archiv erstmals online gestellt. Es handelt sich um 20.000 Dokumente aus dem Bestand des Archivs, die bei der LOC verwahrt werden – persönliche Papiere der Familie Freud, Briefe und Postkarten, Kalender und Notizbücher, aber auch die Manuskripte von Freuds Schriften, außerdem über hundert Interviews von Kurt R. Eissler, die zum ersten Mal veröffentlicht werden, schreibt Margaret McAleer im Blog der Bibliothek, während man auf deren Website die lakonische Einordnung liest: His theories still generate controversy. Die Digitalisierung wurde von der britischen Polonsky Foundation getragen.
Das Orwellnet
Was man derzeit in den USA sieht, ist der Weg in einen autoritären Staat, der sogar noch den Militarismus, auf den Joseph Weizenbaum immer hingewiesen hatte, übertrifft. Und das geht jetzt sehr schnell. Die Nutzung von Tor soll noch weiter zugenommen haben, aber das sind letztlich nur Pflaster in einem Netzwerk, das ja aus der militärischen Nutzung entstanden war und in dem so etwas wie Privatheit und Grundrechte schon technisch nicht vorgesehen waren. Code is law, und dieser Code ist nicht geeignet, die Rechte der Benutzer zu wahren. Dagegen wird man nicht angehen können, indem man sich neue Regeln ausdenkt, denn die gibt es ja schon. Man muß beim technischen Code ansetzen, nicht beim rechtlichen Code. Und solange es kein Internet ohne Misere gibt, das technisch vollständig vom NSA- und Trump-Netz getrennt ist, wird es beim Orwellnet bleiben. Die Staaten werden die Freiheit ihrer Bürger im technischen Bereich nicht verteidigen, denn daran haben sie kein Interesse, auch in Europa nicht. Was die großen Konzerne angeht, ist es ebenso. Die Bürger werden sich ihr Netz selbst aufbauen müssen, um ihre Rechte zu wahren. Freiheits- und Gleichheitsrechte mußten immer erkämpft werden, sie wurden nicht kampflos vom Staat gewährt, sondern in langwierigen gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen und Kämpfen errungen. Ich wäre skeptisch, ob es in zehn Jahren noch ein einheitliches Internet geben wird oder ob nicht der Weg in eine Vielfalt an Netzwerken gerade noch beginnt. Es geht um die ganze Hardware und um die Software. Vielfalt statt Ökosysteme. Sollte das nicht gelingen, wäre die Utopie vom Cyberspace als gesellschaftlichem Raum verlorengegeben.
Sonntag, 29. Januar 2017
Der neue Gesandte
Der neue Gesandte hat sich heute abend zum ersten mal in Gesellschaft begeben. Man parlierte und versuchte good sport zu sein. Alle sehr in Bewegung, man gab sich spielerisch, obwohl schon spät. Und die ganze Zeit über standen mehrere Elefanten im Raum, um die herum alle sorgsam Slalom liefen, ganz egal, wie laut sie trööteten und wie eng sie sich stellten. Einmal taten sich sogar zwei Elefanten mit ihren Rüsseln zusammen und schwangen sie, einem ganz langen Sprungseil ähnlich. Aber auch das brachte die Gesellschaft nicht zum Ausweichen. In der Art der jungen Advokaten, die neu sind am Barreau, sprang der Neuling darüber hinweg, hoch die Schenkel hebend und unter Applaus. Dabei schwang er die kleine rote Fahne mit dem goldenen Sternenkranz, die er an einem langen schwarzen Stab mit sich führte, den ganzen langen Tag schon. Alles in allem waren es sogar mehr als fünf, ich glaube, es waren am Ende sogar sechs Elefanten, von denen keiner sprechen durfte eine ganze Stunde lang. Und niemand stellte die Frage, warum er so lange dort verweilte, auf der Stelle springend, immer mehr und mehr, bis dann schließlich alle gingen gingen gingen.
Netzlese 2017-01-29
Geert Lovink kommt demnächst nach Frankfurt, kommenden Samstag, den 4. Februar, hält er bei der Langen Nacht der Sozialforschung im Rahmen der Frankfurter Positionen einen Vortrag im MMK1 zum Thema Das Selbst im digitalen Netz, neben räusper Mercedes Bunz, Kai Dröge und Olivier Voirol, Tanja Gojny, Olga Goriunova, Rembert Hüser, Eva Illouz, Julika Rudelius, Christina Schachtner sowie Uwe Vormbusch. Beginn ist um 19 Uhr, Eintritt frei. Zuletzt hatte Geert Lovink bei La Repubblica ein Interview über Social Media zu Zeiten von Trump gegeben. Das Museum zeichnet seine Vorträge üblicherweise auf und stellt sie auf YouTube, hoffentlich auch diesmal.
An dem Abend wird von Solisten des Ensemble Modern auch For Philip Guston von Morton Feldman aufgeführt. Dauer: Fünf Stunden.
Die documenta14 findet dieses Jahr statt, ab April in Athen, ab Juni dann in Kassel, jeweils hundert Tage lang. Sie landet nicht wie ein Raumschiff in Athen, bevor sie nach Kassel weiterzieht. Sie ist vielmehr eine gewollte Verfremdung von einer Stadt zur anderen und in allem, was bei diesem Projekt zwischen beiden hin- und hertreibt, heißt es auf der Website zur Kunstvermittlung der Ausstellung. Athen und Kassel? Die Regierungsübernahme durch SYRIZA in Griechenland war im Januar 2015, ist also nun auch schon wieder zwei Jahre her. Und Varoufakis Superstar, dieses Drama begann am 27. Januar 2015. Das Referendum, wonach er als Finanzminister zurücktrat, fand am 5. Juli 2015 statt. Er bleibt in Kontakt mit seiner zweiten Heimat Australien und gibt bisweilen Interviews im dortigen Rundfunk, in denen er die europäischen Verhältnisse erklärt, zuletzt vergangene Woche den Populismus in Europa.
Antje Schrupp hat dazu aufgerufen, im September zur Bundestagswahl zu gehen und dort, bitte, eine Partei zu wählen, die auch Aussichten darauf hat, ins Parlament einzuziehen. Wer kleinere Parteien wählt, stärkt den politischen Gegner, die Rechtsextremisten stehen bekanntlich wieder vor dem Berliner Reichstag, ganz ähnlich wie vor 84 Jahren. Das Bundesverfassungsgericht hat die NPD gerade mit einer etwas sonderbaren Begründung nicht verboten, und auch die anderen dürfen weitermachen. Antje kritisiert derweil die Rückwärtsgewandtheit der LINKEN, die weiterhin mehrheitlich auf eine Arbeits- und Vollbeschäftigungsgesellschaft und auf ganz viel Staat setzten. Christoph gegen das Grundeinkommen Butterwegge als Bundespräsidentenkandidat passe in dieses Bild. Stimmt. Aber wenn ich nur die Wahl habe zwischen denjenigen, die über fünf Prozent kommen, ist die Auswahl am Ende nicht mehr so groß.
Politisch getrieben ist auch Eric Bonse, der Brüsseler Europakorrespondent der taz, der immer noch leidenschaftlich gegen Martin Schulz anschreibt, der Linksblinker und Rechtsabbieger, der gerade von der ehemaligen Schröder-Truppe auf den Schild seiner Partei gehoben worden ist. Man hat rochiert – Außenminister wird BuPrä, Wirtschaftsminister wird Außenminister, ehemalige Justizministerin wird Wirtschaftsministerin – und die Massenmedien gehorchen aufs Wort und machen sofort ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Angela Merkel daraus. Klar, es würde einem nicht einmal auffallen, wenn Schulz Mitglied bei der CDU wäre. Daß die Leute hierzulande meinen, es sei nicht bekannt, welche Positionen er vertrete, zeigt nur, wie wenig Aufmerksamkeit man den Vorgängen auf der europäischen Ebene beimißt. Gut, es stand nicht alles in den Zeitungen. Aber alles war jahrelang in den europapolitischen Blogs zu verfolgen. Unter anderem bei lostineurope.eu. Siehe aber dort auch die dortige Blogroll. Schulz ist bei weitem kein unbeschriebenes Blatt.
A propos Europa. Zum Beispiel die Schweiz. Da gab es zu Anfang des Jahres eine Sendung des Schweizer Radios SRF2 Kultur zur Urheberrechtsreform, die dort demnächst ansteht. Zur Erinnerung: Die Reformen, die es bei uns gab, gingen allesamt auf EU-Recht zurück. Und was sind die Themen, die nun aktuell(!) in der Schweiz diskutiert werden? An der Spitze steht die Pirateriebekämpfung, also Raubkopien, die über Tauschbörsen verteilt werden. Gefolgt von der Bibliothekstantieme, die es in der Schweiz noch nicht gibt. Und schließlich: Bildrechte. Ja, wirklich, die Sendung wurde am 6. Januar 2017 veröffentlicht. Aber auf einen Blick über die Grenzen hinweg wird man in dem Programm ebenso vergeblich warten wie auf den Begriff der Freien Lizenz oder der Freien Inhalte.
Deshalb zum Schluß ein Link zum WikiMOOC, den Wikimédia France ab März bei fun-mooc.fr durchführt. Alles, was man als neuer Autor über Wikipedia wissen sollte. Leider nur auf Französisch, aber vielleicht demnächst auch auf Deutsch, wer weiß? Ich bin dran.