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Samstag, 5. August 2023

Frankfurter Zeitung digital

Zu den interessanteren Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich brachte, gehört die Möglichkeit, alte Zeitungen und Zeitschriften zu lesen. Während die großen, noch erscheinenden Blätter ihre Archive immer mehr hinter Paywalls und bei den großen kommerziellen Presseportalen verstecken, um sie vermarkten zu können, bleiben die Digitalisate von gemeinfreien Quellen auf Bibliotheksportalen allgemein zugänglich.

So kann man die Zeitläufte in der Vossischen Zeitung für den Zeitraum 1911 bis zur Einstellung des Erscheinens im Jahr 1934 im Zeitungsinformationssystem ZEFYS der Staatsbibliothek zu Berlin nachlesen. Ebenda gibt es auch die DDR-Presse, die den Zeitraum von 1945 bis 1994 (sic!) abdeckt (nur mit Login zugänglich, das geht auch mit einem ORCID-Account).

Weniger bekannt ist dagegen, dass das DFG-Projekt zur Digitalisierung der Frankfurter Zeitung bei der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main vorangekommen ist. Die Förderung lief Ende 2022 aus. Der mittlerweile digitalisierte und online verfügbare Bestand umfasst nun den Zeitraum von 1874 bis 1943 und schließt damit eine sehr bedeutsame Lücke, nämlich die Zeitspanne, in der die Gleichschaltung der deutschen Presse stattfand. – Lesen! (via Maximilian Schönherr).

Freitag, 4. August 2023

Die Grenze zur Außenwelt II

Der Perlentaucher verweist heute auf zwei Quellen, die aus der allgemein-wohlwollenden Martin-Walser-Wahrnehmung in den Nachrufen der letzten Woche ausscheren. Zwei einsame Rufer in der Wüste, die sich dem Narrativ vom „Jahrhundertschriftsteller vom Bodensee“ nicht anschließen, und die auf den Skandal der Paulskirchen-Rede verweisen und den offenen Antisemitismus in seinen Texten. Benjamin Ortmeyer in der Jüdischen Allgemeinen und Klaus Bittermann in der Jungle World. Letzterer zeigt auch ein Foto mit den stehenden Ovationen nach der Friedenspreisrede. Wie schon einmal gesagt: Hab nichts mehr von ihm an Bord, und halte ihn auch weiterhin für verzichtbar.

Donnerstag, 3. August 2023

Emacs 29.1 II

So. AUCTeX und Markdown sind eingetroffen und konfiguriert. Die Oberfläche ebenfalls, wie gewohnt. Und Emacs erinnert sich auch an alles, was ich ihm beigebracht habe. Es ist erstaunlich, was man auch nach so vielen Jahren alles erfährt, was man bisher für selbstverständlich hielt. Jedenfalls hat es nur etwa eine Stunde gedauert, seitdem kann ich produktiv arbeiten. Nur mit dem Zeilenumbruch bin ich noch nicht ganz glücklich. Still digging!

Mittwoch, 2. August 2023

Emacs 29.1

Nachdem Jörg Kantel nebenan mit Visual Studio Code so ausgesprochen zufrieden ist, habe ich mir den Nachfolger des eigentlich unsäglichen Atom natürlich auch mal angesehen – und war überrascht. Schöne Integration in macOS und viele nützliche Erweiterungen, auch für Wikitext, was ich häufig brauche. Und Markdown, natürlich.

Aber der Release von GNU Emacs 29.1 hatte mich doch auch neugierig gemacht. Nachdem ich mit Emacs über 20 Jahren lang schon fast alles gemacht habe, was man mit einem Rechner so anstellen kann, war ich ihm natürlich auch damals nach dem Wechsel von Windows zu Linux zu Mac OS X treu geblieben. Erst mit dem Carbon Emacs, dann mit Aquamacs. Und als ich vor einem Jahr vom MacBook Pro auf ein MacBook Air umstieg, war mein System eigentlich erst komplett, nachdem ich MacTeX und Aquamacs aufgespielt und konfiguriert hatte. Letzterer war zwar im Sommer 2019 vorläufig gerettet worden, als David Reitter sein Projekt an Win Treese übergab. Seitdem ist es aber doch ziemlich ruhig geworden um die weitere Entwicklung. Aquamacs beruht immer noch auf GNU Emacs 25.3, der im Sommer 2017 freigegeben worden war. Er läuft mit Rosetta auch auf M1-Macs, aber man fragt sich mittlerweile doch, wie zukunftssicher das alles wohl noch sein wird?

Daher also einen Blick auf den neuen Emacs geworfen. Selbst kompilieren? Oder über Homebrew installieren? Am Ende siegte emacsformacosx.com mit dem Versprechen: Pure Emacs! No Extras! No Nonsense! Was auch stimmt. Was aber auch bedeutet, dass man hier nun wirklich sämtliche Pakete, die mir lieb und wichtig geworden sind, selbst nachrüsten muss. Und meine .emacs für den Aquamacs funktioniert natürlich mit dem Pure Emacs nicht so ohne weiteres.

Das Gerüst für meine Konfiguration stammt noch aus den 2000er Jahren, als ich mit dem NTEmacs begonnen hatte. Und wenn man schon die Tastaturbelegung hier als erstes angehen muss, noch bevor man zu weiterem übergehen kann, merkt man schnell, was in den Distributionen alles schon vorbereitet wurde. Der Aquamacs ist ein Rundum-Sorglos-Paket, in dem alles auf Anhieb funktioniert. Aber ich traue der Ruhe um mein wichtigstes Arbeitspferd nicht mehr. Und die anderen TeX-Editoren sind keine wirklichen Alternativen. Been there, seen that.

Deshalb werde ich nun erst einmal ausprobieren, ob mir ausreicht, was der Kollege Hendrik Sünkler in seiner Konfiguration vorschlägt. Ich habe zwar nicht vor, meine stundenweise Abrechnung in Org-mode zu loggen. Aber meine gewohnte LaTeX-Umgebung hätte ich schon gerne und die paar Programmier- und Auszeichnungssprachen, mit denen man es immer wieder zu tun hat, sollten auch so funktionieren wie gewohnt. Still digging!

Thunderbird 115.1, macOS 13.5

Update auf Thunderbird 115.1.0. Der Hänger beim Herunterfahren wurde behoben. Außerdem jede Menge kleinerer Korrekturen, die in den Release Notes gar nicht aufgeführt werden. Ich glaube, sie sind auf einem guten Weg. Wenn der Assistent zum Einrichten von neuen News-Konten noch funktionieren würde, wäre alles gut. Das Fenster erscheint nur zur Hälfte und ist nicht zu vergrößern. Der Rest wird einfach abgeschnitten. Bugreport ist erstellt.

Upgrade auf macOS Ventura, bevor Sonoma freigegeben wird. 11,9 GB Download. Ich kann mich noch daran erinnern, dass sowas mal halb so groß war. Das Setup dauerte eine halbe Stunde, und danach funktionierten Drucker und Scanner wie gehabt. So wenig Probleme gabs bei Apple noch nie, irgendwas war immer.

Der Fortschritt ist eine Schnecke.

Samstag, 29. Juli 2023

Die Grenze zur Außenwelt

Der größte Teil der Werke Martin Walsers spielt in einem Milieu, das man schon die „alte Bundesrepublik“ nannte, als sie noch gar nicht Vergangenheit war. Tatsächlich sind große Teile dieses Milieus nach wie vor lebendig – in der Welt der besseren Angestellten und im höheren öffentlichen Dienst, unter den erfolgreicheren Selbständigen, Schriftstellern und Freiberuflern. Ihr Verhältnis zur Geschichte und zur Politik ist nicht durchdacht oder gar formuliert. Die Grenze zur Außenwelt ist für sie keine Wand, die man in der Manier des romantischen Helden durchstoßen könnte, sondern eher ein elastisches Gebilde, das weich zurückfedert.

So Thomas Steinfeld heute in der Süddeutschen Zeitung über den gerade verstorbenen Martin Walser. Auch ein Todesfall. Ich habe kein Buch mehr von ihm behalten. Nach Tod eines Kritikers gab ich alle Texte von ihm in den Flohmarkt.

Donnerstag, 27. Juli 2023

No Man's Woman

Sie muss eine Menge mitgemacht haben. Sie hat es auch nicht für sich behalten, sondern öffentlich gemacht. Ihr englischer Wikipedia-Artikel liest sich eher wie eine Krankenakte. Und auch ich denke an ihren einzigen großen Hit, mit dem sie für immer bekannt wurde: Nothing compares 2 U. Eigentlich von Prince, aber mit einer ganz eindrücklichen Performance für immer mit ihr verbunden. Damals, im Jahr 1990, hatten Musikvideos noch eine gewisse Reichweite. Die besseren waren künstlerisch gemacht. Die Videokunst war ein Kind der gerade abgeschlossenen 1980er Jahre.

Das Lied lief während einer Taxifahrt am frühen Abend vom Krankenhaus nachhause. Wir hatten damals einen Todesfall in der Familie, und der Taxifahrerin ging es ebenso, erzählte sie uns. Es war eine traurige Fahrt, die sich lange anfühlte, endlos lange anfühlte. Ein langer, sehr trauriger, ein einziger gesungener Schrei, den man nicht vergisst. Eine Melodie, die nachklingt. Ein Gesicht. Ein Kopf.

John Creedon widmete Sinéad O’Connor gestern Abend auf RTÉ Radio 1 seine ganze Sendung und spielte dabei unter anderem ein Lied, das hierzulande weniger zu hören ist. Dazu gibt es ein Video, das einen leidensvollen Prozess der Individualisierung zeigt. Die (Wieder-)Geburt aus dem Geist der Verweigerung heraus, aus dem Protest heraus und mit Hilfe der Musik. Der eigenen Musik auf dem eigenen Instrument, das zu ihr passte. Sie war No Man's Woman.

Klar, sehr kommerziell produziert. Aber auch sehr gut gemacht.

Mittwoch, 19. Juli 2023

Thunderbird 115.0 „Supernova“ VI

Also gut, eine Woche mit dem neuen Thunderbird 115.0. Und nachdem ich mich so viel beklagt hatte, arbeite ich mittlerweile eigentlich ganz flüssig mit der neuen Oberfläche, deren Gestaltung noch vieles offen lässt. Man kann sie sich aber durch die neue Möglichkeit einer Änderung von Schriftgröße und Dichte wenigstens insoweit zurechtbiegen. Vor allem ist die Suche wesentlich schneller geworden, was wichtig ist, weil Thunderbird für mich vor allem auch ein Archiv ist. Bleibt der Hänger beim Herunterfahren. 17 Sekunden Spinnrad. Wohlgemerkt: Das Programm stürzt nicht ab, es reagiert nur nicht mehr. Aber: Das schafft sonst keiner auf einem M1-Mac.

The Sir Salman Rushdie interview

In the end, it's the books that matter, not the knives.

Ein Jahr nach dem Attentat bei einer öffentlichen Veranstaltung in New York hat Salman Rushdie sein erstes Interview gegeben. Er lebt seit der Veröffentlichung der Satanischen Verse im Jahr 1988 in ständiger Bedrohung und Lebensgefahr – ein Buch, das heute, in Zeiten des sensitivity reading, wahrscheinlich gar nicht mehr veröffentlicht würde, aus Respekt vor den Gefühlen, die dadurch verletzt werden könnten, auch darum geht es in dem Gespräch, wenn auch nur am Rande. Das ist gleichwohl bemerkenswert, denn der Stoff war bisher ganz überwiegend als ein Beispiel für die Meinungs- und die Kunstfreiheit besprochen worden. Ich glaube, mehr Rücksichtnahme wäre besser gewesen, auch hier. Abgesehen vom Verlust eines Auges bei dem Anschlag, gehe es ihm körperlich gut, aber er wisse noch nicht, ob er jemals wieder Veranstaltungen mit Publikum werde durchführen können.

Das Gespräch fand statt in der Hauptnachrichtensendung des BBC World Service Newshour am 12. Juli 2023. Nach 12 Jahren war es die letzte Sendung der Moderatorin Razia Iqbal. Die etwa 20 Minuten lange Unterhaltung wurde ausgekoppelt und am vergangenen Wochenende erneut gesendet. Sie kann ein Jahr lang auf BBC Sounds angehört werden.

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