Ziemlich unbemerkt bereiten die Bundes- und die Länderregierungen in Deutschland offenbar ein Verbot von AdBlockern vor. So scheint es zumindest, wenn man den Bericht der „Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz“ liest, der vorgestern veröffentlicht wurde. Deren „AG Kartellrecht/Vielfaltsicherung“ kam auf Seite 21f. zu dem Ergebnis:
„Die AG sieht das Geschäftsmodell von Ad-Blockern als rechtlich und mit Blick auf die Refinanzierung journalistisch-redaktioneller Angebote auch medienpolitisch als problematisch an. Sie hält daher die Prüfung gesetzlicher Regelungen für erforderlich. … Bei der Thematik Ad-Blocker ist eine zeitnahe Prüfung durch den Bund und die Länder erforderlich, ob im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen und damit verbundenen medienpolitischen Risiken ggf. eine gesetzliche Flankierung geboten ist.“
Auffällig ist, daß sich die Kommission nur mit den Interessen der Werbewirtschaft und der Verlage sowie des Rundfunks beschäftigt hat. Es ist nicht ersichtlich, ob auch Datenschützer beteiligt worden sind.
Bei der letzten re:publica hatten Frank Rieger und Thorsten Schröder zudem darauf hingewiesen, daß von Online-Werbung ein erhebliches Sicherheitsrisiko ausgehe. Die Inhalte würden nicht von den Werbetreibenden geprüft und könnten Malware enthalten. Sie empfahlen deshalb die Verwendung von AdBlockern zusätzlich zu sonstigen Vorkehrungen, um das eigene System bei der Nutzung des Internets zu schützen.
Das Hans-Bredow-Institut kam gerade zu dem Ergebnis, daß derzeit ein Viertel der Internetnutzer in Deutschland AdBlocker verwende. Unter den jüngeren Nutzern sei es etwa die Hälfte. Mehr als die Hälfte empfinde Online-Werbung außerdem als „lästig“.
Nachdem die Diskussion um den Anteil, den die Verlage an wissenschaftlichen Publikationen haben, wieder einmal ins Rollen gekommen ist, auch meine 2ct dazu:
Der Anteil, den die Verlage an meinen Veröffentlichungen hatten, war genau null. Insoweit decken sich mein Erfahrungen mit dem, was auch aus anderen Fächern als Jura schon hinreichend beschrieben worden ist. Es gab und gibt nur einen Grund, bei einem Fachverlag zu veröffentlichen: Die Sichtbarkeit der Arbeit im Bibliothekskatalog und die Beachtung durch das Schrifttum und durch die Rechtsprechung. Bundessozialgericht und Bundesverfassungsgericht hätten meine Diss nicht zitiert, wenn sie bei Books on Demand erschienen wäre. Natürlich wäre es dieselbe Arbeit gewesen. Derselbe Text. Aber so sind sie halt, die großen Leute, um es mit Saint-Exupéry zu sagen.
Das einzige, was sich in der Rechtswissenschaft seitdem verändert hat, ist, daß Urteile mittlerweile zunehmend aus proprietären Datenbanken heraus zitiert werden, statt aus Zeitschriften oder amtlichen Entscheidungssammlungen. Um das zu ermöglichen, wurden sie mit amtlichen Randnummern versehen. Und solange die Rechtswissenschaft so funktioniert, kann man eigentlich niemand dazu raten, in dem Fach auf Open Access zu setzen.
Der Wandel wird nicht durch die Autoren kommen, er müßte notwendigerweise von der anderen Seite ausgehen, um den Autoren ein Signal zu setzen. Und warum sollte das so sein? Gerichte und Schrifttum haben dazu keinen Anlaß. Ein Verdienst der Verlage ist das gewiß nicht. Und erst recht kein Grund, ihnen einen Obulus aus den Einnahmen der VG Wort zuzuschachern, wie es die Bundesregierung nun wieder tun will.
Die Diskussion krankt daran, daß sie alle Verlage über einen Kamm schert. Belletristik und Sachbücher, die aufwendig zu lektorieren sind, sind eben ein anderes Geschäft als Wissenschaft, wo überhaupt nichts lektoriert wird. Hier werden wissenschaftliche Texte 1:1 übernommen, der Verlag hat daran überhaupt keinen Anteil. Er sorgt – siehe oben – ausschließlich für die Beachtung des Textes in der Öffentlichkeit des jeweiligen Fachs.
Also gut, die Böhmermann-Affäre. Ein unsäglich dummer und brüllender Text hat zu einer Staatsaffäre geführt, und man kommt sich vor wie in einer Komödie von Carl Sternheim, der die Spießer im Kaiserreich so treffend und so zeitlos dargestellt hat, daß man sie immer wieder erkennen wird.
Un-auf-ge-for-dert.
Dazu paßt auch, daß der Text und der Vortrag, um den es geht, nicht ausgestellt werden, damit ihn alle kennenlernen, sondern daß er erst im Netz „gefunden“ werden muß, er ist wohl in vorauseilendem Gehorsam auf einen Index gesetzt worden, und alle, die ihn nun kennenlernen wollen, um zu verstehen, was da eigentlich passiert, müssen danach googlen, als ginge es um peinliche Ware, die nur unter dem Tisch verkauft würde, ein Geheimtip?
Dum da da dum da.
Der Streisand-Effekt führt dazu, daß auf solche Sticheleien kein westlicher Politiker je mehr reagieren würde. Man steht darüber. Die Majestätsbeleidigung passe nicht mehr ins Strafgesetzbuch, hat der SPD-Bundesjustizminister heute gesagt. Das stimmt nicht ganz, denn es gibt ja immer noch die Verunglimpfung des Bundespräsidenten, und die soll wohl als Straftatbestand erhalten bleiben?
Laß die Albernheiten.
Viele Inkonsistenzen, also, auch Unzeitgemäßes, kommt in der Sache zusammen. Es paßt nicht in die Zeit, in das Land, in dem es spielt, es ist eine Art Verfremdung, und plötzlich rückt die globalisierte Welt noch einmal mehr zusammen, werden wir konfrontiert mit türkischen Zuständen und reagieren wie der alte deutsche Spießbürger von vor hundert Jahren. Den Begriff der „Satire“ sollte man aber, bitte, für anderes reservieren.
So ist es eine Absage geworden, doch wer weiß, wozu sie gut ist.
Auf der Mailingliste Inetbib ist am Wochenende ein Beitrag über Sci Hub aus Archivalia kontrovers diskutiert worden. Klaus Graf hatte darin der derzeitigen Stand zum Verhältnis von Fernleihe und Open Access zusammengefaßt und dabei auch Portale einbezogen, die weitergehen, als nur Open-Access-Papiere im Rahmen der jeweiligen Lizenz weiterzuverteilen. Repositorien gibt es viele. Sci Hub bietet, wenn ich es richtig verstanden habe, so gut wie alles an, was im Format PDF daherkommt und nicht bei drei auf den Bäumen ist, ohne sich dabei um das Urheberrecht der Autoren und die davon abgeleiteten Verwertungsrechte von Verlagen zu kümmern.
Die Fernleihe, die von den Verlegern immer wieder gern gegen die Zeitschriftenkrise angeführt wird, sei, so Klaus Graf in seinem Beitrag, zumindest in ihrer nordamerikanischen Spielart ILL, nicht attraktiv genug und könne das Unvermögen der chronisch unterfinanzierten Bibliotheken, die Informationsflut zu den Lesern zu bringen, langfristig nicht ausgleichen. Zudem würde sie hierzulande subventioniert – das seien Kosten, die man genaugenommen mit einbeziehen müsse, wenn man ausrechne, wieviel Open Access den Steuerzahler letztlich koste. Wenn alle Wissenschaft Open Access wäre, entfielen auch diese Kosten, und allen wäre gedient. Bis es aber soweit sei, so könnte man es auf den Punkt bringen, müsse man wohl mit grauen Portalen wie Sci Hub leben. Und: Mit Sci Hub ist es wie mit dem Leben: Genießen wir es, solange es geht.
So dauerte es dann auch nicht lange, bis ein Listenteilnehmer den Vorwurf erhob, das sei im Grunde genommen eine Aufforderung, massenhaft Rechtsbruch zu begehen. Er genieße an seinem Leben, dass er aufrecht gehen kann und sich nicht wie ein Dieb wegschleichen müsse. Dagegen erhob sich substantiierter Widerspruch, zumal der damit angegriffene Blogpost mehrfach die Unrechtmäßigkeit der diversen Schattenbibliotheken betont.
Man kann die Diskussion als eine Fallstudie lesen, sowohl auf die Lage der Literaturversorgung als auch auf die Entwicklung des Netzes.
Die vorgenannten Kommentare liefen auf einer Mailingliste ein, der größten bibliothekarischen Liste im deutschsprachigen Raum zwar, aber auf einer Liste, die doch sehr viel enger daherkommt als die Öffentlichkeit, die die Archivalia finden – das Blog ist darüberhinaus für viele lesenswert, auch abseits der Bibliotheksszene. Es gab Widerspruch, aber nicht im Web 2.0, also in den Blogkommentaren, sondern in dem alten Medium der Mailingliste, in deren Archiv man das also nachlesen kann. Und zwar, weil der Blogpost von seinem Autor auch dort angekündigt worden war. Darin wird die fortwährende Fragmentierung der Datennetze deutlich. Zwar hatte Geert Lovink schon 2008, auf dem Höhepunkt des Blog-Booms, in seinem „Berliner“ Buch Zero Comments das Ausbleiben der Kommentare bemerkt. Sie sind aber auch nicht an einen neuen Ort „umgezogen“. Diskutiert wird in Diskutiermedien, und das sind weiterhin Mailinglisten. Jede Nachricht wird an die Teilnehmer persönlich versandt und zugestellt. Twitter spielte bei der Verbreitung des Posts eine gewisse Rolle, so gelangte der Beitrag auf Rivva; dort werden bisher aber nur drei Blogs erwähnt, die das Thema aufgegriffen haben – auch bei ihnen wurde bisher nicht kommentiert.
Man kann diese Diskussionsmüdigkeit im Web 2.0 mit mehreren Trends in Beziehung bringen: mit dem Ekel vor dem Netz im Zuge der Snowden-Affäre, aber auch mit dem allgemeinen Rückzug aus dem Netz infolge der Shitstorms, der Online-Kampagnen und der sonstigen nervtötenden Begleiterscheinungen. Die Blütezeiten des Netzes sind vorbei. Das Pendel schwingt in die andere Richtung, und die Gruppen der Intensivnutzer und der Zurückhaltenden scheiden sich immer deutlicher.
Zum anderen greift Archivalia aber auch einen sehr wesentlichen Trend auf, den man aufmerksam beobachten sollte. Denn Portale wie Sci Hub, von einer Studentin gegründet, und sonstige schwarze Kanäle verweisen auf die Einstellung der Menschen zum Recht.
Wenn es heißt, Sci Hub sei unrechtmäßig, so ist das wahrscheinlich richtig. Aber diese Wertung trifft auf eine Generation, der die Quellen, aus denen sie schöpft, egal geworden sind – und zwar gerade auch im Angesicht der allgemeinen Überwachung. Es wäre aus technischer Sicht überhaupt kein Problem, sie zu stellen, das hat man bei der Verfolgung der Software- und Musik-„Piraterie“ gesehen. Aber vielleicht wird es dazu bei der Literaturversorgung gar nicht kommen, denn die Verlage rudern ja schon lange zurück, etwa indem das „harte DRM“ bei E-Books zunehmend fallengelassen und durch bloße Wasserzeichen ersetzt wird. Den Rest besorgte bei der Musik der Übergang von Download zu Streaming. Dazu wird es auch hier immer mehr kommen. Gerade deswegen muten ja der PDF- und EPUB-Download bei der Onleihe und der Versuch des Marketings der Süddeutschen Zeitung so retro an, im Zuge ihrer Panama-Papers-Kampagne Abonnenten für ihr E-Paper zu gewinnen. Der direkte Zugriff auf Daten aus dem Web und die Flatrate sind die Zukunft, und zwar nicht die Flatrate für eine Zeitung oder Zeitschrift, sondern für so etwas wie Sci Hub, wo man alles aus einer Quelle bekommt. So wie man ja auch bei Google irgendwie alles finden kann. So nehmen die meisten Menschen eben das Internet wahr: Alles aus einer Hand. Verteilte Lösungen schwinden, zentralisierte wachsen. Ein Paradoxon im fragmentierten Netz mit seinen fragmentierten Öffentlichkeiten. Am Ende finden sie sich alle an einen Knoten im Netz wieder. Im Bibliothekswesen überschneidet sich das mit der Erzählung von der Bibliothek von Babel, die am Ende die ganze Welt ist. Und wenn die Verlage das nicht von sich aus einsehen und sich für die Vermarktung zusammentun, werden die Benutzer das eben ganz pragmatisch auf andere Weise herbeiführen.
Am Ende wurde die Pirate Bay kommerzialisiert und aus dem Reich der Schattenwirtschaft ins helle Licht geführt – bevor sie schließlich aus dem allgemeinen Bewußtsein verschwand. Heute kennt sie keiner mehr. So wird es auch mit Sci Hub und Co. kommen. Bloß die Fernleihe, die wird es ganz sicherlich auch neben der normalen Ausleihe und dem Verkauf von Texten weiterhin geben, und das würde ich doch auch hoffen.
Denn eine Welt mit 100-prozentigem Open Access ist wahrscheinlich nicht erreichbar. Und das liegt einfach daran, daß es mehr Prestige mit sich bringt, bei einem externen Verlag zu publizieren als auf dem OA-Server der universitätseigenen Unibibliothek. Nur der Dritte kann die Gewähr dafür bieten, daß der Autor und sein Text ausgewählt worden sind, dort zu erscheinen. Auch wenn das Lektorat mittlerweile vielfach ausfällt: Do-it-yourself und Selfpublishing werden nicht für alle Zwecke und auch nicht für alle Fächer eine gangbare Lösung sein. Bei den Juristen wird jedenfalls weiter ganz viel gedruckt. Es ist kein Zufall, daß sich die Konstanzer Juristen gerade gegen eine Verpflichtung zur Zweitveröffentlichung ihrer Texte gewandt haben. Und auch dieser Bedarf will weiterhin über Bibliotheken verteilt sein. Nur sie können sowohl eine Infrastruktur für proprietäre als auch für offene Medien organisieren und betreiben. Mit der Fernleihe auch ortsübergreifend.
Ob das eine billiger als das andere sein wird, ist am Ende übrigens geschenkt, denn beides wird nebeneinander bestehen. Das Verlagsprodukt wird man ebensowenig verdrängen können wie den Open Access. Die Autoren wie die Benutzer haben sich darauf eingestellt.
Ziemlich unbemerkt hat der Datenbankanbieter Juris die RSS-Feeds für die Juris-Kommentare umgestellt. Es gibt sie noch, sie weisen auch immer noch die letzten Änderungen in den Kommentaren nach, was da geändert worden ist, können aber seit Anfang März 2016 nur noch zahlende Kunden erfahren. Bisher waren die Änderungen im Volltext einen Tag lang öffentlich lesbar. Das scheint Juris nun doch zuviel des Guten gewesen zu sein.
Das Unternehmen Juris, das einst mit Steuergeldern aufgebaut und groß geworden war, wird damit immer mehr auf Profit getrimmt und begibt sich ohne Not einem kleinen, aber lesenswerten Dienstes an der Allgemeinheit. Tat keinem weh, wußte auch kaum jemand, daß es das überhaupt gab, war aber doch nützlich für Interessierte. Einzig der Aggregator für die laufenden Nachrichten bleibt damit noch ein Angebot im offenen Web, und das sind ja schon Meldungen, die aus den diversen Presseverteilern zusammengesammelt werden – kein Mehrwert gegenüber meinem Feedreader.
Kurioses am Rande: Die Oberfläche von Rechtsprechung im Internet ist nicht responsive. Auf einem normalen 13-Zoll-Bildschirm ragt die Schrift aus der linken Navigationsleiste in den mittigen Mengentext hinein. Das Referat VII 1, Kompetenzzentrum Rechtsinformationssystem des Bundes; Grundsatzfragen; Verfahrensentwicklung; Qualitätsmanagement, teilte mir dazu am 1. Februar 2016 mit: „Den von Ihnen unterbreiteten Vorschlag zum Internetangebot www.Rechtsprechung-im-Internet.de haben wir mit Interesse zur Kenntnis genommen. Sofern bei künftigen Anpassungen des Internetangebots die Möglichkeit besteht, diesen Vorschlag umzusetzen, werden wir ihn aufgreifen.“
Das Unternehmen Juris, das einst mit Steuergeldern aufgebaut und groß geworden war, wird damit immer mehr auf Profit getrimmt und begibt sich ohne Not einem kleinen, aber lesenswerten Dienstes an der Allgemeinheit. Tat keinem weh, wußte auch kaum jemand, daß es das überhaupt gab, war aber doch nützlich für Interessierte. Einzig der Aggregator für die laufenden Nachrichten bleibt damit noch ein Angebot im offenen Web, und das sind ja schon Meldungen, die aus den diversen Presseverteilern zusammengesammelt werden – kein Mehrwert gegenüber meinem Feedreader.
Kurioses am Rande: Die Oberfläche von Rechtsprechung im Internet ist nicht responsive. Auf einem normalen 13-Zoll-Bildschirm ragt die Schrift aus der linken Navigationsleiste in den mittigen Mengentext hinein. Das Referat VII 1, Kompetenzzentrum Rechtsinformationssystem des Bundes; Grundsatzfragen; Verfahrensentwicklung; Qualitätsmanagement, teilte mir dazu am 1. Februar 2016 mit: „Den von Ihnen unterbreiteten Vorschlag zum Internetangebot www.Rechtsprechung-im-Internet.de haben wir mit Interesse zur Kenntnis genommen. Sofern bei künftigen Anpassungen des Internetangebots die Möglichkeit besteht, diesen Vorschlag umzusetzen, werden wir ihn aufgreifen.“
Update am 5. April 2016: Die in den RSS-Feeds verlinkten Inhalte sind nunmehr wieder wie zuvor kurzfristig frei lesbar. Es ist zu hoffen, daß es dabei möglichst lange bleiben wird.
Die gemeinnützige Metasuchmaschine MetaGer hat, wie der Betreiber SUMA e.V. mitteilt, beim Landgericht Hannover einen „Ettappensieg“ erzielt.
Der Verein war Ende 2015 von einer Rechtsanwältin in Anspruch genommen worden. Die Klägerin hatte im Eilverfahren verlangt, alle URLs aus MetaGer zu löschen, die ihrem Namen ähnlich sind. Sie stützte sich dabei auf das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“, das der Europäische Gerichtshof am 13. Mai 2014 in der Rechtssache C–131/12 – Google Spain SL, Google Inc. ./. Agencia Española de Protección de Datos verkündet hatte.
Das Landgericht Hannover lehnte den Erlaß einer einstweiligen Verfügung mangels Eilbedürftigkeit ab. Das Gericht hat sich in der Entscheidung aber nicht zum Verfügungsanspruch geäußert. Das Klageverfahren in der Hauptsache dürfte nach alledem noch anhängig sein.
Unklar bleibt, wie das Recht auf Vergessenwerden mit dem Anliegen der Klägerin in Verbindung zu bringen wäre.
Wenn die Antragstellerin bzw. Klägerin die Löschung von Seiten aus dem Suchindex begehrt, die ihrem Namen nur ähnlich sind, so unterscheidet sich ihr Begehren von dem Verfahren, das dem Urteil des EuGH aus dem Jahre 2014 zugrunde lag. Der Europäische Gerichtshof hatte über Suchtreffer entschieden, die von dem damaligen Kläger handelten. Das Recht auf Vergessenwerden umfaßt nicht eine bloße Namensähnlichkeit.
Weiterhin fehlt es an der Bestimmtheit der Begehr, denn es wird die Löschung einer Vielzahl von Suchtreffern verlangt, ohne diese konkret zu benennen oder einzugrenzen. Soweit der SUMA e.V. über das Verfahren berichtet hat, ist nicht ersichtlich, was einen „ähnlichen“ Suchtreffer auszeichnen sollte.
Dabei ist auch zu bedenken, daß es gerade ein Merkmal moderner Suchmaschinen ist, „ähnlich“ lautende Suchbegriffe einschließlich Tippfehlern tatsächlich vorliegenden Treffern gegenüberzustellen. Solche Vorschläge sind auch Grundlage für die Suchfunktion moderner Bibliothekskataloge (Discovery-Systeme). Auch Wikipedia erprobt derzeit solche Features als Beta-Funktion; eine Erweiterung der Suche ist gerade angekündigt worden. Je größer der Suchraum und je „intelligenter“ der Suchalgorithmus, desto komfortabler und desto leistungsfähiger ist die Suchfunktion. Das Ansinnen der Klägerin würde daher den Einsatz innovativer Suchtechnik unmöglich machen, ohne daß auch nur im Ansatz ersichtlich wäre, wie und wodurch dabei ihre Rechte insoweit berührt sein sollten.
Beim Scrollen durch meinen Feedreader stoße ich auf einen Beitrag von Henry Farrell, der auf Crooked Timber daran erinnert, daß Aaron Swartz vor drei Jahren am 11. Januar 2013 gestorben ist. In den Tod getrieben von einem Gerichtsverfahren. Deshalb der Hinweis auf den Film The internet's own boy, in dem die Geschichte von den Beteiligten, die Swartz hinterlassen hat, nacherzählt wird (auch auf archive.org). Der Film beginnt mit einem Zitat:
Unjust laws exist;
shall we be content to obey them,
or shall we endeavour to amend them, and obey them until we have succeeded,
or shall we transgress them at once?
Henry David Thoreau
Es kommt selten vor, daß aktuelle Rechtswissenschaft in die Massenmedien findet, noch viel, viel seltener als Naturwissenschaft. Daher umso überraschender das Gespräch, das Karin Beindorff in „Essay und Diskurs“ mit Katja S. Fischer von der Universität Leicester über deren einstiges Dissertationsthema geführt hat, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Verursachung von Flucht, die sie als einen Eingriff in die Souveränität anderer Staaten ansieht. Ist zwar schon 15 Jahre her, daß sie über das Thema bei Christoph Gusy in Bielefeld gearbeitet hatte, aber derzeit sehr aktuell.
Das Bundesverfassungsgericht hatte gestern das Versammlungsverbot in Heidenau für mit Art. 8 I GG unvereinbar erklärt, den diesbezüglichen Beschluß des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung des Landratsamtes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im Wege der Einstweiligen Anordnung wiederhergestellt (BVerfG, Beschluß vom 29. August 2015 – 1 BvQ 32/15).
Blogger rufen zu Spenden und zu Solidarität für die Flüchtlinge auf, die derzeit nach Europa kommen (via internet-law). Eine notwendige Aktion, um Flagge zu zeigen gegen Rechts.
Rußland ist nicht nur wegen der Beteiligung an dem Krieg in der Ukraine Vorwürfen ausgesetzt, das Völkerrecht verletzt zu haben (ob das der Fall ist bzw. war, ist durchaus streitig). Es hat gerade auch den zweiten Prozeß im Zusammenhang mit einer Aktion von Greenpeace im arktischen Meer im Jahr 2013 verloren. Der Fall hat durchaus das Potential, bald zu einem der modernen Klassiker des Völkerrechts zu zählen.
Damals hatte Greenpeace mit seinem unter niederländischer Flagge fahrenden Schiff „Arctic Sunrise“ eine Ölbohrplattform von Gazprom in der Barentssee zu erklettern versucht, um auf die Gefahren des Rohstoffabbaus in der Arktis hinzuweisen. Die Aktivisten waren dabei aber auf den Widerstand der Russen gestoßen, die die „Arctic Sunrise“ kaperten und die Besatzung verhafteten.
Schon zwei Monate später, im November 2013, mußten die Greenpeace-Leute in einem Eilverfahren auf Antrag der niederländischen Regierung beim Hamburger Internationalen Seegerichtshof gegen Kaution freigelassen werden. Das weitere Verfahren findet vor dem Ständigen Schiedshof in Den Haag statt, der – auf weiteres Betreiben der Niederlande – nun die Rechtswidrigkeit des russischen Vorgehens festgestellt hat. In einem weiteren Schritt wird über den Schadensersatz zu entscheiden sein, den Rußland zu leisten hat.
Die russische Regierung ist den verhängten Auflagen bisher zwar nachgekommen, erkennt aber keine der Entscheidungen an und bleibt auch den Verhandlungen aus Protest fern, weil sie das Gericht nicht für zuständig halte.
Permanent Court of Arbitration, Arctic Sunrise Arbitration, Niederlande vs. Rußland, Case No. 2014-02, vgl. auch die Pressemitteilung vom 24. August 2015.
Der amerikanische Verfassungsrechtler Lawrence Lessig ist zum Exponenten einer Bewegung in den USA geworden, die sich gegen die Schieflage in der Finanzierung des politischen Betriebs wendet. Lessig hat angekündigt, bei den Präsidentschaftswahlen 2016 anzutreten, wenn es ihm gelinge, genügend Mittel per Crowdfunding einzusammeln. Democracy Now hat ihn hierzu interviewt.
Pikantes Detail am Rande: Die Mainstream-Medien hatten zwar darüber berichtet daß vor ein paar Monaten eine Drohne auf dem Rasen des Weißen Hauses gelandet war, der Hintergrund hierfür wurde aber zurückgehalten. Es war eine Aktion von Dough Hughes, und der Quadrocopter transportierte eine Ladung mit Briefen an alle Kongreßabgeordneten, in denen diese dazu aufgefordert wurden, die Wahlkampf-Finanzierung zu reformieren. The letter began with a quote from John Kerry’s farewell speech to the Senate: quote, "The unending chase for money I believe threatens to steal our democracy itself," Kerry wrote.