Sie muss eine Menge mitgemacht haben. Sie hat es auch nicht für sich behalten, sondern öffentlich gemacht. Ihr englischer Wikipedia-Artikel liest sich eher wie eine Krankenakte. Und auch ich denke an ihren einzigen großen Hit, mit dem sie für immer bekannt wurde: Nothing compares 2 U. Eigentlich von Prince, aber mit einer ganz eindrücklichen Performance für immer mit ihr verbunden. Damals, im Jahr 1990, hatten Musikvideos noch eine gewisse Reichweite. Die besseren waren künstlerisch gemacht. Die Videokunst war ein Kind der gerade abgeschlossenen 1980er Jahre.
Das Lied lief während einer Taxifahrt am frühen Abend vom Krankenhaus nachhause. Wir hatten damals einen Todesfall in der Familie, und der Taxifahrerin ging es ebenso, erzählte sie uns. Es war eine traurige Fahrt, die sich lange anfühlte, endlos lange anfühlte. Ein langer, sehr trauriger, ein einziger gesungener Schrei, den man nicht vergisst. Eine Melodie, die nachklingt. Ein Gesicht. Ein Kopf.
John Creedon widmete Sinéad O’Connor gestern Abend auf RTÉ Radio 1 seine ganze Sendung und spielte dabei unter anderem ein Lied, das hierzulande weniger zu hören ist. Dazu gibt es ein Video, das einen leidensvollen Prozess der Individualisierung zeigt. Die (Wieder-)Geburt aus dem Geist der Verweigerung heraus, aus dem Protest heraus und mit Hilfe der Musik. Der eigenen Musik auf dem eigenen Instrument, das zu ihr passte. Sie war No Man's Woman.
Klar, sehr kommerziell produziert. Aber auch sehr gut gemacht.
Also gut, eine Woche mit dem neuen Thunderbird 115.0. Und nachdem ich mich so viel beklagt hatte, arbeite ich mittlerweile eigentlich ganz flüssig mit der neuen Oberfläche, deren Gestaltung noch vieles offen lässt. Man kann sie sich aber durch die neue Möglichkeit einer Änderung von Schriftgröße und Dichte wenigstens insoweit zurechtbiegen. Vor allem ist die Suche wesentlich schneller geworden, was wichtig ist, weil Thunderbird für mich vor allem auch ein Archiv ist. Bleibt der Hänger beim Herunterfahren. 17 Sekunden Spinnrad. Wohlgemerkt: Das Programm stürzt nicht ab, es reagiert nur nicht mehr. Aber: Das schafft sonst keiner auf einem M1-Mac.
In the end, it's the books that matter, not the knives.
Ein Jahr nach dem Attentat bei einer öffentlichen Veranstaltung in New York hat Salman Rushdie sein erstes Interview gegeben. Er lebt seit der Veröffentlichung der Satanischen Verse im Jahr 1988 in ständiger Bedrohung und Lebensgefahr – ein Buch, das heute, in Zeiten des sensitivity reading, wahrscheinlich gar nicht mehr veröffentlicht würde, aus Respekt vor den Gefühlen, die dadurch verletzt werden könnten, auch darum geht es in dem Gespräch, wenn auch nur am Rande. Das ist gleichwohl bemerkenswert, denn der Stoff war bisher ganz überwiegend als ein Beispiel für die Meinungs- und die Kunstfreiheit besprochen worden. Ich glaube, mehr Rücksichtnahme wäre besser gewesen, auch hier. Abgesehen vom Verlust eines Auges bei dem Anschlag, gehe es ihm körperlich gut, aber er wisse noch nicht, ob er jemals wieder Veranstaltungen mit Publikum werde durchführen können.
Das Gespräch fand statt in der Hauptnachrichtensendung des BBC World Service Newshour am 12. Juli 2023. Nach 12 Jahren war es die letzte Sendung der Moderatorin Razia Iqbal. Die etwa 20 Minuten lange Unterhaltung wurde ausgekoppelt und am vergangenen Wochenende erneut gesendet. Sie kann ein Jahr lang auf BBC Sounds angehört werden.
Alle sind müde. Von der Hitze. Von der plötzlichen Temperaturschwankung. Nach unten. Nach oben. Müde vom Wetter. Müde aber auch von der nicht ablassenden Veränderung.
Was damals begonnen hatte, setzt sich fort. Immer mehr Läden haben geschlossen. Das Einkaufszentrum hat einen Leerstand, den man sich früher[tm] nie hätte vorstellen können. Alles schrumpft immer noch weiter. Unsere Speisen, gerne auch zum Mitnehmen. Prozent. Vorteilskarte. Besuchen Sie uns im Internet.
Die Geschäfte verschwinden so schnell und leise, man fragt sich, waren sie noch da, als ich das letzte Mal hier vorbei kam, oder war das schon vor einem oder vor zwei Jahren? Dauerhaft geschlossen. Zettel an der Schaufensterscheibe, und man mag sich gar nicht vorstellen, dass es noch einmal eine nächste Dekoration geben könnte.
Die Dekonstruktion ist auf lange Zeit hin angelegt. Die gesellschaftliche Umstrukturierung zeigt sich vor allem in den Wanderungsbewegungen zwischen den großen sozialen Agenturen, den knappen Mehrheiten bei politischen Wahlen, dem schnellen Umentscheiden zwischen grundlegend verschiedenen Optionen, dem Mitgliederverlust bei den Kirchen und den Gewerkschaften, der immer weitergehenden Individualisierung bei den Lebensentwürfen und in den Arbeitsbedingungen. Und bei aller Veränderung: Gleichzeitig eine große Enge von allen Seiten. Anstrengung und Zwanghaftigkeit prägt die Bewegung, die Veränderung, es fehlt an Leichtigkeit und Geschmeidigkeit. Und an Licht. Der Trend zum Dark Mode ist dafür ein Zeichen. Es gibt ihn schon länger, aber er ist immer noch nicht überall angekommen. Im Firefox muss man ihn noch durch ein Add-On nachrüsten, damit nicht nur das Programm selbst, sondern auch der Inhalt der Websites dunkel wird. Verdunkelung. Verdunkelungsgefahr. Alles so dunkel hier. Wie schön.
Die Welt ist mir zuviel titelte das Zeit Magazin zwischen den Jahren 2014/2015 einen Beitrag über das neue Biedermeier. Der darke Vorhang bleibt geschlossen. Wir gehen gut einkaufen, alles bio, und wir kochen uns was Hippes, sagt das Zeit Magazin. Henkerlächeln beim Winken aus dem elektrisch getriebenen und wohltemperierten Sportwagen. Fährt in seine eigene Welt. Und ab.
Horváth lesen.
Umstrukturierung auch bei den Plattformen. To mail or not to mail.
Ende 2022 dachte man darüber nach, die traditionsreiche Mailingliste Nettime-l auf eine eigene Mastodon-Instanz umzuziehen. Und dann kam Google Mail und kappte die Liste faktisch, so dass eine weitere Kommunikation nicht mehr möglich war. Umzug auf eine temporäre Mailman-Instanz. Und neue Betreiber und Moderatoren aus Wissenschaft und Netzkultur fanden sich zusammen. Es wird also weitergehen. Wir atmen auf: Nettime-l ist eines der hochwertigsten Foren zur Netzkultur und zur Medienwissenschaft.
Im Frühjahr schloss Michael Schaarwächter nach 29 Jahren und nach ziemlich kurzfristiger Ansage die InetBib-Liste (zuletzt etwa 8000 Abonnenten). Als Nachfolger gründeten Thomas Krichel und Jürgen Plieninger die Mailingliste Bibnez mit derzeit 1500 Abonnenten. Das deutet auf eine hohe Bereitschaft hin, sich bei disruptiven Verläufen neu zu orientieren. Und ab.
Im Sommer 2023 wurde angekündigt, dass das Schweizer Pendant Swiss-Lib ganz von der Mailinglisten-Basis auf eine Web-Plattform mit angedrechseltem E-Mail-Verteiler wechseln werde. Ab September soll es soweit sein – via Digithek.
Also gut. Ein neuer Anlauf. Hat keinen Zweck, sich dem Umstieg zu verweigern, denn Ende August soll die letzte Version der 102-er-Reihe erscheinen.
Mit einem frischen Profil bestätigt sich, dass hier noch vieles schiefläuft.
Dann zurück zum alten Profil, denn die Konfiguration ist so umfangreich, dass es viel zu aufwändig wäre, sie from scratch ganz neu wieder aufzuziehen. Jedenfalls ist die alte Hauptsymbolleiste bei der neuen Version nicht mehr einsetzbar, weil sie an einer Stelle platziert wurde, wo sonst nur Tabs zu finden sind. Also räume ich sie leer, so wird sie schmaler. Im Gegensatz zum frischen Profil erscheint die Suchleiste dort allerdings nicht mehr und ist auch nicht auf anderem Wege (Anpassen, about:config) wieder her zu zaubern.
Der ganze Schnickschnack, den sie neu eingeführt haben, nimmt auf der Bedienoberfläche so viel Platz in Anspruch, dass man ihn ausblenden muss. Das Dreispaltenlayout erweist sich dann tatsächlich als die beste Lösung auch auf dem 13-Zoll-MacBook Air – wenn man den Tagesplan aus Platzgründen weglässt und jedenfalls für E-Mails und für den Feedreader. Die Darstellung kenne ich noch von Apple Mail früher. Für Newsgroups, bei denen es aufs Threading ankommt, muss man auf die alte Darstellung umschalten, hier fehlt allerdings die grafische Anzeige des Threads, es wird nur noch eingerückt, keine grafische Unterstützung beim Lesen der komplexen Diskussionen.
Antworten, Weiterleiten und Löschen von Nachrichten nur noch über diese kleinen Buttons im Header der Nachricht. Nach mehreren Tagen entdecke ich auch das Umwandeln von E-Mails in Termine und Aufgaben (und vice versa) wieder: Es ist aus dem Kontextmenü der Nachricht und aus dem Nachrichten-Hauptmenü in den Button „Mehr“ im Nachrichtenfenster verschoben worden.
Überhaupt ist durch die unpraktischen Hamburger-Menüs viel Klicken angesagt, ganz viel Klicken, Untermenüs klappen sich nicht mehr auf, sondern führen in Irrgärten und in weitere Irrgärten, alles im selben Fenster, was auf dem Desktop gar nicht nötig wäre – ich bin froh, dass unter macOS zumindest das Hauptmenü erhalten blieb. Noch. Inkonsistent weiterhin: Die Farbgebung bei der Auswahl von Desktop-Elementen und die Darstellung von Kontextmenüs im Programm im Vergleich zum System. Und freilich sind die Ordner nicht out of the box sortierbar; das Add-on Manually sort folders wurde noch nicht angepasst. Wir warten.
Bin gespannt, wie lange es dauert, bis der Hänger beim Schließen („reagiert nicht“) angegangen wird.
Thunderbird-Benutzer sind leidensfähig, oder sie sind keine.
Thunderbird 115.0 wurde vergangene Nacht freigegeben. Aber was man nun beim Test sieht, ist eigentlich noch nicht einmal eine Beta-Version von Thunderbird.
Die Menüleiste blieb unverändert, aber man hat die Symbolleiste ohne Rücksicht auf Verluste in die Titelleiste des Fensters gepackt, was zu dem bulligen Auftritt führt, der die drei Ampellichter oben links so ungewohnt im Nichts schweben lässt. Die Suchleiste, die in den Screenshots des Projekts gezeigt wird, erscheint beim Umstieg von einem alten Nutzerprofil gar nicht. Das meinen die UX-Entwickler wohl ernst, es verstößt aber gegen alle Richtlinien auf dem Mac. Darunter links der Anfang der Ordnerliste, die mit etwas beginnt, was an dieser Stelle völlig fehlplatziert ist und unnötig Platz wegnimmt, nämlich ein „Neue-Nachricht“-Button, den wir ja schon in der Symbolleiste darüber seit eh und je mit dem Knopf „Verfassen“ haben. Er bezieht sich auf das jeweils in der Ordnerliste markierte Konto. Das Wölkchen links daneben sorgt fürs Abrufen von Nachrichten, und zwar von allen Konten, ob markiert oder nicht, spielt dafür wiederum keine Rolle. Die drei Punkte rechts daneben sind völlig sinnfrei. Markierungen und farbliche Hervorhebungen kommen in mindestens drei verschiedenen Blautönen daher, die sich nicht nach den Systemfarben richten. Das gleiche gilt für die Menüs, die vom Betriebssystem kommen und überhaupt nicht zu den Menüs der Anwendung passen.
Thunderbird wirkt deshalb nicht nur wie ein Fremdkörper auf dem Mac, sondern es fehlen auch noch ganz viele Features, die entweder nicht fertig wurden oder die es nicht mehr gibt. Zum Beispiel kann man E-Mails, Termine und Aufgaben nicht mehr ineinander umwandeln, der Eintrag im Kontextmenü fehlt einfach. Wie anderes mehr.
Sie haben den „Supernova“-Release veröffentlicht, obwohl es dagegen auch erhebliche und ernsthafte Kritik im Projekt gab, mit Hinweisen auf ziemlich schwere Bugs im Core-Bereich. Und beim Herunterfahren sehe ich zum ersten Mal auf meinem M1-Mac das Spinnrad drehen, das hatte noch kein Entwickler sonst geschafft.
Einzig positiv ist der Ressourcenverbrauch, der hält sich etwa in den Grenzen der Vorgängerversion.
Wer es selbst ausprobieren möchte: Bitte vorher das Benutzerprofil sichern, denn eine Rückkehr mit dem Profil, das einmal mit Version 115 verwendet worden war, dürfte nicht mehr möglich sein. Was man so liest.
Übergänge von einem ins andere Leben. Von einer Phase zur nächsten. Zum letzten Mal die Tür zumachen und abschließen. Der letzte Blick zurück. Und gleich danach: Der erste Blick nach vorn. Der erste Schritt in die neue Richtung. Der erste Blick auf ein Buch, das ich noch nicht gelesen habe. Aufräumen. Altes von Gegenwärtigem trennen. Sich davon trennen.
Eine der wichtigsten (Selbst-) Beobachtungen der letzten Zeit betrifft mein Nicht-Bloggen. Früher bloggte ich mindestens jede Woche. Noch früher mehrmals die Woche. Davor häufig mehrmals am Tag. Aber das hatte sich ja vor ein paar Jahren geändert. Und jetzt merke ich, dass die Hürde, wieder mit dem Bloggen anzufangen, umso höher liegt, je länger der letzte Blogpost zurückliegt und auch je geringer die Frequenz des Bloggens insgesamt ist. Indem die Erfahrung des Schreibens und des Veröffentlichens von Blogposts seltener wird, verliert sich die Routine, verliert sich auch die Dringlichkeit, sich in dieser Weise auszudrücken und in dieser Öffentlichkeit mitzuteilen. So entstand ein Abstand, dem ich gerade nachfühle.
George Winston ist gestorben. Seine Musik gehörte zum Soundtrack unserer Zeit im Sonneneck in Badenweiler im Herbst 2010. Wie vieles, was wir sangen und spielten, klingt auch sie noch immer in mir nach. Die traurigen Töne, die uns aber auch so viel Hoffnung gaben und zu denen ich immer wieder zurückgekehrt war, wenn es nötig wurde. Wenn es wieder nötig ist.