Der Wanderer 118
Nach längerer Zeit brauchte ich mal wieder Deepl für eine Übersetzung. Ich wollte eine Rezension weitergeben, nichts Größeres, drei gesetzte Seiten aus einer französischen Zeitschrift. Politikwissenschaft. Elf Absätze. Deepl verlangte diesmal, dass ich mich registrieren möge. Was ich freilich nicht tat. Also rüber zu Google Translate: Desselbigengleichen. Die Phase der Monetarisierung hat begonnen. Es folgen neue Ausweichbewegungen.
Am Ende blieb die Übersetzungsfunktion in Firefox. Die freilich auch
noch nicht so leicht konfigurierbar ist, wie ich es gerne hätte. Eine
Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche setzt voraus, dass man
nicht mit einer französischen Lokalisierung surft. Musste ich also
temporär herausnehmen. Dann übersetzen. Und Französisch wieder rein.
Wieder so eine Ausweichbewegung.
Was die Qualität der Übersetzung angeht, so decken wir darüber am besten den Mantel des Schweigens.
Der Wanderer LXII
Es ist ein bisschen still geworden um mein Blog. Vielleicht ist es zu still mittlerweile, denn das Blog war immer meine Stimme im Netz. Manch eine/r hat sich in letzter Zeit eher aus der öffentlichen Öffentlichkeit zurückgezogen und ist in das digitale Biedermeier entschwunden. Dafür gibt es sicherlich gute Gründe. Aber gibt es nicht auch ebenso gute für das Gegenteil?
Die Zeit des freien Webs ist noch nicht ganz vorbei. Es gibt sie noch, die alten Schnittstellen. Aber die Ver-Appung greift um sich, und es gibt nicht nur die großen Ökosysteme (im technischen Sinne, als Geschäftsmodell der Content-Industrie), sondern auch die kleinen, ganz praktischen. Manchmal hängen sie zusammen, manchmal auch nicht. Die alten Formate werkeln jedenfalls immer noch unter der Oberfläche, aber die Oberfläche verbirgt sie zunehmend vor den Benutzern, als gäbe es beispielsweise und insbesondere RSS nicht mehr. Aber was denn sonst? Wenn man nachfragt, wo denn der RSS-Feed geblieben sei, erhält man beispielsweise solche Antworten:
vielen Dank für Ihr Interesse an der ARD Audiothek. Zurzeit können wir Ihnen leider keinen RSS Feed für Sendungen bereitstellen, da bei der Bereitstellung des RSS Feeds uns ein Fehler unterlaufen ist. Wir sind bereits schon dabei dieses Problem zu beheben. Jedoch wird diese Fehlerbehebung noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Wir bitten daher um Entschuldigung und um etwas Geduld. Vielen Dank für Ihr Verständnis und wir wünschen Ihnen trotz dieser Einschränkung weiterhin viel Freude bei den Inhalten der ARD Audiothek.
Wir können auch nicht durchkoppeln. Aber das wäre ein weiteres Thema.
Überhaupt: Standards. Bei der E-Mail fing es an. Vor fünf Jahren gab es die info-Adresse beim CERN schon nicht mehr, als ich sie auf einen Fehler auf ihrer Website hinweisen wollte. Kam als nicht zustellbar zurück. Mail und Webmaster: dito. Wohlgemerkt: Beim CERN. Und mittlerweile fehlen immer öfter die rss+xml-Alternate-Links im Header. Ich fühle mich so alt. Ist es schon soweit?
Natürlich nicht nur hierzulande. Hörfunk-Livestreams sind auch so ein Thema. Die BBC hat gerade umgestellt. Könnten Sie mir bitte Ihre neuen Livestream-URLs mitteilen, damit ich weiter zuhören kann?
We do not provide the URLs to our streams.
Ja, dann: Auf zu GitHub! Übrigens nicht nur meine Sorge: Es gibt durchaus große Frustration in Großbritannien über diese Haltung der BBC, bitte die sendereigene App BBC Sounds, einen Smart Speaker(!) oder ein Webradio zu benutzen, das an einer proprietären Datenbank hängt. Soll man nicht tun.
I hope this has been helpful, and once again thank you for contacting us.
Zu den alten, bewährten Kanälen gehören auch Mailinglisten. Und Mozilla tritt doch für ein freies Internet ein – oder etwa nicht? Mozilla hat gerade alle seine Mailinglisten zu Google transferiert. Das heißt es gibt kein selbstgehostetes Archiv mehr, und auch die gesamte Infrastruktur wurde stillgelegt. Die Daten der Benutzer, die sich an den Listen beteiligt hatten, liegen jetzt bei Google in Form einer Google Group vor. Das Thunderbird-Projekt wurde mit einem Vorlauf von zwei Wochen davon in Kenntnis gesetzt, was für sich genommen schon mal recht sportlich war, und musste sich schnell entscheiden, wie es weitergehen sollte. Man erwog, die eigenen Listen zu Topicbox umzuziehen, sah davon aber wegen des Datenschutzes ab: Dazu fehlte nämlich die Einwilligung der Benutzer (was, wie gesagt, Mozilla überhaupt nicht interessiert hatte).
Wir stehen für ein Internet, das alle Menschen auf der Welt einbezieht…
Wer weiterhin an den Thunderbird-Listen teilnehmen möchte, muss diese nun auf Topicbox abonnieren. Was ich nicht möchte und nicht tun werde. Ein eigener Mailman kam für Thunderbird nicht infrage, denn:
Mailman and things like it are dinosaurs.
Was die E-Mail angeht, so gibt es auch Neues zur Überwachung beim Bezug von Newslettern anzumerken. Sowohl The Conversation als auch France Culture fragten nach einigen Wochen Empfang ihrer täglichen Mails nach, ob ich sie noch erhalten wolle, ich hätte schon so lange nicht mehr hineingesehen. Tatsächlich lese ich die Beiträge, klicke aber nicht auf die Links und habe auch das Nachladen von Grafikdateien abgeschaltet. Immerhin weiß man dadurch nun, dass das ausreicht, um ein Tracking zu verhindern.
Weitere Neuerungen: WordPress.com blendet nun einen Sponsored Post in englischer Sprache mit Werbung für Online-Bloggerkurse an zweiter Stelle in meinen Feed ein. Die Werbung bei WordPress.com wird also immer penetranter. Außerdem wird ist es schon wieder hakeliger geworden, noch mit dem klassischen Editor zu arbeiten. Man muss nun über ~/wp-admin/edit.php gehen, um noch ins alte Backend zu gelangen. WordPress.com kann mittlerweile wirklich nicht mehr empfohlen werden. Und den Wanderer führe ich jedenfalls hier weiter und nicht mehr nebenan.
Zum Schluss etwas Erfreuliches: Gestern, am Gründonnerstag, wurde TeX Live 2021 veröffentlicht. Das ist kein Aprilscherz. Alles weitere hier, wie gehabt, auch was die Release Notes angeht.
MacTeX kann man diesmal ab macOS 10.14 installieren. Ausgeliefert werden Universal Binaries für Intel64 und ARM. Für ältere Apple-Systeme muss man den Unix-Installer verwenden. Da ich weiterhin auf 10.13 bin, wird mir diesmal nichts anderes übrigbleiben als eben dies. Da ich das noch nie gemacht habe, sondern immer MacTeX installiert hatte, kann ich leider derzeit noch keine ersten Erfahrungen weitergeben. Muss mir das erstmal anschauen, wenn ich die Zeit dazu finde…
Danke an alle, die an der neuen Version ehrenamtlich mitgearbeitet und diese damit möglich gemacht haben!
Die TUG-Tagung 2021 wird übrigens vom 5. bis 8. August in Zusammenarbeit mit der Universität Adelaide als reiner Online-Event ausgerichtet. Die Teilnahme ist kostenlos nach Registrierung möglich. Spenden sind willkommen.
Vielleicht vertiefe ich den TeX-Teil noch einmal in einem weiteren Beitrag, wir werden sehen…
Firefox bald ohne OpenSearch
Der folgende Kommentar wurde im Blog von Sören Hentzschel leider nicht freigeschaltet. Ich veröffentliche ihn deshalb hier, zur besseren Verständlichkeit um eine Einführung ergänzt.
Mozilla hat angekündigt, die Unterstützung für OpenSearch zu entfernen. Ab Anfang Dezember 2019 werden Suchmaschinen aus addons.mozilla.org entfernt. Suchmaschinen können über diese Plattform dann nur noch als WebExtensions verteilt und auf dem neuesten Stand gehalten werden. OpenSearch-Suchmaschinen werden auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin funktionieren, und der Zeitpunkt, zu dem der Standard endgültig fallengelassen wird, steht noch nicht fest. Er wird aber aufgegeben.
Ich glaube, wir sehen hier ein Problem, das wir schon einmal diskutiert hatten, als der RSS-Reader aus Firefox entfernt wurde.
Überspitzt kann man sagen: Mozilla sind die Bedürfnisse der Benutzer, insbesondere der kompetenten Benutzer, also der Power-User, und die offenen Webstandards mittlerweile reichlich egal geworden, Hauptsache, der Browser kann Netflix. :(
Man darf sich nichts vormachen: Wenn Firefox OpenSearch nicht mehr unterstützt, wird das kein Anlass für die Betreiber von Websites sein, stattdessen eine WebExtension bereitzustellen, denn Firefox hat nicht mehr die große Bedeutung, die er früher einmal hatte, jedenfalls für den deutschen Markt.
Firefox ist derzeit noch ein Tool, das für Information Professionals eine große Bedeutung hat – weil man damit gut Information Retrieval machen kann. Das ist eine Benutzergruppe, die Mozilla schon gar nicht mehr auf dem Schirm hat. Den ganzen Bildungsbereich.
Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass es in Zukunft für jeden Bibliothekskatalog und für jede Datenbank, die das bisher angeboten hatten, eine eigene WebExtension geben wird. Der Aufwand ist viel zu groß, sowohl für die Anbieter als auch für die Benutzer, die eben nicht mehr mit einem Klick in die Suchleiste nebenbei eine Suchmaschine ergänzen können, sondern extra ein Add-on installieren müssen mit – aus der Sicht eines wenig geübten Benutzers – fünf Warnmeldungen, die erst einmal gelesen und abgenickt werden müssten.
Wir sehen es bei der Druckansicht; die meisten Websites werden schon lange für Firefox gar nicht mehr getestet. Die Druckvorschau im Browser war ein Workaround, der mehr schlecht als recht funktioniert. Alles ist mittlerweile auf Webkit ausgerichtet. Es ist nicht ganz so schlimm wie bei Opera, aber es geht mit großen Schritten in diese Richtung. Mozilla platziert sich im Abseits.
Alle Macht dem Zertifikat
Die überaus nervösen Reaktionen auf den Zertifikats-GAU bei Firefox (binnen eines Tages 1000 Beiträge im Heise-Forum, 420 bei Hacker News) zeigen, wie anfällig ein Sicherheitskonzept ist, das auf Add-Ons beruht – und wie viel Kontrolle Mozilla über seine Produkte tatsächlich ausübt. Und wie abhängig die Freie Software von ihrem einzigen verbliebenen Browser-Projekt ist.
Die bei Heise empfohlene Lösung in about:config funktionierte nicht: Am Ende des Tages stellte sich heraus, dass man die Zertifikatsprüfung im normalen Firefox nicht händisch abschalten konnte, nur in der Nightly-Version (manchen Berichten zufolge auch in der ESR-Version) soll es funktioniert haben; und dass nicht der User, sondern der Hersteller das letzte Wort hat. Angeblich um zu verhindern, dass Erweiterungen von Installern ungefragt und unkontrollierbar in den Firefox-Profilordner geschrieben werden.
Wütend und enttäuscht reagierten vor allem Linux-Anwender, die sich am ganz langen Hebel wähnten. In de.comm.software.mozilla.browser war einiges zu lesen. Zumal die Erweiterungen nicht erst nach einem Neustart ausfielen, sondern im laufenden Betrieb ohne Vorwarnung direkt abgeschaltet wurden. Ein Fenster ging auf, und weg waren sie. Und der Hotfix wurde dann nicht als Update, sondern per „Studien“ verteilt, was nur funktionierte, nachdem man diese wieder eingeschaltet und die Übertragung von Telemetrie-Daten aktiviert hatte. Dieses Pflaster gabs aber nur für den regulären Firefox, nicht für ESR und auch nicht für die mobile Version.
Manch einer wird nach mehr als zehn Jahren mal wieder für Stunden ein Internet ohne Werbeblocker erlebt haben. Und mit den mühsam selbst gestopften Sicherheitslücken. Der Zwischenruf eines Users in der Mozilla-Browser-Newsgroup
Das ist mein Rechner und auf dem entscheide ausschließlich ich, was da läuft und sonst niemand!
wird noch länger nachhallen.