Emacs 29.1 X
Zu den praktischsten neuen Paketen, die mir in den letzten Wochen
untergekommen sind, gehört mit deutlichem Abstand der Company
Mode. Er kam auf mein
System, als ich die Python-Umgebung
elpy nachinstallierte, die
es einsetzt. Beim Tippen werden Vorschläge aus dem restlichen Text in
diesem oder auf Wunsch auch aus weiteren Buffern desselben Modes
angeboten, die man auswählen und annehmen oder verwerfen kann. Die
Vorschläge können also auch ein Projekt mit einbeziehen, das aus
mehreren Dateien besteht. Das funktioniert sowohl bei Code als auch
bei Fließtext, auch in längeren Kommentaren, und für mich als
Vielschreiber ist das Paket natürlich ein Muss. Damit kann ich das
Paket dabbrev-expand deutlich erweitern, das kein Frontend hatte, bei
dem der Text automatisch so schön eingeblendet wurde – man musste
einen Keystroke ausführen, um Autocomplete auszulösen. Company kann so
konfiguriert werden, das auch Groß- und Kleinschreibung beachtet
werden. Mit anderen Worten: Ich bin glücklich.
Der Wanderer LXXXVI
Derzeit bin ich am Räumen. Sehr. Analog und digital. Schon vor einem
Jahr, als ich auf den neuen Rechner umstieg, nahm ich nicht alle Daten
mit. Das riesig angewachsene, aber in iTunes gefangene Archiv ließ ich
zurück und lagerte es auf eine separate Festplatte aus. Ich habe es
ein Jahr lang nicht gebraucht, was dafür spricht, das so zu
lassen. Manchmal befreit einen so ein Datensilo auch von allzuviel
Ballast. Jetzt ist das laufende Wissens- und Projektmanagement
dran. Analog und digital, siehe oben.
Andere Technik, andere Gliederung des Materials, Durchsicht, Ordnen
und auch Löschen sind angesagt. Analog, freilich: Wegwerfen.
Das beendet ein offenes oder auch latentes Leiden und sorgt für
Platz. Außerdem scheint ein Paradigmenwechsel vor mir auf, vom
hermeneutischen und systemischen Denken hin zu was Moderneren. Was das
dann sein wird und wie weit der Umbau da gehen wird, mag sich zeigen.
Fenster auf, gut durchlüften und putzen und räumen. Jedes Mal, wenn
ich rausgehe, nehme ich was mit. Umbruchzeiten sind gute Zeiten, und
sie wollen gestaltet werden.
Emacs 29.1 IX
Zu den schönsten Paketen für den GNU Emacs, die mir untergekommen sind, gehört golden-ratio von Roman Gonzalez. Gestern kam Version 1.0.1 auf ELPA. golden-ratio nimmt sich des Zuschnitts der Buffer im Verhältnis zueinander an, wenn innerhalb eines Frames in Emacs mehrere Buffer gleichzeitig geöffnet sind.
Das Paket sorgt für zweierlei: Es gibt dem Buffer, in dem man gerade arbeitet, den meisten Platz. Und es legt für das Verhältnis der Buffer-Höhen zueinander den Goldenen Schnitt zugrunde. Und das alles dynamisch und direkt bei der Benutzung, was sehr praktisch ist und auch ziemlich elegant aussieht. Besonders zu empfehlen, wenn man beim Schreiben zum Beispiel zwischen einem Org-Buffer und einem Programm in elpy und mehreren Test-Buffern hin und her schaltet.
Ich war ja skeptisch, aber nach diesem Härtetest bin ich sehr gespannt, ob es tatsächlich Pakete gibt, mit denen sich golden-ratio nicht verträgt – kann mir das aber mittlerweile kaum noch vorstellen. golden-ratio ist wohl schon ziemlich gut getestet worden.
Emacs 29.1 VIII
Da war übrigens noch was: Es gab ein Update zu den Builds bei
emacsformacosx.com. Ich war so sehr mit
dem Konfigurieren und Herumspielen beschäftigt, dass ich das gar nicht
mehr bemerkt hatte. Bei Version 29.1, die David Caldwell
bereitgestellt hatte, war, dem ChangeLog
zufolge,
die brandneue SQLite-Unterstützung nicht enthalten. Die hatte er erst
in einem Build vom 16. August 2023 nachgereicht, die er unter dem
Tag 29.1-1 veröffentlicht hat. Diese Versionsnummer gibts offiziell
zwar nicht, aber hier
doch schon. Installieren tut nicht weh. Auch Version 29.1-1 läuft
tadellos.
Der Wanderer LXXXV
CRE.FM zu
Git aus dem
Jahr 2009 gehört. Man merkt, dass sich in dem Bereich kaum mehr etwas
getan hat. GitHub war am Aufkommen, Wikipedia und „die Wikis“ waren
immer noch ziemlich präsent, aber immer noch viel mehr als „etwas
Neues“ als man es heute beschreiben würde.
Interessant fand ich an mehreren Stellen den Hinweis auf den
Zusammenhang zwischen der Technik, dem Umgang damit und den
gesellschaftlichen Auswirkungen. Das Forken wurde von einer
regelrechten Kampfansage mit hingeworfenem Fehdehandschuh zu einer
geradezu erwünschten Kulturtechnik, die jederzeit grundlegende
Änderungen am Bestand ermöglicht und damit Spielräume öffnet. Das
Forken als praktizierter Liberalismus. Sire, geben Sie Forkfreiheit!
Nicht weiter verfolgt wurde leider die Idee, dass es nachteilig war,
Wikipedia in einem zentralen Repository zu belassen, wenn alle Welt
sonst dezentral arbeitet. Noch heute wird der Fork von Wikipedianern
im alten Sinne als ein Kampfbegriff verstanden, eher als eine Drohung
als eine Chance, eine Entwicklungsmöglichkeit. Die Probleme beim
Forken von Wikipedia wurden immer größer mit der Zeit, weil die
Erweiterungen im Umfeld, vor allem die Integration von Wikidata, aber
auch schon die zentrale Auslagerung aller Bilder auf Wikimedia
Commons, einen eigenen Weg, der davon getrennt verliefe, kaum noch
zulässt. Wikipedia ist als Dump nicht mehr standalone
weiterzuverwenden. Es ist kaum zu ermessen, was diese im Laufe der
Jahre geschaffenen Tatsachen für die Entwicklung von Wikipedia und für
die Community bedeutet haben. Die Inselstellung dürfte sich dadurch
verschärft haben. Die Isolation, die uns vom Rest des Webs
trennt. Brücken zu den dezentralen Strukturen kann auch Wikidata nur
formal aufbauen, nicht mehr inhaltlich.
Der Diff und der Umgang damit ist ein zentrales Instrument der
Content-Entwicklung, das in seinen gesellschaftlichen und kulturellen
Auswirkungen viel zu wenig beachtet wird. In Blog-Systemen spielt es
auch kaum oder gar keine Rolle.
Form follows function. Content follows medium.
Der Wanderer LXXXIV
Das Usenet lebt, ein bisschen. Als Bram Moolenar starb, gab es dort eine Diskussion über die Rolle, die vi(m) derzeit (noch) spielt. Keine Frage, dass die Bedeutung, die so ein mächtiges technisches Werkzeug spielt, immer schon erheblich war, las man zum Beispiel schon anhand der Geschichte der nettime-l-Mailingliste. Aber als der Tod des Hauptentwicklers von vim bekannt wurde, wurde man in de.comp.editoren doch auch ziemlich nachdenklich und merkte ziemlich schnell, dass auch die Wahl des Editors eine Generationenfrage ist:
Wobei ich den Eindruck habe, dass bei den jüngeren Leuten vim nicht so beliebt ist. Da dominieren nano und Visual Studio Code.
Andererseits:
Die klicken oder wischen bloß noch rum.
Auch mit Word …
… sind viele der heutigen Studenten vermutlich schon
überfordert. ;-)
Geschichten vom Älterwerden.
Der Wanderer LXXXIII
LibreOffice schafft die Begriffe Schusterjungenregelung und
Hurenkinderregelung in seiner Bedienoberfläche ab, weil es die Begriffe bei Microsoft Word und bei Adobe InDesign auch nicht mehr gebe. Es handele sich um einen Drucker-Jargon, der für Joe Sixpack unverständlich sei. Das sind typografische Grundbegriffe. Kann man sich nicht ausdenken. Aber im heutigen Daily-Build schon so umgesetzt.
Der Wanderer LXXXII
Die Mailinglisten waren schon ganz erheblich geschrumpft, als sich der
Traffic erst in die Webforen und dann in die Sozialen Netzwerke und
die Instant-Messenger-Dienste verschob. Obwohl auch Diskussionen über
Emacs zu einem großen Teil auf StackExchange und Reddit stattfinden,
laufen die Projekt-Mailinglisten aber immer noch sehr gut. In den
letzten vier Wochen liefen über emacs-devel, help-gnu-emacs,
emacs-orgmode und die auctex-Listen fast 2000 Nachrichten. Und
zwar ziemlich gehaltvolle Nachrichten.
Freilich ist emacs-devel mitunter eher so eine Art Seifenoper für
alle, die die Freie-Software-Szene schon etwas länger
verfolgen. Auffällig ist vor allem die Fixierung auf hauseigene
Lösungen, die ganz klar nicht zielführend sein kann. Derzeit wird dort
beispielsweise besprochen, ob man Texinfo durch Org-Mode ersetzen
könne. Man verspricht sich davon entweder (a) gar nichts oder aber (b)
einen verstärkten Zustrom von Entwicklern, die sich bisher von einer
Mitarbeit an GNU-Projekten abgeschreckt fühlten, weil sie nicht bereit
waren, extra Texinfo zu lernen, um auch die Dokumentation regelkonform
abliefern zu können. Das ist nicht ganz abwegig. Es ist ziemlich genau
zwanzig Jahre her, dass ich mal die Überarbeitung eines Manuals
abgebrochen hatte, noch bevor ich damit anfing, weil ich mir das mit
Texinfo nicht antun wollte. Ich hatte gedacht, es wäre bloß LaTeX. Und
jetzt ausgerechnet Org-Mode als Ersatz. Eine eierlegende Wollmilchsau,
eine Mischung aus Outliner, Exporter und Agenda-Planer, die erst
einmal durch Nacharbeit noch einmal gehörig zurechtgebogen werden
müsste, um Texinfo, das für einen sehr speziellen Zweck entwickelt
worden war, ersetzen zu können. Wo doch schon längst alle in Markdown
schreiben, in irgendwelchen Varianten, zugegeben, aber irgendwie geht
es doch.
Nachdem ich nun in den letzten Wochen viel mit Org gearbeitet hatte,
habe ich mir nun endlich auch einmal den Markdown-Mode in Emacs
eingerichtet. Was ich noch nicht wusste: Er stammt von demselben
Entwickler, der auch das Notizen-Frontend Deft geschrieben hat. Deft
hatte ich getestet, gewogen und dann aber doch für zu schwer befunden,
will sagen: Viel zu Umfangreich und unnötig. Wenn ich alle meine
Notizen sowieso in einem Deft-Verzeichnis sammle, kann ich mir auch
gleich ein Bookmark ins Dock setzen und die Org-, Markdown- oder
Text-Dateien von dort aus direkt öffnen und sie händisch in ein
Archiv-Unterverzeichnis verschieben. Hierzu bot Deft keine zusätzliche
Funktion, die nicht schon durch das Betriebssystem bereit gestanden
hätte. Also eher kein Deft-Mode.
Aber eine gute Gelegenheit, der ewigen Konkurrenz zwischen Org und
Markdown
einmal nachzuspüren. Ist da etwas dran? Nach mehreren Wochen finde
ich, dass Markdown zum bloßen Schreiben, etwa um so einen Blogpost wie
diesen hier vorzubereiten, etwas besser geeignet ist als Org, weil die
Syntax stringenter und auf den Text und seine Gliederung beschränkt
ist und dadurch deutlich übersichtlicher bleibt. Ein Org-Dokument ist
in kurzer Zeit überflutet mit Anmerkungen, Tags, Properties, Drawers
und Zeitstempeln verschiedener Art. Dadurch wird der Text immer
unübersichtlicher, auch wenn er durch Syntaxhighlighting optisch
entsprechend aufbereitet worden ist. Auf das Emacs-Theme, das man
verwendet, kommt es dann auch nicht mehr wirklich an. Es sei denn, man
verzichtete grundsätzlich auf all die Ergänzungen, die Org bereithält,
und setzt sie nur ausnahmsweise ein. Dann wären Org und Markdown
insoweit fast identisch.
Um auf die Diskussion über Org-Mode vs. Texinfo zurückzukommen:
Eigentlich stellt sich die Frage schon längst nicht mehr in dieser
Weise, seit alle Welt Markdown schreibt. Seit sogar CTAN für fast
jedes Paket ein README.md bereithält und im Webbrowser anzeigt, weil
die Daten sowieso vorhanden sind. Die meisten Pakete werden auf GitHub
gehostet, weniger kommen von GitLab oder vom Entwickler-eigenen
GitLab. Und bringen daher Markdown standardmäßig mit. GitHub Pages hat
ein weiteres getan.
Aber auf emacs-devel fragen sie sich: Org-Mode oder Texinfo?
BTW: Rezension: „Der Vorweiner“ von Bov
Bjerg – lesen!
Der Wanderer LXXXI
Die Frankfurter Rundschau berichtet über das Abwandern von Verlagen aus Frankfurt. Der Fall Suhrkamp ist bekannt. Aber jetzt „baut die Frankfurter Verlagsgruppe S. Fischer derzeit ein zweites Standbein [in Berlin] auf“. Und der Westend Verlag zieht nach Neu-Isenburg und wird dort in Zukunft in der Waldstraße 12a ansässig sein. Das ist ja nun nicht gerade ganz so weit weg wie Berlin es wäre. Aber es ist ein Zeichen dafür, dass sich Frankfurt zerstreut, dass es diffuser wird, die Kultur wird schwerer auffindbar. Vor allem war der Westend Verlag nicht glücklich mit seiner Innenstadtlage, liest man. Und der Neubau, in den der Verlag umzieht, war in die Krise hinein errichtet worden, und man wird froh sein, dass die heute eigentlich viel zu große Fläche in Zeiten des Homeoffice loszuwerden war. Win, win.
Der Wanderer LXXX
Einen Blogpost von Charles Choi fand ich hilfreich, um einfache Timestamps, geplante Tasks und solche mit einer Deadline in Org-Mode besser auseinanderzuhalten.
Auffällig, dass die Wiedervorlage in Org-Mode gar nicht erwähnt wird. Es ist die bei weitem häufigste Projektphase im Alltag. Ständig ist man damit beschäftigt, nochmal anzurufen, anzumailen, weil man keine Rückmeldung erhalten hat oder weil schlicht niemand zu erreichen war. Habe dem abgeholfen.