Keine Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse 2018
Nach mehreren Jahren konnte ich die Messe dieses Jahr leider nicht besuchen. Aber man verfolgt natürlich schon, was man so vorfindet im Netz, die „Narrative“ von den sechs Millionen verlorenen Buchkäufern über die letzten etwa fünf Jahre hinweg und von dem fehlenden Verlegernachwuchs und so weiter.
Die Verlagsbranche sucht nach ihrer Postwachstums-Strategie. Wenn man der New York Times glaubt, ist das ein Gemischtwarenladen, eine Buchhandlung im Hessischen ersetzt den Bäcker und den Metzger im Ort und reagiert damit auf den Umsatzrückgang bei den Büchern.
In Publishers Weekly kam die Nachlese schon am Freitagabend: Alles im grünen Bereich, stable for a fourth-straight year—a sign that the fair has found solid footing again after attendance declines in the recession-challenged years following the 2009 event. Ja, da war was, wenn es jetzt noch weiter geschrumpft wäre, wäre bald kaum noch was übrig, was den ganzen Bohei noch rechtfertigen könnte.
Während andere linke Verlage auf der Buchmesse waren, hielt sich Konkret dem teuren Trubel fern – und rang wegen einem Titelbild mit dem Presse-Grosso – anscheinend erfolgreich. Erfahrungen, die sonst nur Titanic trafen – aber das ist schon eine Weile her. Sonneborn aktualisiert derweil lieber einen Auftritt, den es Anfang der 1970er Jahre auf der Messe gab, als zuletzt jemand mit einer alten Uniform in Frankfurt unterwegs war. Das Originalfoto war bis heute in der Ausstellung mit Aufnahmen von Inge Werth aus der Zeit um 1968 im Frankfurter Museum Giersch zu sehen.
Und First Monday brachte rechtzeitig eine Themenausgabe zum digitalen Lesen – sehr zu empfehlen, im Anschluss an die Diskussion vom letzten Jahr.
Mal schauen, worum es im kommenden Jahr gehen wird.
Zotero mit Unpaywall
Eine kurze Durchsage: Zotero nutzt in der neuesten Version Unpaywall, um auf PDFs von Aufsätzen zuzugreifen, die von den Verlagen ansonsten hinter einer Bezahlschranke versteckt werden. Der Geist ist aus der Flasche, es gibt kein Zurück mehr. Die Paywall wird immer löcheriger und ist schon lange am Ende. Wer wird denn da noch prozessieren?
Aquamacs nicht kompatibel mit macOS Mojave
David Reitter weist auf der Mailingliste OS X Emacs darauf hin, dass Emacs 25 und 26 – also auch der aktuelle Aquamacs – nicht mit macOS Mojave kompatibel seien. Auf Nachfrage war die Rede von Problemen bei der Textdarstellung, ohne weitere Einzelheiten. Wer also mit Emacs teXt oder sonst arbeitet, sollte seinen Mac derzeit noch nicht auf das vergangene Woche veröffentlichte System upgraden.
Keine Zotero-Erweiterung mehr für Safari 12
Eine Woche vor dem Release von macOS Mojave hat Apple schon heute mehrere Updates für Sierra und High Sierra veröffentlicht, darunter auch den neuen Safari 12.
Da Apple sein Ökosystem immer mehr schließt, müssen nun alle Erweiterungen für Safari durch die AppStore bezogen werden. Frei verteilte Versionen von Safari-Erweiterungen mit der Dateiendung .safariextz funktionieren nicht mehr, sie werden beim ersten Start von Safari 12 deaktiviert und gelöscht.
Das betrifft einige weit verbreiteter Erweiterungen, in meinem Fall vor allem den Werbeblocker uBlock Origin und den Connector zu der Literaturverwaltung Zotero.
Im Zotero-Forum wird darüber schon seit Juni diskutiert, und die Entwickler haben sich dafür entschieden, das Bookmarklet zu überarbeiten, mit dem man aus Safari in die lokale Zotero-App speichern kann. Beim nächsten Synchronisieren wandern die neu erstellten Einträge dann in die ggf. angebundene Cloud. Eine Zotero-Erweiterung für die AppStore soll es aber nicht mehr geben.
Wer also weiter mit Safari und Zotero arbeiten will, bleibt nur der Workaround über das Bookmarklet. Der weitere Betrieb von Safari 11 unter Sierra und High Sierra ist möglich, aber aus Sicherheitsgründen nicht zu empfehlen. Wer flexibler ist, kann stattdessen den Webbrowser wechseln und Firefox oder Google Chrome einsetzen, denn deren Zotero-Erweiterungen funktionieren natürlich weiterhin klaglos.
Horrido
Das ist ja ein richtiger Aufbruch, die Rückkehr von Jürgen Siebert zu seinem Fontblog: Man bloggt wieder, man liest wieder, die Menschen nehmen sich wieder Zeit dafür. So ist es. Und NetNewsWire ist auch wieder da, liest man dort, Brent Simmons macht auch weiter. Wenn ich auch mit Vienna ziemlich glücklich bin. Und Fefe gefällt die Beta-Version der neuen ARD-Mediathek – leider ohne den täglichen Newsletter zum Radioprogramm, den ich viele Jahre abonniert hatte. Am 16. August 2018 wurde er ganz still beerdigt. Noch gibt es radio.ard.de, mein Profil sei aber gelöscht worden, schreiben sie mir. Ich weiß noch nicht, wie ich jetzt meine Lieblingssendungen quer durch die Republik verfolgen werde – ist ja nicht alles als Podcast zu abonnieren. Aber die Mediatheken sind wohl insgesamt auf dem richtigen Weg – wie man an dieser drei Jahre alten Sendung zu Patricia Highsmiths Todestag sieht. Das wäre vor noch nicht allzulanger Zeit nach einer ebensolche schon gelöscht worden. Wenn sie jetzt noch endlich mal eine brauchbare Suchfunktion einbauen würden, die mich von MediathekView unabhängig macht, auch fürs Radio, könnte man ins Gespräch kommen. Abschließend, das darf man nach einer gewissen Absenz doch noch nachtragen: Jörg Kantel freute sich vor einer Woche über einen Backlink vom großen Dave Winer – Horrido! :)
Firefox beerdigt RSS-Feeds
Vielleicht hat es der eine oder die andere noch nicht bemerkt: Firefox beerdigt RSS- und Atom-Feeds ab Version 63/64, die Ende des Jahres veröffentlicht werden. Betroffen sind sowohl die Darstellung im Browser als auch die Live-Bookmarks. Einen Ersatz für die bisherige Implementierung gibt es nicht. Nach der Umsetzung wird man Feeds in Firefox nur noch per Extension lesen können, die derzeit verfügbaren Erweiterungen sind aber eher darauf angelegt, einen möglichst vollständigen Feedreader im Webbrowser bereitzustellen, eine leichtgewichtige Lösung wie den bisherigen Standard gibt es nicht. Nach der Entfernung des Feedreaders werden die Bookmarks in eine OPML-Datei exportiert, die man in einer anderen Anwendung importieren kann, falls man das möchte.
Sören Hentzschel erklärt und verteidigt in seinem Blog den Hintergrund zu der Entscheidung aus der Sicht von Mozilla: Betroffen seien nur 0,1 Prozent der Benutzer, und die Komponenten, auf denen der Feedreader in Firefox aufbaut, ständen der Modernisierung des Webbrowsers im Wege. Eine Neuentwicklung des Feedreaders lohne sich nicht.
Angesichts dessen möchte ich nun nicht gleich den Untergang des Abendlands vorhersagen, aber eine Unterstützung des freien und offenen Webs, die sich Mozilla immer wieder auf seine Fahnen und in seine PR geschrieben hat, sähe natürlich ganz anders aus. Darüber hatte ich schon 2016 geklagt. Firefox entfernt sich damit immer mehr von einem effizienten Arbeitspferd für den Webworker und für die offene Gesellschaft – und gerade in einem Augenblick, in dem die Wiederkehr der Feeds angesagt ist, werden sie von Mozilla nicht mehr unterstützt. Damit fällt eine Technik aus, die es ermöglicht, sich abseits von verzerrenden und manipulierenden Algorithmen in Suchmaschinen und auf Sozialen Netzwerken zu informieren. So etwas sollte standardmäßig zur Verfügung stehen, nicht erst als eine nette Bastelei, die man erst einmal finden und hinzu installieren muss. Meine Erfahrungen aus acht Jahren IT-Schulungen in der Erwachsenenbildung zeigt, dass die Mehrheit Webfeeds nicht kennt, wenn man es den Menschen aber erklärt und zeigt, verstehen sie die Technik und ihren Nutzen sofort und setzen sie auch ein.
Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass auch FTP schrittweise aus Firefox entfernt wird?
TUG2018 und Aquamacs 3.4
Auch bei der anhaltenden Hitzewelle gibt es Neues zu LaTeX und Umfeld zu vermelden:
-
Die Jahrestagung der TeX Users Group TUG2018 fand am vergangenen Wochenende in Rio de Janeiro statt. Sie wurde drei Tage lang live auf YouTube übertragen, und die einzelnen Beiträge sind seit vorgestern im Kanal des Instituto de Matemática Pura e Aplicada abrufbar – wenn ich es richtig sehe, wurden sie in der Reihenfolge des Programms eingestellt. Dort sind die Abstracts verlinkt, zu einigen Beiträgen gibt es Preprints der dazugehörigen Proceedings, die demnächst in der Zeitschrift TUGboat erscheinen werden. Hervorzuheben sind die beiden Vorträge von Frank Mittelbach über A quarter century of doc und über Compatibility in the world of LaTeX sprach. Den Preprint A rollback concept for packages and classes gibts schon länger auf der Website des LaTeX Project zu lesen. Hinzu trat in diesem Jahr die Beschäftigung mit barrierefreien PDFs, die pdfLaTeX nicht out of the box erzeugen kann. Weil sie immer öfter für digitale Veröffentlichungen nachgefragt (und teilweise aufgrund gesetzlicher Vorschriften an vielen Universitäten bzw. in vielen Ländern verlangt) werden, kommt aber auch die TeX-Gemeinde nicht mehr um sie herum. Ross Moor sprach über Authoring accessible `Tagged PDF' documents using LaTeX und Sandro Coriasco stellte in An automated method based on LaTeX for the realization of accessible PDF documents containing formulae das neue Paket axessibility vor – dazu heute ein Nachtrag von Anna Capietto in der Mailingliste accessibility. Joseph Wright hat in seinem Blog über die drei Tage der Tagung berichtet.
-
Am Rande der Konferenz hat Stefan Kottwitz die Eröffnung seines dritten lokalisierten TeX-Webforums bekanntgegeben. Nach der deutschen TeXwelt und der französischen TeXnique gibt es nun auch latex.net.br in brasilianischem Portugiesisch.
-
Und heute, schließlich, hat David Reitter Aquamacs 3.4 veröffentlicht. Der neue Release beruht nicht auf dem neuesten Emacs 26, sondern noch auf dem Vorgänger GNU Emacs 25.3.50. Es ist gleichwohl kein reines Update, sondern bringt auch ein paar Veränderungen unter der Haube mit. So wurde das Scrollen mit dem Touchpad besser an den Mac angepasst. Außerdem wurde die Druckausgabe deutlich verbessert. AUCTeX hat jetzt Version 12.1. Wer mehr über den Ansatz von Aquamacs erfahren möchte, möge die Übersicht der Features nachlesen. An der Konfiguration hat sich nach meinem ersten Eindruck nichts geändert; die Aquamacs-Seiten, die David Reitter im EmacsWiki pflegt, sind auch unverändert geblieben. Viel Zeit für einen Test gab es nicht: Der Release folgte dem Pretest schon nach einem Tag. Ich verwende Aquamacs schon mehrere Jahre, allerdings ohne die macOS-Anpassungen; wie man sie los wird, erklärt der Entwickler im EmacsWiki. Aquamacs läuft ab macOS 10.9. Mehr über den Hintergrund hatte ich 2015 geschrieben. Das Konkurrenzprojekt ist Emacs For Mac OS X, das keinerlei Erweiterungen und eigene Konfiguration bereitstellt, sondern nur die Emacs-Binaries für den Mac.
Georg Schramm: Zur Lage der Welt
Eine etwa 20-minütige Rede, die Georg Schramm Ende Mai 2018 bei der 50-Jahr-Feier von medico international gehalten hatte:
Englische TeX-FAQ neu aufgesetzt
Die große Zeit der FAQs ist eigentlich vorbei. Ihr Ursprung lag in den Mailinglisten und im Usenet, wo die Regulars es leid waren, immer wieder dieselben Fragen zu beantworten. Deshalb stellten sie Listen zusammen von häufig gestellten Fragen und häufig daraufhin gegebenen Antworten. Sie werden noch heute bei faqs.org gesammelt, aber man sieht, das letzte Update liegt schon eine Weile zurück.
Die deutsche TeX-FAQ Fragen und Antworten (FAQ) über das Textsatzsystem TeX und DANTE, Deutschsprachige Anwendervereinigung TeX e.V. von Bernd Raichle, Rolf Niepraschk und Thomas Hafner wurde bis 2003 in elf Teilen in de.comp.text.tex gepostet, meistens sonntags, und das war aufgrund der langen Haltezeiten auf den Newsservern ein zentraler Informationskanal. Daneben gab es Fassungen als PDF auf CTAN und in HTML für das Web.
Mit dem Aufkommen der Wikis in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre ließ das Interesse an den FAQs nach. Gleichzeitig sank die Bedeutung des Usenets. Die Blogs und die Webforen traten an seine Stelle, später auch die Sozialen Netzwerke. Außerdem wurde nun gegoogelt; das Suchen ersetzte die Diskussion. Seit Ende der 2000er-Jahre gab es wieder einen regelmäßigen Pointer in de.comp.text.tex, der aber keine Inhalte mehr bereitstellte, sondern, wie der Name schon sagt, nur auf Ressourcen im Web verweist. Die Einführung in dctt wurde wohl bis Dezember 2015 gepostet.
Nach einem Intermezzo im Vereinswiki von DANTE kam es zum vollständigen kollaborativen Neuschrieb der deutschen FAQ auf texfragen.de, begonnen von Patrick Gundlach und seit 2017/2018 fortgeführt von Stefan Kottwitz. Ein PDF-Export aus dem Dokuwiki steht auf CTAN bereit, derzeit allerdings auf dem Stand von 2013. Das Wiki ist also aktueller als der auf CTAN verfügbare Export.
Daneben gab und gibt es die umfangreiche und – ich glaube, man kann es mit Recht so sagen – bis heute nicht erreichte UK TeX FAQ, in der Robin Fairbairns zuletzt 469 Fragen und Antworten nicht nur gesammelt, sondern auch in eine sehr lesbare Form gebracht hatte. Aus Robins FAQ hatte auch ich über die Jahre immer wieder einiges gelernt. Leider stammt die letzte Fassung in der Version 3.28 aus dem Sommer 2014, was in der heutigen Zeit auch in der TeX-Welt schon ein ziemlich langer Moment ist. Robin Fairbairns hat zudem, seit er den Ruhestand angetreten hatte, seine Mitarbeit im CTAN-Team und seine Beiträge für die FAQ eingstellt.
Zum vierten Jahrestag der Veröffentlichung der letzten Fassung haben nun David Carlisle, Stefan Kottwitz, Karl Berry und Joseph Wright bekanntgegegen, dass sie die englische FAQ weiter pflegen möchten – die Liste der bisherigen Beiträger aus früheren Tagen ist freilich etwas länger. Um die Textsammlung weiter bearbeiten zu können, wurden die Quellen nach Markdown konvertiert und in ein Repository auf GitHub übetragen. Mittels GitHub Pages kann die FAQ von dort aus unmittelbar und ohne einen weiteren Zwischenschritt gehostet und unmittelbar als Website gelesen werden. Die kanonische URL ist von nun an texfaq.github.io bzw. texfaq.org. Und auch der Name wurde leicht geändert: Aus UK TeX FAQ wurde The TeX Frequently Asked Question List.
Und obwohl, wie eingangs erwähnt, die FAQs durch die Webforen und die Suchmaschinen, die heutzutage fast alle Fragen direkt und schnell beantworten, etwas an den Rand gedrängt worden sind, ist dies alles ganz sicherlich eine gute Nachricht, denn eine freie und aktuelle Referenz zu TeX & Friends ist weiterhin sehr wünschenswert und auch notwendig. Ein längerer Text, der Grundlagen erklärt, Zusammenhänge herstellt und der auch gut lesbar ist.
Kritisch angemerkt sei die Frage, ob man für das Hosting tatsächlich auf die Infrastruktur eines kommerziellen Dienstes zurückgreifen sollte oder ob es nicht doch vorzugswürdig wäre, die Web-Version auf einem eigenen Hosting zu betreiben? Oder gleich auf CTAN? Es sollte heute eigentlich kein Problem mehr sein, zumindest tägliche Snapshots aus einem Repositorium auf CTAN für das Web zu spiegeln.
Update 13. Juni 2018: Ich vergaß ja ganz, dass es auch etwas wirklich Neues in Bezug auf die englische FAQ anzumerken gibt: Sie wurde nunmehr unter eine CC-0-Lizenz gestellt.
Yahoo Messenger, 1998–2018
Nach 20 Jahren schließt Yahoo seinen Instant-Messaging-Dienst.
In der Diskussion dazu beschreibt ein Teilnehmer am Heise Forum die Entwicklung:
Als Urgestein würde ich IRC bezeichnen und das lebt immer noch, auch wenn es nicht mehr sehr verbreitet ist.
Sterben tun nicht die Standards, sondern proprietäre Dienst unter Kontrolle einer einzelnen Firma werden abgeschaltet, wenn sie keine Gewinne mehr einfahren. Ein offener Standard ohne zentrale Verwaltung kann nicht abgeschaltet werden. Es können höchstens die Nutzer ausbleiben.
Er empfiehlt Matrix zum Chatten; kann aber noch mehr.