Freitag, 15. April 2016
Entdeckung hinter dem Haus XIV
Also gut, die Böhmermann-Affäre. Ein unsäglich dummer und brüllender Text hat zu einer Staatsaffäre geführt, und man kommt sich vor wie in einer Komödie von Carl Sternheim, der die Spießer im Kaiserreich so treffend und so zeitlos dargestellt hat, daß man sie immer wieder erkennen wird.
Un-auf-ge-for-dert.
Dazu paßt auch, daß der Text und der Vortrag, um den es geht, nicht ausgestellt werden, damit ihn alle kennenlernen, sondern daß er erst im Netz „gefunden“ werden muß, er ist wohl in vorauseilendem Gehorsam auf einen Index gesetzt worden, und alle, die ihn nun kennenlernen wollen, um zu verstehen, was da eigentlich passiert, müssen danach googlen, als ginge es um peinliche Ware, die nur unter dem Tisch verkauft würde, ein Geheimtip?
Dum da da dum da.
Der Streisand-Effekt führt dazu, daß auf solche Sticheleien kein westlicher Politiker je mehr reagieren würde. Man steht darüber. Die Majestätsbeleidigung passe nicht mehr ins Strafgesetzbuch, hat der SPD-Bundesjustizminister heute gesagt. Das stimmt nicht ganz, denn es gibt ja immer noch die Verunglimpfung des Bundespräsidenten, und die soll wohl als Straftatbestand erhalten bleiben?
Laß die Albernheiten.
Viele Inkonsistenzen, also, auch Unzeitgemäßes, kommt in der Sache zusammen. Es paßt nicht in die Zeit, in das Land, in dem es spielt, es ist eine Art Verfremdung, und plötzlich rückt die globalisierte Welt noch einmal mehr zusammen, werden wir konfrontiert mit türkischen Zuständen und reagieren wie der alte deutsche Spießbürger von vor hundert Jahren. Den Begriff der „Satire“ sollte man aber, bitte, für anderes reservieren.
So ist es eine Absage geworden, doch wer weiß, wozu sie gut ist.
Donnerstag, 14. April 2016
Das Kunstwerk in Zeiten des Internets
Michael Schmalenstroer berichtet über die große Hieronymus-Bosch-Ausstellung, die derzeit noch im Noordbrabants Museum im niederländischen ’s-Hertogenbosch stattfindet, danach wird sie im Prado zu sehen sein. Das Problem: … die Ausstellung … ist … voll. Gerappelt voll. Gedrängelt voll. Genauer gesagt ist sie leider zu voll. Das kleine Provinzmuseum, das sie ausrichtet, wird überrannt von Besuchern. Und so zählt Schmalenstroer auf, wo man die Werke stattdessen online betrachten kann. Siehe da: Die Wikimedia Commons haben den Heuwagen in einer Auflösung von 9843×6475 Pixeln und im Vergleich stellt man fest, dass die digitale Version mehr Details erkennen lässt als das Original. Und er resümiert die Rolle des Web angesichts solcher Kunstevents: … das Internet, dieses Netzwerk, das eigentlich dazu gedacht ist, dass Menschen miteinander kommunizieren, bietet hier einen Ausweg: Denn es bietet genau das, was wir beim Museumsbesuch wünschen. Privaten, individuellen Zugang zu den Werken, ungestört von anderen Besuchern und mit weiterführenden Informationen nur einen Klick entfernt. Und trotzdem ist es leider irgendwie etwas anderes, nach Nordbrabant zu fahren, Boschs Werke als Original zu sehen und dann die wirklich sehr schöne Stadt zu erkunden. Der Fetisch des Originals, es gibt ihn einfach.
Montag, 11. April 2016
Nachdenken über Sci Hub
Auf der Mailingliste Inetbib ist am Wochenende ein Beitrag über Sci Hub aus Archivalia kontrovers diskutiert worden. Klaus Graf hatte darin der derzeitigen Stand zum Verhältnis von Fernleihe und Open Access zusammengefaßt und dabei auch Portale einbezogen, die weitergehen, als nur Open-Access-Papiere im Rahmen der jeweiligen Lizenz weiterzuverteilen. Repositorien gibt es viele. Sci Hub bietet, wenn ich es richtig verstanden habe, so gut wie alles an, was im Format PDF daherkommt und nicht bei drei auf den Bäumen ist, ohne sich dabei um das Urheberrecht der Autoren und die davon abgeleiteten Verwertungsrechte von Verlagen zu kümmern.
Die Fernleihe, die von den Verlegern immer wieder gern gegen die Zeitschriftenkrise angeführt wird, sei, so Klaus Graf in seinem Beitrag, zumindest in ihrer nordamerikanischen Spielart ILL, nicht attraktiv genug und könne das Unvermögen der chronisch unterfinanzierten Bibliotheken, die Informationsflut zu den Lesern zu bringen, langfristig nicht ausgleichen. Zudem würde sie hierzulande subventioniert – das seien Kosten, die man genaugenommen mit einbeziehen müsse, wenn man ausrechne, wieviel Open Access den Steuerzahler letztlich koste. Wenn alle Wissenschaft Open Access wäre, entfielen auch diese Kosten, und allen wäre gedient. Bis es aber soweit sei, so könnte man es auf den Punkt bringen, müsse man wohl mit grauen Portalen wie Sci Hub leben. Und: Mit Sci Hub ist es wie mit dem Leben: Genießen wir es, solange es geht.
So dauerte es dann auch nicht lange, bis ein Listenteilnehmer den Vorwurf erhob, das sei im Grunde genommen eine Aufforderung, massenhaft Rechtsbruch zu begehen. Er genieße an seinem Leben, dass er aufrecht gehen kann und sich nicht wie ein Dieb wegschleichen müsse. Dagegen erhob sich substantiierter Widerspruch, zumal der damit angegriffene Blogpost mehrfach die Unrechtmäßigkeit der diversen Schattenbibliotheken betont.
Man kann die Diskussion als eine Fallstudie lesen, sowohl auf die Lage der Literaturversorgung als auch auf die Entwicklung des Netzes.
Die vorgenannten Kommentare liefen auf einer Mailingliste ein, der größten bibliothekarischen Liste im deutschsprachigen Raum zwar, aber auf einer Liste, die doch sehr viel enger daherkommt als die Öffentlichkeit, die die Archivalia finden – das Blog ist darüberhinaus für viele lesenswert, auch abseits der Bibliotheksszene. Es gab Widerspruch, aber nicht im Web 2.0, also in den Blogkommentaren, sondern in dem alten Medium der Mailingliste, in deren Archiv man das also nachlesen kann. Und zwar, weil der Blogpost von seinem Autor auch dort angekündigt worden war. Darin wird die fortwährende Fragmentierung der Datennetze deutlich. Zwar hatte Geert Lovink schon 2008, auf dem Höhepunkt des Blog-Booms, in seinem „Berliner“ Buch Zero Comments das Ausbleiben der Kommentare bemerkt. Sie sind aber auch nicht an einen neuen Ort „umgezogen“. Diskutiert wird in Diskutiermedien, und das sind weiterhin Mailinglisten. Jede Nachricht wird an die Teilnehmer persönlich versandt und zugestellt. Twitter spielte bei der Verbreitung des Posts eine gewisse Rolle, so gelangte der Beitrag auf Rivva; dort werden bisher aber nur drei Blogs erwähnt, die das Thema aufgegriffen haben – auch bei ihnen wurde bisher nicht kommentiert.
Man kann diese Diskussionsmüdigkeit im Web 2.0 mit mehreren Trends in Beziehung bringen: mit dem Ekel vor dem Netz im Zuge der Snowden-Affäre, aber auch mit dem allgemeinen Rückzug aus dem Netz infolge der Shitstorms, der Online-Kampagnen und der sonstigen nervtötenden Begleiterscheinungen. Die Blütezeiten des Netzes sind vorbei. Das Pendel schwingt in die andere Richtung, und die Gruppen der Intensivnutzer und der Zurückhaltenden scheiden sich immer deutlicher.
Zum anderen greift Archivalia aber auch einen sehr wesentlichen Trend auf, den man aufmerksam beobachten sollte. Denn Portale wie Sci Hub, von einer Studentin gegründet, und sonstige schwarze Kanäle verweisen auf die Einstellung der Menschen zum Recht.
Wenn es heißt, Sci Hub sei unrechtmäßig, so ist das wahrscheinlich richtig. Aber diese Wertung trifft auf eine Generation, der die Quellen, aus denen sie schöpft, egal geworden sind – und zwar gerade auch im Angesicht der allgemeinen Überwachung. Es wäre aus technischer Sicht überhaupt kein Problem, sie zu stellen, das hat man bei der Verfolgung der Software- und Musik-„Piraterie“ gesehen. Aber vielleicht wird es dazu bei der Literaturversorgung gar nicht kommen, denn die Verlage rudern ja schon lange zurück, etwa indem das „harte DRM“ bei E-Books zunehmend fallengelassen und durch bloße Wasserzeichen ersetzt wird. Den Rest besorgte bei der Musik der Übergang von Download zu Streaming. Dazu wird es auch hier immer mehr kommen. Gerade deswegen muten ja der PDF- und EPUB-Download bei der Onleihe und der Versuch des Marketings der Süddeutschen Zeitung so retro an, im Zuge ihrer Panama-Papers-Kampagne Abonnenten für ihr E-Paper zu gewinnen. Der direkte Zugriff auf Daten aus dem Web und die Flatrate sind die Zukunft, und zwar nicht die Flatrate für eine Zeitung oder Zeitschrift, sondern für so etwas wie Sci Hub, wo man alles aus einer Quelle bekommt. So wie man ja auch bei Google irgendwie alles finden kann. So nehmen die meisten Menschen eben das Internet wahr: Alles aus einer Hand. Verteilte Lösungen schwinden, zentralisierte wachsen. Ein Paradoxon im fragmentierten Netz mit seinen fragmentierten Öffentlichkeiten. Am Ende finden sie sich alle an einen Knoten im Netz wieder. Im Bibliothekswesen überschneidet sich das mit der Erzählung von der Bibliothek von Babel, die am Ende die ganze Welt ist. Und wenn die Verlage das nicht von sich aus einsehen und sich für die Vermarktung zusammentun, werden die Benutzer das eben ganz pragmatisch auf andere Weise herbeiführen.
Am Ende wurde die Pirate Bay kommerzialisiert und aus dem Reich der Schattenwirtschaft ins helle Licht geführt – bevor sie schließlich aus dem allgemeinen Bewußtsein verschwand. Heute kennt sie keiner mehr. So wird es auch mit Sci Hub und Co. kommen. Bloß die Fernleihe, die wird es ganz sicherlich auch neben der normalen Ausleihe und dem Verkauf von Texten weiterhin geben, und das würde ich doch auch hoffen.
Denn eine Welt mit 100-prozentigem Open Access ist wahrscheinlich nicht erreichbar. Und das liegt einfach daran, daß es mehr Prestige mit sich bringt, bei einem externen Verlag zu publizieren als auf dem OA-Server der universitätseigenen Unibibliothek. Nur der Dritte kann die Gewähr dafür bieten, daß der Autor und sein Text ausgewählt worden sind, dort zu erscheinen. Auch wenn das Lektorat mittlerweile vielfach ausfällt: Do-it-yourself und Selfpublishing werden nicht für alle Zwecke und auch nicht für alle Fächer eine gangbare Lösung sein. Bei den Juristen wird jedenfalls weiter ganz viel gedruckt. Es ist kein Zufall, daß sich die Konstanzer Juristen gerade gegen eine Verpflichtung zur Zweitveröffentlichung ihrer Texte gewandt haben. Und auch dieser Bedarf will weiterhin über Bibliotheken verteilt sein. Nur sie können sowohl eine Infrastruktur für proprietäre als auch für offene Medien organisieren und betreiben. Mit der Fernleihe auch ortsübergreifend.
Ob das eine billiger als das andere sein wird, ist am Ende übrigens geschenkt, denn beides wird nebeneinander bestehen. Das Verlagsprodukt wird man ebensowenig verdrängen können wie den Open Access. Die Autoren wie die Benutzer haben sich darauf eingestellt.
Samstag, 9. April 2016
MacSOUP wird nicht mehr unterstützt
Vielleicht hatte es der eine oder die andere schon geahnt: Stefan Haller hat in de.comp.sys.mac.misc erklärt, den Support von MacSOUP nicht mehr leisten zu können. Der Newsreader für OS X wird also nicht mehr aktualisiert werden: Es ist total veraltet, sowohl von der Oberfläche her als auch unter der Haube; es ist nicht unwahrscheinlich, daß es mit dem nächsten (oder übernächsten) OS-Update aufhört zu funktionieren, und ich keine Zeit haben werde, es zum Laufen zu kriegen.
Sehr, sehr schade. Der Geist des alten Macs verschwindet immer mehr. Einige empfehlen nun slrn als Newsreader, es gibt aber auch Gnus und Thunderbird. Weitere freie Clients für OS X gibt es aber nicht mehr, auch ihre Weiterentwicklung wurde schon eingestellt. (Siehe die alte Übersicht im Apfelwiki.)
Die Lage erinnert an den Engpaß beim Emacs-Port Aquamacs – sonst gibt es nur noch Emacs.app. Oder an das Ende der Feedreader, das den meisten erst auffiel, als der Google-Reader eingestellt wurde und die Alternativen fehlten. (Man nehme Vienna.) Nicht nur Apple und die Appifizierung, auch das Web 2.0 frißt zuerst die freien Clients – und dann seine User. Das Ende des freien Webs rückt näher.
Freitag, 8. April 2016
Entdeckung hinter dem Haus XIII
Ein kurzes Update: Die kritische Reflexion der Panama Papers findet in den sogenannten Leitmedien weiterhin nicht statt. Stattdessen in den Blogs, etwa durch Jens Berger oder Wolfgang Michal. Er weist auch darauf hin, daß es einen Vorläufer gab, nämlich eine Geschichte über die gleiche panamaische Firma von Ken Silverstein, 2014 in Vice veröffentlicht. Und die Fragen nach der Finanzierung und den Interessen hinter dem Scoop werden drängender. Diese Kritik wird vom Mainstream weiterhin nicht aufgegriffen. Die Medienmaschine läuft, als wäre nichts gewesen. Das Drehbuch wird abgearbeitet, und alle machen mit. Und jetzt ist erstmal Wochenende. Wenn es so weitergeht, werden die Panama-Papiere einen ähnlichen Weg nehmen wie einst die Tagebücher-Story des Stern.
Mittwoch, 6. April 2016
Entdeckung hinter dem Haus XII
Die kritischen Anmerkungen an der Panama-Papers-Kampagne der Massenmedien reißen nicht ab. Der Corporate-Blogger Michael Firnkes fragt: Und wer kontrolliert den Datenjournalismus? Er zählt eine Reihe von Unwägbarkeiten bei dieser investigativen Arbeitsweise auf und endet: Normalerweise bräuchte jeder Verlag, jeder Medienschaffende eine oder mehrere unabhängige Instanzen, welche die Ergebnisse und die Folgeerscheinungen des Datenjournalismus kontrollieren und monitoren. Das ist aber angesichts der Geheimniskrämerei um die Daten, aufgrund deren der Hype erfolgt, nicht möglich. Die Unterlagen sollen auch nicht an die Staatsanwaltschaft gegeben werden, um Strafermittlungen anzustoßen. So stellt es sich die Süddeutsche Zeitung jedenfalls vor: Der Perlentaucher schreibt – wenn auch mit nichtzutreffender Quelle –, man fühle sich dort nicht als der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft. Als was aber dann? Alles also doch nicht so ernst gemeint? Und Ronen Palan bemerkt im Verfassungsblog, er habe bisher nichts Neues gelesen, was ihm nicht vorher schon bekannt gewesen wäre. So, what?
Das gewünschte Ergebnis ist erreicht: Die Nachrichten und die Sozialen Netzwerke werden auf Wochen hinaus mit dem Thema gefüllt sein. Ein bißchen Wind im Social Web ist günstig zu haben. Man kann das buchen. Bis in den privaten Raum hinein, greift das Thema um sich. Und da der Umfang der Nachrichten in den Massenmedien ein Nullsummenspiel ist – die Tagesschau hat jeden Abend nur 15 Minuten –, geht das auf Kosten sehr viel wichtigerer Themen, die schon jetzt viel zu kurz kommen. Die Initiative Nachrichtenaufklärung veröffentlicht jedes Jahr die Top-Themen, für die man sich eine angemessene Berichterstattung gewünscht hätte. Sie kommen damit noch kürzer. Ehrenwert wäre es gewesen, hunderte Leute dranzusetzen, wenn es um die nächste Hartz-IV-Reform und die Frage ginge, wie die armen Leute immer noch ärmer gemacht werden. Oder wie AfD und Pegida finanziert werden.
Es geht der SZ und den anderen Medien, die sich dieser Kampagne angeschlossen haben, nicht ums Thema, sondern um Werbung und PR in eigener Sache – und alle machen mit. So entsteht eine Neuauflage von Settings, die in den 1980er Jahren noch in Seifenopern wie Dallas oder Denver Clan daherkamen. Man soll sich also über die Machenschaften der Reichen aufregen, kann daran aber selbst nichts ändern. Die bunten Zeichnungen in der Zeitung zeigen es: Putin gibt diesmal den J.R. Ewing. So werden die Bürger am Ende nur abgelenkt von den Dingen, an denen sie tatsächlich politische Selbstwirksamkeit erleben könnten. Bei den Römerberggesprächen hatte Wilhelm Heitmeyer 2011 auf die Frage hin, wie man die Demokratie stärken könne, empfohlen, gerade diese Selbstwirksamkeit zu stärken, und zwar im möglichst kleinen Rahmen: Ich habe etwas Konkretes bewirkt durch die Stimmabgabe, durch mein politisches Engagement. Aber hier wird ausschließlich Ohnmacht deutlich. Es fängt bei der fehlenden Möglichkeit an, all das zu überprüfen, was in den Berichten erzählt wird, und es geht bei der fehlenden Möglichkeit einzugreifen weiter. Das lähmt, statt zu mobilisieren. Und es bedient nur alte Feindbilder.
Und das ist schlechter Journalismus, der mit einer riesigen PR- und Social-Media-Kampagne daherkommt, der nicht selbst Fragen nach seiner Finanzierung stellt. Der wichtigere Themen verdrängt, um sich selbst als Aufklärer zu inszenieren, obwohl dabei nur eine Show entsteht, die am Ende Desinformation bewirkt. Die Zweifel überwiegen deutlich. Der große Hype, der demonstrieren sollte, wozu die Presse doch noch gebraucht werde, kehrt sich ins Gegenteil: So eine Presse, die sich vor allem selbst in Szene setzt und die von den politischen Themen, die in den letzten Wochen bestimmend waren, möglichst wirksam ablenkt, braucht tatsächlich niemand.
Dienstag, 5. April 2016
Remote Access: Die Stadtbibliothek Darmstadt baut ab
Die Stadtbibliothek Darmstadt bietet KLG, KLfG und PressReader über Munzinger an; außerdem Genios, letzteres aber nur noch mit einer kleinen Auswahl an deutschsprachiger Presse; die Fachzeitschriften wurden vor einem halben Jahr schon fallengelassen, schrieb ich vor kurzem. Und stelle nun fest, daß die Süddeutsche Zeitung ziemlich leise aus dem Darmstädter Genios gestrichen worden ist. Dafür gibt es nun sehr viel Provinzpresse, also etwa die Osterländer Volkszeitung. Nichts gegen die Osterländer Volkszeitung, aber die Entwicklung ist doch enttäuschend. Es verbleiben für meine Interessen: Zeit, Spiegel, Frankfurter Rundschau, taz, NZZ und Der Standard. Nicht gerade wenig, aber es fing mal attraktiver an. Mit fehlt weiterhin die FAZ. Zumal der PressReader via Munzinger doch ziemlich umständlich zu bedienen ist, bei mir nur in Safari und Google Chrome funktioniert und offenbar auch keine Volltextsuche über alle Texte anbietet. Ebenso wie die E-Papers aus der Onleihe. Man muß sie einzeln herunterladen und kann nicht gezielt alle Beiträge zu einem bestimmten Thema ansehen. Sehr nachteilige Entwicklung für die Benutzer.
Montag, 4. April 2016
Entdeckung hinter dem Haus XI
Während die Zeitungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur über die Panama Papers schreiben, statt sie selbst zu veröffentlichen (wer das wollte, hätte zu Wikileaks gehen müssen), ist das Web schnell mit kritischen Anmerkungen, sehr schnell sogar.
Man darf gespannt sein, ob aus der Information nicht doch am Ende ein Desinformationsprojekt wird. Was ist eigentlich passiert? Wo liegen die Probleme? Was sind die Folgen? Was sind die Rechtsfolgen? Die bisherigen Veröffentlichungen scheitern schon an dieser einfachen Frage. Wer nicht in der Lage ist, das in fünf Sätzen auf den Punkt zu bringen – weder die Süddeutsche Zeitung noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk sind es offenbar –, der hätte besser noch eine Weile über den großen Datenfund nachdenken sollen. Datenbanken und Big Data sind eben nicht alles. Wer hat die ellenlangen Texte schon gelesen?
Auffällig bloß, daß es sofort Wikipedia-Artikel zu dem Thema gab, sofort, ohne Verzug, in derzeit über 30 Sprachen und in erstaunlich guter Qualität. Samt Logo auf Wikimedia Commons, Typeface used by Süddeutsche Zeitung in the original leak, angeblich soll es unter Public Domain stehen, because it is ineligible for copyright. Und dann heißt es da: Am 3. April 2016 präsentierten 109 Zeitungen, Fernsehstationen und Online-Medien in 76 Ländern gleichzeitig die ersten Ergebnisse. Stimmt. In einem Online-Medium sogar in mehr als 30 Sprachen, als Teil der begleitenden Social-Media-Kampagne.
Immerhin, auf SWR2 findet man ein Gespräch über die Krise des Qualitätsjournalismus. War da was?
Mittwoch, 30. März 2016
Neues von den Suchmaschinen
Zum 20. Geburtstag der Metasuchmaschine MetaGer hat Wolfgang Sander-Beuermann einen Blick auf die Geschichte der Suchmaschinen zusammengetragen, den man in dem dazugehörigen Wikipedia-Artikel nicht findet:
- 1993 Am MIT in den USA, wird der erste Webcrawler entwickelt: "World Wide Web Wanderer"; in Stanford startet Suchmaschine "Excite"; eingestellt vor vielen Jahren
- 1994 "Yahoo" startet in Sunnyvale Kalifornien: zuerst als Verzeichnisdienst
- 1994 "WebCrawler" startet an der Univ. of Washington mit Volltext-Indexierung; eingestellt vor vielen Jahren
- 1994 "Lycos" startet an der Carnegie Mellon University; eingestellt vor vielen Jahren
- 1995 "Altavista", Kalifornien: die erste Suchmaschine, die versucht, das gesamte WWW zu erfassen; eingestellt 2013
- 1996 An der Uni Hannover geht "MetaGer" ans Netz
- 1996 Als erste Deutsche Suchmaschine mit eigenem Index startet "Eule"; eingestellt vor vielen Jahren
- 1997 An der TU Berlin startet "Fireball"; eingestellt ca. 2009
- 1998 "Google" geht ans Netz, Stanford, Kalifornien
- 2000: in Deutschland: "Aladin", "Dino", "Crawler", "Kolibri" ... eingestellt vor vielen Jahren
- 2003 "Seekport", Deutschland; eingestellt ca. 2009
Also: Herzlichen Glückwunsch, MetaGer! Die Metasuchmaschine ist gerade völlig neu programmiert worden, und die Oberfläche hat auch ein Facelifting erhalten. In der Hilfe findet man auch einige Tips für die Arbeit mit MetaGer. Beispielsweise kann man durch einen Klick auf das kleine schwarze Dreieck neben einem Suchergebnis eine neue Suche starten und dabei die jeweilige Domain ausschließen oder die Suche auf diese beschränken. MetaGer speichert keine personenbezogenen Daten über die Benutzer und bietet auch einen TOR-Hidden-Service an. Einen Rückblick speziell auf die Geschichte von MetaGer findet man ebenfalls im Blog von SUMA-EV, dem gemeinnützigen Betreiber.
Währenddessen wurde die Metasuchmaschine Ixquick eingestellt. Der niederländische Betreiber spricht zwar vom „Zusammenlegen“ mit dem Portal Startpage. Es läuft aber auf eine Einstellung von Ixquick hinaus, denn Startpage bleibt bestehen und Ixquick liefert seitdem nur noch Startpage-Ergebnisse. Startpage ist ein anonymisierendes Interface zur Google-Suche. Mit anderen Worten: Wer Google über Startpage abfragt, erhält die Ergebnisse, die Google für die Filterbubble der Startpage-Benutzer bereithält.
Ich bevorzuge MetaGer. Oder DuckDuckGo.
Samstag, 26. März 2016
TeX und Typographie zu Ostern
- Diese Nachrichtensammlung zu Ostern beginnt mit einer traurigen Meldung: Simon Cozens hat auf der TeX-Live-Mailingliste bekanntgegeben, daß Sebastian Rahtz am 15. März 2016 an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben sei. Sebastian Rahtz hatte die TeX-Distribution TeX Live im Jahr 1996 gegründet. Er war Mitautor des LaTeX Graphics Companion und des LaTeX Web Companion. Auch das Paket hyperref geht auf ihn zurück. Auf der Website der TeX Users Group findet man ein Interview, das Dave Walden 2009 mit Sebastian Rahtz geführt hatte.
- Jörg Kantel erklärt in zwei Beiträgen, wie er Gnuplot auf OS X Mavericks mithilfe von Homebrew installiert hat und wie schön man damit spielen kann. Näheres auch in seinem Wiki.
- Das Biblatex-Team lädt ein zu einer Umfrage, um die weitere Entwicklung des Pakets besser auf die Bedürfnisse der Benutzer ausrichten zu können. Das Team ist daran interessiert, ob es sich weiterhin lohne, BibTeX als Backend zu Biblatex zu unterstützen oder ob es ausreiche, hier auf Biber zu setzen. In letzterem Fall: Welche Features in der Praxis am wichtigsten seien.
- Die Builds für TeX Live 2016 haben begonnen, schreibt Karl Berry auf mehreren Mailinglisten. Auch der Plan für den 2016er Jahrgang wurde bekanntgegeben. Demnach ist vorgesehen, TeX Live 2015 am 4. April 2016 einzufrieren und die Pretests für 2016 aufzunehmen. Am 22. Mai soll das Image für die TeX Collection fertig sein. Vorgesehenes Release-Datum ist nach derzeitigem Stand der 8. Juni 2016.
- Im Frankfurter Museum Angewandte Kunst wurde gerade die Ausstellung Alles neu! 100 Jahre Neue Typografie und Neue Grafik in Frankfurt am Main eröffnet. Darauf weist Martin Schröder auf der Mailingliste TeX-D-L hin. Die Ausstellung präsentiert als Ausgangspunkt eine Auswahl aus der umfassende[n] Sammlung von Geschäfts- und Privatdrucksachen aus dem Nachlass des Buchdruckermeisters und Schriftsetzers Philipp Albinus, einem der wichtigsten Vertreter der „Neuen Typographie“. Sie verfolgt den Beginn und die Entwicklung von Buchgestaltung und Grafik in Frankfurt, aber auch an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main, von den 1920er Jahren über die Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Im Newsroom auf der Website des Museums findet man Pressebilder und den Pressetext. Der Katalog zur Ausstellung ist in der av edition Stuttgart erschienen (bis 21. August 2016).