Probleme bei Tor Browser 5.0 und Firefox 40
Heute zwei Upgrades mit Problemen:
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Tor Browser 5.0 unterdrückt nicht mehr die eindeutige ID beim Surfen. Außerdem wird in den Einstellungen das Häkchen nicht angezeigt; man weiß daher nicht, welche der Optionen gerade aktiv ist. Beides getestet unter OS X Mavericks 10.9.5. Habe daher wieder auf Version 4 zurückgeschaltet und natürlich einen Bugreport geschrieben. – Update, 15. August 2015: Es hat doch einige Berichte über diese und weitere Probleme mit der Version 5.0 gegeben. Ärgerlich ist auch, daß diese Version in Zukunft automatisch Updates einspielen soll, ohne Kontrolle durch den Benutzer. Es könnte sein, daß Version 4.5 für eine Weile die letzte war, die man empfehlen kann.
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Firefox 40 beschwert sich über nicht-signierte Add-ons. Dazu gehören auch HTTPS-Everywhere und der Privacy Badger, beide von der EFF. – Update, 15. August 2015: It's not easy.
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Abgesehen davon telefoniert Firefox 40 Download-Daten automagisch an Google – man wird sehen, wie wir das wieder abschalten. Falls nein, gibt es für Downloads ja immer noch wget und curl.
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Ist Firefox am Ende? – Update, 15. August 2015: Hier läuft Firefox 40 auf manchen Websites mit einer ziemlich konstanten CPU-Last von 25 Prozent. Das kann ja wohl kein Dauerzustand sein.
Dialektik der Unruhe
Cornelia Coenen-Marx nähert sich im SWR2 Forum vom 11. August 2015 zum Thema „Ist der Mensch zur Unruhe verdammt?“ der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation schon ziemlich gut an:
Wir erleben das ja im Augenblick, daß viele Menschen sich fragen, ob zum Beispiel das Wachstumsversprechen oder das Versprechen, viele Optionen zu haben, tatsächlich noch hält. Oder ob das Versprechen, alles wissen zu können, tatsächlich noch hält. Indem wir nämlich Menschen sehen, die arbeitslos sind – trotzdem dauernd den Schrei nach Wachstum. Indem wir erleben, daß unsere Wissensgesellschaft im Internet gleichzeitig uns dazu zwingt, Daten und Privates aufzugeben. Indem wir eben erleben, daß man nicht alles haben kann, wie neuerdings in der Frauenbewegung immer wieder betont wird, also nicht Kind und Karriere und Familie – alles auf einmal. Sondern daß man wählen muß, und damit genau diese Fesselungen, Verbindlichkeiten erlebt … daß aber Leben offensichtlich ohne Wahl, ohne Verzicht, ohne Festlegung, ohne Rahmenbedingungen überhaupt nicht möglich ist. Und das Problem, was ich im Augenblick sehe, ist, daß viele, insbesondere auch jüngere Leute, diese Fragen stellen, daß wir aber offensichtlich als Gesellschaft keine Antwort haben. Also, wir diskutieren über Transformation und Veränderung in der Transformation im Hinblick auf Klima, im Blick auf Generationengerechtigkeit, im Blick auf globale Gerechtigkeit, aber man sieht Politik, man sieht Wissenschaft zu, und außer einigen Fragen gibt es wenig Antworten.
Wir erleben gewissermaßen das Ende der Moderne, die gekennzeichnet war als ein Zwang, zwischen Optionen auswählen zu müssen. Die fremdbestimmten Festlegungen nehmen wieder zu. Es gilt, sich zu erkennen und sich hiergegen zu behaupten.
Drohnenflug um die Freiburger UB herum
Jürgen Plieninger verdanken wir den Hinweis auf diesen Rundflug einer Drohne um das neue Gebäude der UB Freiburg im Breisgau. Fünf Jahre, nachdem ich das letzte Mal in Freiburg war, muß ich sagen, ich bin sehr beeindruckt. Außerdem kann Amazon in Sachen Drohne ja nun einpacken, nicht nur zur Sommerzeit bei oberrheinischen Temperaturen.
Der tiefe Graben
In einem differenzierten Beitrag beschreibt Farhad Manjoo in der New York Times die europäisch-amerikanische Debatte um das Recht auf Vergessenwerden, die sich zwischen dem europäischen Datenschutz und dem amerikanischen Schutz von private information einerseits sowie der Informationsfreiheit andererseits bewegt. Google-Berater Jimmy Wales kommt auch darin vor, auf der Seite der amerikanischen Datenschutz-Gegner und -Nichtversteher.
Anlaß für Manjoos Betrachtung ist ein Vorstoß der französischen Datenschutzbehörde CNIL gegenüber Google, die von den Betroffenen monierten Suchtreffer nicht nur aus den Portalen zu entfernen, die sich an ein europäisches Publikum richten, sondern diese auch aus der „amerikanischen“ Ausgabe unter der URL google.com zu tilgen. Google hat das abgelehnt, jedoch die Einschläge kommen näher. Es dämmert nun auch den bedächtigeren Beobachtern auf der anderen Seite des Atlantiks, daß ein einheitliches Internet keine Einbahnstraße sein kann. Es könnte durchaus soweit kommen, daß europäische Behörden und Gerichte darüber entscheiden, welche Suchtreffer amerikanische Internetfirmen an amerikanische Benutzer ausliefern dürfen.
Petition für Netzpolitik.org
Der Online-Petition, die die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Netzpolitik.org fordert, haben sich bisher nur wenige Blogger angeschlossen. Bisher gibt es derzeit 845 Unterzeichner, stetig zunehmend, außerdem die Erstunterzeichner, die wohl aus dem engeren Netzwerk von Netzpolitik.org stammen. Viele Unterstützer kommen aus dem IT-Bereich, aber nicht nur. Es dürfte richtig sein, sich ihnen anzuschließen. Bloggen und twittern reichen nicht aus, um politisch wirksam zu werden. Grundrechte werden nicht dem Passiven gewährt, sie müssen aktiv erkämpft werden, und zwar immer wieder, auch und gerade gegen einen zunehmend repressiv auftretenden Staat. Man muß die Kräfte unterstützen, die Aufklärung betreiben.
Gleichzeitig gilt es aber auch, die weiteren politischen Entwicklungen im Auge zu behalten. Die Krise in Griechenland hat sich mittlerweile nachteilig auf den Erfolg linker Parteien in anderen südeuropäischen Ländern ausgewirkt.
Anmerkungen zum Fall Netzpolitik.org
Einige Anmerkungen zu der Diskussion um das Ermittlungsverfahren gegen netzpolitik.org wegen des Verdachts des Landesverrats:
- Die strafrechtlichen Vorwürfe sind offenbar unhaltbar. Das spricht für ein politisch motiviertes Verfahren, das rechtsstaatlichen Maßstäben nicht genügt. Der Generalbundesanwalt geht in Wildwest-Manier vor, ohne Beachtung der jüngeren Verfassungsrechtsprechung und der Literatur.
- Immer wieder werden Parallelen zur Spiegel-Affäre von 1962 hervorgehoben, in deren Verlauf immerhin Rudolf Augstein und mehrere Redakteure inhaftiert worden waren. Soweit ist es hier noch nicht, und auch das gesellschaftliche Umfeld in der Merkelschen Berliner Republik ist ganz sicher nicht mit dem Adenauer-Deutschland vergleichbar.
- Die Blogger-Kollegen Beckedahl und Meister werden fast durchweg als „Journalisten“ bezeichnet. Damit verschwindet in der Berichterstattung die Grenze zwischen Bloggern und Journalisten. Das Blog eines Netzaktivisten wird mit kommerziellen Zeitungen sprachlich und hinsichtlich des damit verbundenen rechtlichen Status gleichgestellt. Daß ich das noch erleben darf.
- Die Netzpolitik wird im Jahr 2015, zwei Jahre nach dem Neuland-Zitat der Kanzlerin, zu einem Thema im Sommerloch, ist im Zentrum der politischen Debatte angekommen. Gleichzeitig wird der Ausfall der sozialen Netzwerke als einer Art „Speakers Corner“ deutlich: Viele wohlfeile Beiträge, die aus der oberflächlichen Aufgeregtheit des Moments hervorgegangen sind, wenig bis gar nicht reflektiert, in den seltensten Fällen sachkundig. Der Shitstorm als Normalfall reduziert die sozialen Netzwerke auf ein unsäglich blödes Palaver ohne Wert. Nachdenken und – in diesem Fall: strafrechtlich, strafprozeßrechtlich, verfassungsrechtlich – Einordnen, verbleibt den Fachbloggern. Denen soll man folgen. Netzpolitik.org zählt dazu.
- Gründliches Hinsehen dürfte sich beim Thema „Verbergen und Geheimhalten in der Republik“ lohnen, insbesondere im Überwachungsstaat. Wenn der Staat selbst definiert, was verborgen bleiben soll und gleichzeitig die Privatsphäre seiner Bürger seit längerem nicht mehr respektiert (vom Staatstrojaner bis zur Vorratsdatenspeicherung), stellt sich die Frage nach dessen effizienter Kontrolle. Die liegt institutionell bei der Justiz, die aber im Fall netzpolitik.org wiederum gegen die informelle Selbstregulierung der Gesellschaft durch kritische Medien in Stellung gebracht worden ist. So wird die Informationsfreiheit zum zentralen Merkmal der Rechtsbeziehung zwischen Staat und Staatsbürger, wird der Whistleblower als Held hingestellt, wird das Watchblog zum Normalfall – aber letztlich nur, weil die kommerzielle Presse seit langem als Kontrollinstanz weggefallen ist. Während es in den 1980er Jahren noch einen politischen Skandal nach dem anderen infolge von Presseveröffentlichungen gab, werden Politiker heute vom Guttenplag-Wiki zu Fall gebracht. Die Gleichstellung von „Blogger“ und „Journalist“ durch Journalisten will auch hierüber hinwegtäuschen: Den unaufhaltsamen Bedeutungsverlust der Massenmedien als Gatekeeper für den gesellschaftlichen Diskurs und für die politisch wirksamen Narrative.
Wikimania 2015
Long read for a stormy weekend: Ziko van Dijk berichtet in seinem Mexican diary über die Wikimania 2015, die vom 15.–19. Juli in Mexico City stattfand. Auch der Wikipedia Signpost bringt den ersten Teil seiner Berichterstattung über diesen großen Jahres-Event der globalen Wikipedia-Gemeinde, von dem es keinen Livestream und so gut wie keine Video-Aufzeichnungen gegeben hat: Da man sich im Hilton traf, fehlte am Ende das Geld für die Videoproduktion, und der Mitarbeiter, der das dann eigentlich für die Wikimedia Foundation in Do-it-yourself-Manier hätte besorgen sollen, war kurz vorher gegangen. Die Massenmedien haben in diesem Jahr gar nicht berichtet.
Trevor Paglen, „The Octopus“, im Frankfurter Kunstverein
Auf dem Chaos Communications Congress hat Trevor Paglen im Jahr 2013 einen Vortrag gehalten, in dem er seine Arbeit vorstellte; die Aufzeichnung der Präsentation wird in der Ausstellung „The Octopus“ im Frankfurter Kunstverein neben einer Auswahl seiner Arbeiten gezeigt.
Worum geht es?
Die Vereinigten Staaten – aber nicht nur sie – entführen laufend Menschen aus politischen Gründen, verschleppen sie in geheime Gefängnisse außerhalb ihres eigenen Staatsgebiets, foltern und verhören sie dort, zerstören damit Leben und stellen sich außerhalb des Rechts und der Menschlichkeit. In Deutschland bekanntgeworden ist insoweit vor allem der Fall El Masri. Aber auch das Lager in Guantanamo gibt es immer noch. Die Berichterstattung hierüber ist so umfangreich gewesen, daß man das heute nicht mehr als „Verschwörungstheorien“ abtun kann. Es handelt sich durchweg um eklatante Menschenrechtsverletzungen, die zu ächten sind.
Solche Aktionen hinterlassen Spuren. Dienstleistungen werden von privaten Firmen für den Staat erbracht, dafür gibt es Aufträge, hinterher werden Rechnungen gestellt, die einen Absender haben und einen Adressaten. Diese Briefe werden mit falschem Namenszug gezeichnet und befördert.
Kurz zusammengefaßt, greift Paglen solche Dokumente und sonstige Zeugnisse von Militär und Nachrichtendiensten auf, die von Whistleblowern beispielsweise über die Plattformen Cryptome oder Wikileaks veröffentlicht worden sind, und geht den darin enthaltenen Hinweisen auf solche geheimen Aktivitäten der Dienste nach. Einige der Dokumente, die Ausgangspunkt von Recherchen waren, werden in der Ausstellung gezeigt. Findet Paglen etwa den Sitz eines solchen „Contractors“, der Verschleppte im Flugzeug transportiert hat, photographiert er das Haus ebenso wie die Mitarbeiter und die Autos vor dem Firmengelände.
Das alles macht das Verborgene sichtbar, bringt es ans Licht, zeigt die Spuren, die auf das Geheime hinweisen, das längst den Alltag durchdringt. Dabei entstehen eindringliche Bilder, wie etwa die durch Langzeitbelichtung bei Mondlicht entstandene Photographie „They watch the moon“, die eine Abhörstation in den Wäldern von West Virginia zeigt, die dort weitab von allen Störsignalen Wellen empfängt, die vom Mond auf die Erde zurückgeworfen werden. Um das technisch möglich zu machen, wurde dort eine „National Radio Quiet Zone“ von 34.000 Quadratkilometern eingerichtet, die für die nötige elektromagnetische Stille sorgt. Die Antennen stehen ruhig inmitten der sanften grünen Hügel und lauschen ins All hinaus. Auf anderen Bildern sind Vorbereitungen für den Start von Drohnen zu sehen, die auf weit entfernten Militärbasen stationiert sind, welche man kaum noch optisch sehen und abbilden kann. Aufklärungs-Satelliten macht Paglen sichtbar, indem er ihre Bahnen am Sternenhimmel mit extrem langer Blende aufzeichnet. Drei eindringliche Nachtaufnahmen von Zentralen der amerikanischen Geheimdienste hat er unter CC0-Lizenz auf Wikimedia Commons freigegeben.
In der Mitte des ersten Raums steht ein Hotspot, der den Weg ins Tor-Netzwerk für jedermann eröffnet.
Julia Voss hat in der FAZ darauf hingewiesen, daß Trevor Paglen seine Aktionen über den Kunstmarkt finanziere: Künstler wie Paglen oder auch der Neuseeländer Simon Denny zapfen die fast unendlich scheinenden Ressourcen des Kunstbetriebs an, um Öffentlichkeit herzustellen. Originale oder Editionen werden zur Währung der investigativen Recherche.
Der Ausstellung, die im Rahmen der Photo-Triennale RAY 2015 im Frankfurter Kunstverein gezeigt wird, wünscht man viele Besucher, gerade auch aus dem Kreis der technikaffinen Gemeinde, die sonst kaum den Weg in die Kunst- und Kulturtempel findet.
Trevor Paglen, „The Octopus“, im Frankfurter Kunstverein noch bis 30. August 2015. – Siehe auch das umfangreiche Pressematerial.
This isn't just Greece III
Das alles geschieht im Hochsommer, und es zieht sich so lange hin, daß viele bei alledem schon kaum noch hinhören mögen. Aber es geht weiter. Das Institut Solidarische Moderne, ein Thinktank gegen den Neoliberalismus aus dem rot-rot-grünen Lager, hat gestern einen Appell gegen das Verhandlungsergebnis zwischen den Eurogruppe-Staaten und Griechenland veröffentlicht, der bisher in keiner größeren Zeitung, außer in der Online-Ausgabe des Neuen Deutschlands (sic!) erwähnt worden ist. Darin heißt es unter anderem zutreffend: Die Schwelle ist überschritten. Was Merkel und Schäuble am Verhandlungstisch durchsetzten, wurde von der SPD unterstützt und bleibt von der europäischen Sozialdemokratie unwidersprochen. Ihr historischer Niedergang wird weitergehen. Den Abgang hat sie selbst besorgt, uns bleibt, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Und Yanis Varoufakis hat den Text des Abkommens, über das heute abend im griechischen Parlament abgestimmt werden soll, auf seinem Blog in einer kommentierten Fassung veröffentlicht. – Was würde Karl Kraus in diesen Tagen schreiben? Würde er überhaupt noch etwas schreiben?