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Rückblicke

Heute ist es zehn Jahre her, dass der erste Blogpost bei TeX & Friends erschien. Damals gab es eine Inhaltsangabe der letzten Ausgabe der TeXnischen Komödie, aber auch schon ein Blick auf das TeX-affine Umfeld in Form von Erweiterungen, die es damals für OpenOffice.org gab. Übrig geblieben ist davon mittlerweile nur noch Writer2LaTeX, das es mittlerweile in Version 1.9.3 alpha gibt.

TeX & Friends war formal mein erstes Blog – wobei ich ja immer die Ansicht vertreten habe, dass das Blog nur eine Spielart des Schreibens in Datennetzen ist. Das Usenet und die Mailinglisten gingen ihm voraus, und wie bei jedem Medienwandel ersetzen neue Medien die alten nicht, sondern ergänzen sie. Die schneeschmelze folgte im Januar 2009, der albatros genau vier Jahre später, aber so richtig erst seit 2015.

Blogs sind Zeugnisse von Übergängen – gesellschaftliche ebenso wie persönliche. Man beginnt ein Blog, man führt es, es entwickelt sich, was die Frequenz und die Inhalte angeht, man schreibt mal mehr, mal weniger, vielleicht schreibt man eines Tages gar nichts mehr oder nimmt das Blog ganz vom Netz. Bekanntschaften entstehen, Blog-Nachbarschaften auch, und lösen sich wieder. Das Netz folgt den Regeln der bürgerlichen Gesellschaft, die „kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen [hat], als das nackte Interesse, als die gefühllose ‚baare Zahlung.‘“ Und das freie Netz, das es vor zehn Jahren durchaus noch gab, gibt es nicht mehr. Die Folge: Immer mehr ziehen sich in virtuelle Hinterzimmer zurück, in ein digitales Biedermeier von geschlossenen Gruppen, geschlossenen Mailinglisten, geschlossen halt. Immer mehr verschließen sich, der Diskurs im Netz, von dem ich einmal ein Teil war, löst sich auf und verschiebt sich in private E-Mail-Verteiler, wo man weiß, an wen man sich wendet. Die Sklavensprache nach außen, die vertraulichen Verteiler als engstes Band nach innen. Und der Ekel vor dem Netz, den Günter Hack im Dezember 2013 ausgemacht hatte, legt sich über all das und bedingt es.

Ich glaube, ich gehöre zu denen, die sich mittlerweile doch wenigstens ein bisschen ausgebloggt und auskommentiert haben. Man ist müde geworden, die 15 minutes of world-fame kennt man schon, und ich wundere mich über die Kolleginnen und Kollegen, denen ich schon so lange folge und die es immer noch schaffen, regelmäßig etwas zu veröffentlichen und immer so weiter zu machen wie früher, und wenn man ihre Blogs mitliest, meint man tatsächlich, es wäre alles noch wie damals, oder jedenfalls ganz ähnlich. Wie wenn da einer… Chapeau! Ich meine das sehr ernst, und etwas depressiv gestimmt, durchaus.

Simone Stratil hat ihr Blog Papiergeflüster im Oktober geschlossen. Ein Jahr, nachdem sie bereits an ihrer Rolle gezweifelt hatte. Zu dieser Buchmesse war es soweit. I bid you farewell.

Bei Robert Basics plötzlichem Tod Anfang November 2018 war dieser stille Punkt zu fühlen, als die Gemeinde, die man in dem Moment zu Recht auch so nennen sollte, Rückschau hielt auf den gemeinsamen Weg, die Richtung unbekannt, und, wenn man es genau nimmt, schon so viele sind zumindest aus dem Blickfeld verschwunden. Die Zeit ist lang geworden. Das „Berliner Buch“ Zero Comments von Geert Lovink datiert von 2008, es ist so alt wie TeX & Friends. Ich stieg also ein, als es schon zuende ging. Pardauz.

Zum Schluss noch ein paar TeX-Neuigkeiten: Die LaTeX News 29 beschreiben den Dezember-2018-Release von LaTeX2e. Und LyX 2.2.3 ist heute veröffentlicht worden.

Zeit für ein Update.

Handkes Tagebücher

Hat er als „Vorlass“ ins Literaturarchiv Marbach gegeben.

„Ich war nie in Versuchung, private Dinge aufzuschreiben“, sagt er. Dafür gewinnt man Einblick in das Intimleben der Sprache. An einer Stelle werden Verben bestimmten Substantiven zugesellt. Ein Verb für die Frau: „sie versteht“; ein Verb für die Musik Bachs: „das Zeitmaß geben“, ein Verb für die Erzählung: „sie greift ein“.

66 Hefte wurden schon in Marbach aufbewahrt; sie zählen zu den am häufigsten benutzten Beständen des Archivs. Insgesamt sind es jetzt 217.

Alles bleibt in Bewegung, nichts ist in diesem schönen Durcheinander fest, auch die Begeisterung für das Tagebuch als solches nicht.

Auch er, ein Blogger.

Kister, Stefan. 2017. Peter Handke in Marbach: Gesammelte Sternschnuppen. stuttgarter-zeitung.de. 19. Oktober. www.stuttgarter-zeitung.de (zugegriffen: 21. Oktober 2017). – via zkbw.

„Pioniere des Comic“ und „Der Farbholzschnitt in Wien um 1900“ in der Frankfurter Schirn Kunsthalle – zugleich ein Bericht vom Schirn Up im August 2016

Die Frankfurter Museen verfahren beim Umgang mit Bloggern recht unterschiedlich. Den Anfang bei den sogenannten Blogger Relations machte einst die Kunsthalle Schirn mit dem Bloggertreffen, zu dem im Juli 2012 während der Ausstellung von Jeff Koons unter hohem Mitteleinsatz eingeladen wurde. Die Erfahrungen waren damals doch recht gemischt. Die Blogger wurden seitdem von Schirn, Städel und Liebieghaus den Journalisten gleichgestellt und beispielsweise auf den Presseverteiler aufgenommen. Das Städel zog kurz darauf mit einem „Abend unter Freunden“ (sic!) nach. Seitdem tat sich dann aber nicht mehr so viel in Sachen user-generated content, Communities und Frankfurter Kultur. Während der Montmartre-Ausstellung gabs nochmal ein paar Gastbeiträge im SchirnMag (das mittlerweile leider mehr Wert auf Mobil-Tauglichkeit als auf seine Archiv- und Suchfunktionen legt, daher hier ohne Verlinkung). Die letzten Veranstaltungen, von denen man etwas hörte bzw. las, waren das MMK-Blog-Camp beim Museum für Moderne Kunst sowie, natürlich, der Social-Media-Abend zum Städel-Jubiläumsjahr, jeweils Ende 2015. Man durfte also gespannt sein, als die Schirn, zeitgleich zu einem Sommerfest, nach längerer Zeit einmal wieder zu einem exklusiven Schirn Up für Blogger, Twitterer, Instagrammer und, neu hinzugekommen, auch Snapchatter einlud. Und das machte mich denn auch neugierig, nach all der Zeit mal wieder einen Blick auf die Entwicklung zu werfen.

Wenn man sich das Ergebnis auf den sozialen Netzwerken anschaut, war es denn doch eine sehr bunte Mischung an Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die hier zusammengekommen waren, und aus der Rekrutierung, der Zusammensetzung, dem Ablauf und dem Ergebnis des Events kann man durchaus Rückschlüsse auf die Entwicklung und den derzeitigen Stand des Social Webs ziehen, die auch über den Kreis der in irgendeiner Weise Kulturinteressierten hinausgehen. Im Vergleich zum Anfang der Entwicklung vor vier Jahren ist es offenbar sehr viel schwieriger geworden, eine nennenswerte Zahl an qualitativ hochwertigen Beiträgern zu erreichen, die Spaß am Publizieren kultureller Themen im Netz haben. Dies, obwohl die Ankündigung zu der Veranstaltung über eine Vielzahl von Kanälen veröffentlicht worden war, von persönlichen Einladungen über die sozialen Netzwerke bis hin zur Ausstellungs-Website. Im Vergleich zu damals fehlten vor allem die Bildungsblogger, aber auch praktisch alle sonstigen etwas bekannteren und langjährigen Frankfurter Blogger und Twitterer. Der Trend ist deutlich: Die Szenen unterliegen einer immer weitergehenden Ausdifferenzierung, und damit einher geht die sich vertiefende Fragmentierung der Öffentlichkeit, wie es Jürgen Habermas schon 2006 in seiner Rede zur Verleihung des Renner-Preises – unter Kritik – beobachtet hatte. Diese Entwicklung hält seitdem an und radikalisiert sich. Die Folge ist, daß die Ansprache im Web 2.0 immer individueller ausfallen muß; hier wäre evtl. etwas Finetuning zu empfehlen. Man muß wohl noch persönlicher werden, um sicherzustellen, daß man die relevante Szene auch wirklich erreicht – oder man definiert Relevanz in einem anderen Sinne neu, das mag sein. Weiterhin ist der idealistische Impuls in der Netz-Gemeinde offenbar am Schwinden. Die Kommerzialisierung greift um sich. Verfolgt man die Spuren, die der Abend auf Twitter und Instagram hinterlassen hat, so stellt man fest, daß sich unter den Teilnehmern beispielsweise in der PR Tätige ebenso fanden wie ein paar Werbeblogger, deren Auftritt sich eher wie eine Art Dauerwerbesendung ausnimmt, wie man es sonst nur vom privaten Rundfunk her kennt. Andererseits war da ein leibhaftiger FDP-Politiker zu sehen, der bei fast dreißig Grad Außentemperatur zu dem Termin im schwarzen Anzug und mit weißem Hemd erschienen war. Inhaltlich bleiben bisher ausschließlich Photos im Netz zurück mit ein paar knappen Anmerkungen, keine Blogposts. Das ist nicht viel. Insgesamt also bietet sich ein ganz anderes Bild als früher, das man zumindest vorläufig als einen Rückzug des kritischeren Teils der Szene aus solchen Events lesen kann. Wenn man sowieso das ganze Jahr die Kultur verfolgt, sind eben die Mitnahmeeffekte, die sich bisweilen bieten, nicht mehr so attraktiv, vielleicht abgesehen von der Kuratorenführung, die mit der Veranstaltung verbunden war.

Zur Kunst, also. Kuratorenführungen kennt man ja viele, die Führung durch Alexander Braun aber war sehr engagiert und gehaltvoll. Die Ausstellung „Pioniere des Comic“, zu der wir eingeladen waren, ist eine absolut sehenswerte kleine und sehr feine Schau, auf die man sich nur sehr schwer wirklich vorbereiten kann, wenn man sich mit den historischen Wurzeln des Genres bisher noch gar nicht beschäftigt hatte. Deshalb neigt man allzu leicht dazu, das Thema zu unterschätzen und als zu leicht zu befinden. Im Vorfeld lesenswert ist auf jeden Fall der Überblick von Constanze Hahn über das neuere Schrifttum zur Comic-Geschichte, der im Januar 2016 bei literaturkritik.de erschienen war. Wer Zuflucht bei Wikipedia nimmt, sollte unbedingt die englische Fassung wählen, denn die Artikel in der deutschen Version sind oft schon viele Jahre nicht mehr aktualisiert worden. So fehlen beispielsweise bei Artikeln, die sich bis zu zehn Jahre inhaltlich kaum mehr verändert haben, Bilder von historischen Comics, die man mittlerweile auf Wikimedia Commons und in den jeweiligen Artikeln der englischen Wikipedia findet – das wäre doch mal ein sehr schönes Betätigungsfeld für Wikipedia-Neuautoren. Die ursprünglichen Autoren sind offenbar inaktiv geworden oder interessieren sich nicht mehr für ihr früheres Thema. Von den Zeitungen, deren Seiten in der Ausstellung gezeigt werden, sind sonst leider keine Digitalisate im Netz verfügbar. Das holzreiche Papier, das um die Jahrhundertwende zum Zeitungsdruck verwendet worden war, zerfällt zunehmend, und viele Exemplare waren nach der Verfilmung auf Microfiches vernichtet worden – wobei nur die schwarz-weißen Inhalte verfilmt wurden, weil farbige Bilder auf dem Mikrofilm nicht dargestellt werden konnten. So kommt es, daß der umfangreich bebilderte etwa 270-seitige Katalog durchaus als eine Referenz zum Thema im ganzen dienen kann.

Gezeichnet wurde auch vor dem Aufkommen der Comics schon häufig, bissig oder unterhaltsam. Bei der Einführung in die Ausstellung wird aber deutlich, worin eigentlich die „Avantgarde“, also das Innovative der ersten Comics bestand: Den Zeichnern eröffnete sich mit einem Mal ein breites Betätigungsfeld. Sie hatten viel Spielraum, um Neues auszuprobieren, denn die Verlage wußten noch nicht, was bei den Lesern mehr oder weniger gut ankommen würde. Deshalb ließen sie den Künstlern viel Freiraum, sich auszuprobieren, und sie nutzten ihn, bis hin zu selbstreflexiven und surrealen Geschichten, lange vor dem Aufkommen des „Surrealismus“. Die thematische und formale Formatierung aus kommerziellen Erwägungen kam erst sehr viel später. Aus technischer Sicht neu war der aufwendige Farbdruck, der nur für die Comic-Seiten zur Anwendung kam, ebenso die neue Technik, Papier herzustellen – zwar mit den vorgenannten Problemen für die Langzeitarchivierung infolge des hohen Holzanteils, was aber kurzfristig natürlich ohne Belang war, denn nichts ist bekanntlich so alt wie die Zeitung von gestern, man wirft sie leicht weg, morgen kommt die nächste heraus, und am darauffolgenden Wochenende gibts den nächsten Comic – teils waren es Fortsetzungsgeschichten, sie sollten sich aber wohl eher zum jederzeitigen Einstieg ad hoc eignen.

Die Comics dieser Zeit um die Jahrhundertwende in den USA waren vor allem eine Form der Popularisierung von Kunst, weil sie eine sehr große Verbreitung fanden. Das bringt sie in die Nähe der zweiten Ausstellung zum „Farbholzschnitt in Wien um 1900“, die parallel dazu gerade ebenfalls in der Schirn stattfindet. Der Unterschied im Produktionsprozeß und beim Produkt könnte nicht größer sein, aber in beiden Fällen handelte es sich um Ansätze, die dazu führten, daß Kunst sehr viel besser sichtbar wurde, man konnte es sich eher leisten, und soweit die Zeitungen betroffen waren, mag mancher noch bis in die Gegenwart hinein den tieferen Blick, den manche Geschichte auf den Alltag und unsere Wahrnehmung eröffnet, gar nicht bemerken. Tatsächlich aber haben die frühen Comics vielfach spätere Werke vorbereitet, etwa in den Motiven, die Lyonel Feininger später immer wieder in seine Bilder einbrachte. Sie gehen häufig auf seine Zeit als Karikaturist und Comiczeichner zurück, wie auch die Einkünfte, die er daraus bezog, eine wichtige Voraussetzung für seinen weiteren Werdegang als Künstler sein sollten. Der Comiczeichner war in den Anfangsjahren nämlich kein prekärer Nebenjob, sondern eine ziemlich einträgliche Tätigkeit. Der Unterschied im künstlerischen Ergebnis besteht vor allem in der hohen Auflage der Zeitung im Vergleich zu den Holzschnitten als Einzelstücke, die qualitativ abhängig sind vom jeweiligen Farbauftrag und vom dem Druckvorgang im Einzelfall. Während im einen also sowohl die Kulturindustrie als auch der spätere Factory-Ansatz der Popart-Künstler sich zeigt, steckt im Farbholzschnitt trotz allem noch ein Rest von Aura, die aus dem handwerklichen Fertigungsprozeß herrührt.

Jeweils Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main: Pioniere des Comic. Eine andere Avantgarde. Kurator: Alexander Braun. Bis 18. September 2016. – Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900. Kurator: Tobias G. Natter. Digitorial. Bis 3. Oktober 2016.

Als flöge sie nach Haus

Der Sommer sorgt für Leere in meinem Feedreader. Je besser mir die Autoren bekannt sind, desto weniger schrieben sie jüngst. Und so geht es mir auch. Aber da ist noch mehr. Ich denke an Roger Willemsens Knacks: Wann wurde man nicht, was man hätte sein können? (2008, 25). Auf das Bloggen übertragen: Wann hörte man auf, wenn man auch hätte weiter bloggen können? Und, bezogen auf den Selbstmord von Kindern, fuhr Willemsen kurz darauf fort: als flögen sie nach haus, in Anspielung auf Eichendorff (27). Wo ist der Blogger zuhause? In seinem Blog? Freilich: Nicht einmal da.

Es hört aber nicht auf, sondern es ändert sich. Das Bloggen als tägliche Übung – eher nicht. Als allfälliger Zwischenruf – schon eher. Als ein Innehalten auf dem Weg nach haus – vielleicht. Als ein Schreiben, das neben anderen Formen des Schreibens steht – ganz sicher.

Mein Schreiben ist in den letzten Monaten wieder privater geworden. Es ist leiser geworden, auch konzentrierter. Und länger. Wie mein Lesen, das weggeht vom sogenannten Online-Journalismus, der so schnell produziert wird, daß er weitestgehend ohne Recherche auskommen muß, hin zu gründlicheren Texten. Ein Beispiel: Ich habe nichts Ausführlicheres und Lesenswerteres gefunden zum Thema Brexit als die Sonderausgabe des German Law Journal. Vierundzwanzig nachdenkliche Beiträge – lesen, wer es noch nicht kennt! Überhaupt der Reichtum an frei verfügbaren Texten aus Archiven und diversen Plattformen, die sich vom Alltagsrennen lösen, die den schnellen Atem nicht mögen, die zurück schauen und Halt geben, statt sich zu verzetteln. Auch das ein Ergebnis meines Nachdenkens darüber, wie man sich informieren sollte. Es gibt den Weizen, nicht nur die Spreu.

Ich schreibe wieder längere Texte, wie früher, und ich schreibe sie zuerst für mich. Vielleicht veröffentliche ich den einen oder den anderen einmal. Aber bis dahin muß er reifen, und das könnte er nicht, wenn er sofort ans Licht gezerrt würde, wie es beim Bloggen geschieht.

Erneut: Nichts gegen das Bloggen. Ich schreibe schon lange im Netz, und ich werde das auch weiter tun. Aber ich werde es weniger oft tun. Und es wird ganz sicher auch eine Form der persönlichen Selbstfindung und der -vergewisserung, wie ich die schneeschmelze immer verstanden habe und wie es auch für den albatros gilt. Selbstvergewisserung durch Notizen, durch Kundgabe an andere, durch Teilnahme am großen Diskurs in den Netzen, auch wenn die Stimme noch so klein sein mag, auch wenn sie noch so wenig gehört werden mag. Sie ist wie eine digitale Flaschenpost, die man in das große Meer wirft und die irgendwann irgendwer schon finden mag. So laßt uns denn eine Flaschenpost schreiben und versenden. Die Welt braucht sie – mehr als das Ephemere, das lieblos Dahingeschluderte.

Der rasende Reporter 2016

Deutschlandfunk-Wissenschafts-Redakteur Maximilian Schönherr berichtet über den derzeitigen Stand der mobilen Produktionstechnik beim Hörfunk. Von der Smartphone-App ins Studio. Er schließt: dieser blogeintrag wird sich in zwei jahren voll retromäßig lesen. die entwicklung ist rasend schnell. Siehe auch den Beitrag zum Podcasting gestern bei den Netzpiloten.

Auf weiterhin gute Zusammenarbeit

Die Szene löst sich gerade auf, wenn auch nur langsam. Reste von kalten Platten stehen herum, oder war das Kuchen? Halbleere Sektflaschen, Orangensaft, Mineralwasser in Plastikflaschen und letzte Plastikbecher. Das Catering war umfassend. Es ist etwas geschehen. Die Gespräche gehen weiter, natürlich. Die Stimmung ist gelöst, es ist vorbei. Die Dame vom Fischer-Verlag scheint zufrieden. Das war das Treffen, das Suhrkamp, Fischer und Hanser für ihre Literaturblogger am Freitagnachmittag zur Primetime auf der Frankfurter Buchmesse ausgerichtet hatten. Im beweglichen Zeit-Raum für die digitale Contentindustrie und deren Gesprächspartner im Netz. Es hat ihnen so gut gefallen, daß sie bleiben werden.

Flucht und Recht

Es kommt selten vor, daß aktuelle Rechtswissenschaft in die Massenmedien findet, noch viel, viel seltener als Naturwissenschaft. Daher umso überraschender das Gespräch, das Karin Beindorff in „Essay und Diskurs“ mit Katja S. Fischer von der Universität Leicester über deren einstiges Dissertationsthema geführt hat, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Verursachung von Flucht, die sie als einen Eingriff in die Souveränität anderer Staaten ansieht. Ist zwar schon 15 Jahre her, daß sie über das Thema bei Christoph Gusy in Bielefeld gearbeitet hatte, aber derzeit sehr aktuell.

Das Bundesverfassungsgericht hatte gestern das Versammlungsverbot in Heidenau für mit Art. 8 I GG unvereinbar erklärt, den diesbezüglichen Beschluß des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die versammlungsrechtliche Allgemeinverfügung des Landratsamtes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im Wege der Einstweiligen Anordnung wiederhergestellt (BVerfG, Beschluß vom 29. August 2015 – 1 BvQ 32/15).

Blogger rufen zu Spenden und zu Solidarität für die Flüchtlinge auf, die derzeit nach Europa kommen (via internet-law). Eine notwendige Aktion, um Flagge zu zeigen gegen Rechts.

WordPress nach EPUB und weiter

WordPress und andere Blogsysteme haben zwar eine Exportfunktion, bieten aber sonst keine komfortablen Exportmöglichkeiten. Heraus kommt eine WordPress-XML-Datei, mit der man erst einmal wieder etwas anfangen können muß. Mit anderen Worten: WordPress ist ein Datensilo, das auch mit den üblichen Tools wie wget nicht mehr zu befreien ist.

Zehn Jahre lang Texte im Web an unterschiedlichen Stellen: Darunter war soviel Gutes, daß man daraus getrost ein E-Book machen könnte. Aufgabenstellung: WordPress-XML nach EPUB/PDF.

Für WordPress gibt es Plugins, Konverter für die Kommandozeile gibt es anscheinend nicht. Ein interessanter Weg führt jedoch über das Schweizer Taschenmesser für E-Books, Calibre: Man kann damit nämlich beliebige RSS-Feeds als Nachrichtenquellen abonnieren, timer-gesteuert einlesen und nach EPUB konvertieren. Diese Python-Lösung ist eigentlich für den E-Book-Reader für unterwegs, fernab der Datennetze gedacht. Damit geht aber noch mehr, denn aus EPUB geht es direkt aus Calibre per Export weiter in viele andere Formate. Eine Alternative zur Weiterverarbeitung ist dann Pandoc, das auch von EPUB nach LaTeX, OpenDocument-Text (ODT) und MediaWiki umsetzt. Und natürlich nach MarkDown. Beziehungsweise mit Sigil – zur Not redigiert man den EPUB-Quelltext direkt mit irgendeinem fähigen Editor.

Die Grenze dieses Workflows liegt in der Zahl an Artikeln, die per RSS auf einmal ausgeliefert werden können, hier wird man ggf. über spezielle Export-Kategorien oder -Tags nachhelfen müssen, für die es ja jeweils eigene Feeds gibt. Und natürlich müssen es Volltext-Feeds sein. ;) Just a work-around. Still diggin'.

Ich möchte lieber nicht

Blogplaneten aggregieren die RSS-Feeds von vielen Blogs zu einem bestimmten Thema und bringen dadurch Autoren und Leser zusammen. Der Betriebswirt würde es wahrscheinlich eine „Win-Win-Situation“ nennen. Und nun möchte einer der bekannteren Blogplaneten, Jurablogs, die teilnehmenden Blogger zahlen lassen: Fünf Euro soll es für Klaus Graf zukünftig pro Monat kosten, damit seine Beiträge, die er in „Archivalia“ mit „Archivrecht“ taggt, dort weiterhin ungekürzt verbreitet werden. Sonst würden nur noch fünf Blogposts pro Monat transportiert. Wohlgemerkt: Sein Blog ist ein ehrenamtliches und hochwertiges Projekt aus der Wissenschaft für die Wissenschaft – und weit darüber hinaus. Er werde das nicht tun, liest man in seinem Blog, das lange schon gleich über mehrere Blogplaneten für Historiker und Bibliothekare zu lesen ist, die allesamt umsonst verbreitet werden. Diesen Betreibern geht es um Qualität, nicht um Zahlungskraft. Eine Ansammlung von Werbeplazierungen wird da demnach also bei Jurablogs geboten. – Auch als Leser: Ich möchte lieber nicht, sagte Bartleby. Es gibt genug Gutes zu lesen da draußen im Netz, zuhauf.

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