albatros | texte
Montag, 30. März 2015

China blockiert weniger

Dank einem Hinweis in der Mailingliste Wikisouce-l fällt der Blick auf einen Schauplatz im fernen Osten. Die Internetzensur in der Volksrepublik China und die dortigen Sperrungen von Wikipedia sind ein Kapitel für sich. Bei der Wikimania in Hongkong gab es einen Vortrag zum Thema. Es gibt Neuigkeiten zum aktuellen Stand. Einer Anmerkung in einem Ticket auf Phabricator zufolge, würden derzeit „nur“ die chinesische Wikisource (sic!), die chinesische Wikinews (sic! sic!) und die uigurische Wikipedia blockiert, heißt es auf der Liste. Und auf Phabricator freut man sich, dass die englische mobile Wikipedia in China genutzt werden könne.

Zuerst im Wikipedia:Kurier, 29. März 2015.

Samstag, 28. März 2015

Die Schrift wird zum Leben II

Der Perlentaucher verlinkt heute einen Text von Arno Widmann über Heinrich von Kleists „Berliner Abendblätter, 1810–11“. Widmann schreibt: „Wer heute auf die ‚Berliner Abendblätter‘ zurückschaut, der sieht, dass sie ein Blog waren – vor der Erfindung, ja vor der Möglichkeit des Blogs. Kleist war freilich klug genug zu wissen, dass sein Blog nur erfolgreich sein konnte, wenn er ihn öffnete für Trivialitäten. Er wusste, dass nicht alles zu einem Artikel geformt werden muss. Die bloße Aufzählung von Ereignissen, der wortgetreue Abdruck eines Verhörs beflügelt die Fantasie eines Lesers manchmal mächtiger als die flammendste Rede. Kleist hat in den Berliner Abendblättern erbarmungslos nachgedruckt aus anderen Zeitungen, er hat jeden Tag eine kleine Welt zusammengestellt aus den Welten, die ihm zugänglich waren. Das reizte ihn, das machte ihm Spaß.“ Wie uns ja auch, deshalb dies lange Zitat. Auch Kleist, also, ein Blogger. Natürlich. Widmann findet ein Faksimile auf archive.org – man wähle PDF, die EPUB-Version läßt sich mit Calibre leider nicht öffnen.

Lieber nicht

Auf einer Website gibt es zwei Gruppen von Interviews und Interviewten. Man kann wählen zwischen: „Querdenker & Visionäre“ sowie „Mahner & Bewahrer“. – Nein, danke, ich möchte lieber nicht.

Mittwoch, 25. März 2015

Ende März

Nach dem übermütig-warmen Nachmittag verschwindet die Sonne brüsk hinter den Wolken, und das Zwitschern der Vögel verstummt im kalten Wind.

Dienstag, 24. März 2015

Wie in einer Zeitblase

In einem Interview mit Zeit Online hat Oliver Rohrbeck über die Produktion der Drei ??? erzählt, sie würden heute immer noch wie in den 1970er Jahren vorgehen. Er fühle sich dabei „wie in einer Zeitblase“. Die Drei ??? kenne ich nicht, aber ich erinnere mich an die Hörspiele der Fünf Freunde aus dieser Zeit, in denen Rohrbeck den Julian sprach. Seine Produzentin sei heute immer noch Heikedine Körting (!), und sie arbeiteten mit analogen Bändern. Alle Schauspieler seien gleichzeitig im Studio anwesend, die Geräusche kämen ebenfalls von Band. Und obwohl zwischen den ersten und den neuesten Aufnahmen ein Zeitraum von 35 Jahren liege, betrage die erzählte Zeit insgesamt nur fünf Jahre. Und auch ich fühle mich wie in dieser Zeitblase, wenn ich den Text lese, und denke zurück an die vielen Stunden, die ich mit den Hörspielen damals verbracht hatte. Denke an die Fünf Freunde und an die Science-Fiction-Serien um Mark Brandis und Commander Perkins, die ich teils gelesen, teils als Hörspiel gehört hatte. Auf Musik-Kassetten, die ich schon ganz lange nicht mehr habe. Auf Kassettenrekordern, die man sich heute rein technisch kaum noch vorstellen könnte. Aber in meiner Erinnerung gibt es sie noch, als wäre die Zeit stehengeblieben, als würde sie nie weitergehen, zieht es mich in die Vergangenheit, drehe ich mich beim Lesen des Beitrags wie in der Schneekugel einer nicht endenden Geschichte, die ja mein Leben ein Gutteil mit geschrieben hat.

Donnerstag, 12. März 2015

Kersch, Karsch, Korsch und Kirsch XVI

„Bemerken Sie, daß es kaum etwas Wichtigeres gibt, als auf sich selbst zu achten?“ fragte Karsch. „Aufzupassen, daß alles, was man tut, stimmig ist mit dem eigenen Gefühl und daß es zum eigenen Leben paßt. Daß es sich nicht anrät, Differenzen, wie klein auch immer sie sein mögen, unter den Teppich zu kehren und so zu tun, als gäbe es sie nicht.“ – Korsch nickte langsam und schaute lange aus dem Fenster. – „Daß man seinem Herzen folgt. Es ist wahr.“

Sonntag, 30. November 2014

Radfahren, um zu lesen

Gestern beim Joggen gesehen: Eine schon etwas ältere Dame überholt mich auf ihrem Fahrrad. In der rechten Hand, die sie von oben auf den Lenker drückt, hält sie ein Buch. So fuhr sie lesend, aber aufmerksam und routiniert durch den Wald.

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Zeit zum Nachdenken

Harper's Weekly Review zitiert diese Woche eine Meldung über eine sechsundzwanzigjährige Chinesin, die eine Woche in einem Kentucky Fried Chicken am Bahnhof von Chengdu verbracht hatte. Nachdem ihr Freund sich von ihr getrennt hatte, reagierte sie mit einer akuten Depression und konnte nicht mehr zur Arbeit fahren, heißt es in dem Beitrag. Sie ging in das Fastfood-Restaurant und blieb dort eine Woche lang sitzen, bis sie dem Personal auffiel, so daß auch die örtliche Presse über sie schrieb. Wegen der Wechselschichten in dem rund um die Uhr geöffneten Laden habe man sie erst nicht bemerkt, aber nach ein paar Tagen sei sie ihnen irgendwie bekannt vorgekommen, hieß es. Eine Heimkehr in ihre Wohnung erschien ihr nicht gangbar, weil sie dort ständig an ihren Freund erinnert worden wäre. Also blieb sie sitzen, wo sie war, denn sie habe bemerkt, daß sie Zeit zum Nachdenken brauche. Schließlich entschloß sie sich, zu ihren Eltern zu fahren, und verließ den Imbiß.

Mittwoch, 23. Juli 2014

Tag, mitten in der Nacht

In der dunklen Renne-Bahn glimmt ein Licht, das Dir zeigt, wo der Weg hinführt. Auch wenn Du es erst nach sieben Jahren bemerkst, es war die ganze Zeit schon da. Mach es heller, lauf' darauf zu, mach es ganz hell jetzt, damit alle es sehen. Alles wird Licht. Und es wird noch einmal Tag, mitten in der Nacht.

Donnerstag, 19. Juni 2014

Unter dem Tor hindurch

Der Igel fiel mir auf, als ich die Straße entlang ging. Erst lief er unter das geparkte dunkle Auto, dann aber weiter, darunter hindurch und quer über den Fußweg, direkt auf das niedrige Tor zu. Als ich mich immer mehr näherte, nahm er kurz Maß und lief dann mit voller Geschwindigkeit zu dem Tor, machte sich so schlank es ging und schlüpfte unter dem Tor hindurch, von mir weg. Das dürfte ihm nicht leicht gefallen sein, er kam gerade noch so hindurch und brachte sich vor mir, dem gefährlichen Menschen, in Sicherheit in Richtung Rasen und dann hinüber zur Hecke, unter der er kurz darauf wieder verschwand.

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