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BibTeX 0.99 is the end of the line

Die letzte Version von BibTeX ist bekanntlich 0.99. Oren Patashniks Anleitung „BibTeXing“ trägt das Datum vom 8. Februar 1988, und diese Version ist noch immer Teil des BibTeX-Pakets, das mit den heutigen TeX-Distributionen ausgeliefert wird, hier beispielhaft TeX Live 2024:

% bibtex --version
BibTeX 0.99d (TeX Live 2024)

Das ist auch die Version, die in der dritten Auflage des LaTeX Companion erwähnt wurde (in Band 2 auf S. 378 ff.). Hier erhält der Begriff der Stabilität von Software also eine ganz neue Größenordnung.

Bei der TUG 1994 hatte Oren Patashnik BibTeX 1.0 beschrieben, und sein Aufsatz endete:

To conclude the paper: I can’t say for sure when BibTeX 1.0 will actually appear; a beta-test version might exist by the end of 1995. But as soon as it’s avdable it will be announced on comp.text.tex.

Die Newsgroup comp.text.tex existiert zwar immer noch, sie spielt für solche Ankündigungen aber bei weitem nicht mehr die Rolle, die sie 1994 zweifellos noch hatte.

Am Rande einer Diskussion um die Zukunft der Literaturverwaltung in der texhax-Liste äußerte Karl Berry am 22. Mai 2024, dass es sehr wahrscheinlich kein BibTeX 1.0 mehr geben werde.

Das habe vor allem Kompatibilitätsgründe. Alle Features, die man damals vermisst habe, seien mittlerweile anderweitig bereitgestellt worden, sei es als Erweiterung oder als vollständiger Ersatz. Würde BibTeX mithin heute noch einmal in dem damals vorgesehenen Umfang erweitert, könne es zu vielen Problemen kommen:

bibtex-1.0, or maybe not

Hi Norman and all,

(Replying to tug.org. = Seemed like a new Subject: line was in order.)

A final fragment of my motivation was that this might start a conversation about bibliographies, in a world where bibtex v0.99 has been current, and v1.0 has been anticipated, since 1988.

I’ve talked with Oren from time to time about the putative 1.0. It seems like there’s an insuperable compatibility problem to making any meaningful changes. As a basic example: a „url“ field is obviously needed nowadays. But if he adds a url field to the standard styles, there will inevitably be usage conflicts (at the bib level, the bst level, the tex level, wherever) with the existing url fields that have been added by many other styles. On the other hand, if he invents a new field name, say „bibtexurl“, it’s even worse – then bib files would have to duplicate url and bibtexurl. So there seems no good way to add it.

If one takes compatibility as paramount, which we do, together with the fact that virtually everything of interest has already been implemented one way or another, it seems there’s no way to make a useful 1.0. Anything that he changes has problematic downstream side effects with no apparent overriding benefit. Looking at Oren’s 1994 bibtex 1.0 article, tug.org just about everything in there that matters is already available. It’s already been extended to Unicode (bibtexu), not to mention completely replaced (biber, biblatex) if one prefers to go that way.

My feeling is that, more or less like the TeX input language, the .bib input language seems to have been flexible enough to survive the aging of the original processor.

So, barring some brilliant new idea about how to proceed, I think 0.99 is the end of the line for original BibTeX. It does its job, which is still good enough for a large percentage of real-world cases. OTOH, if anyone does have an idea for something that could be added to original bibtex while retaining compatibility, Oren is ready to listen. –best, karl.

Das alles ist freilich wenig überraschend. Aber wenn man es dann abends so auf dem Bildschirm vor sich sieht, hat es doch auch wieder eine gewisse Endgültigkeit, und ich merke, dass auch ich insgeheim immer noch mit einer Version 1.0 gerechnet hatte.

Was heißt das für den Anwender?

BibTeX als Austauschformat ist weit verbreitet. Die Verlagsportale und die Bibliothekskataloge stellen es für den Export bereit, und das ist auch gut so, denn es ist zuverlässig zu parsen und kann leicht in die Literaturverwaltungen importiert und auch wieder aus ihnen exportiert werden. BibTeX als Datenformat für bibliografische Daten ist ausgereift und bewährt. Daran wird sich auch nichts mehr ändern, denn eine Alternative für den Endanwender ist nicht ersichtlich.

Auch BibTeX als Programm wird es weiterhin geben. Es ist standardmäßiger Bestandteil der TeX-Distributionen, und daran wird sich nichts ändern. Es wird ebenso weiter verfügbar bleiben wie TeX als Format und als Programm. Wer will, kann auch weiterhin BibTeX als Programm verwenden, ggf. mit den Erweiterungen für Unicode-kodierte Daten (bibtexu).

Konsequent wäre es dann aber, gleich den ganzen Unicode-basierten Workflow auf LuaTeX, Biblatex und Biber umzustellen.

Der Wanderer 114

Nur bei den französischen und Schweizer Websites liest man heute Abend schon etwas darüber. Außerhalb der französischen Welt hatte man ihn längst aus den Augen verloren. Bernard Pivot, der Literaturpapst von der anderen Seite des Rheins, ist heute gestorben. Und mit ihm geht wieder ein Teil der 1980er Jahre unter, mit den großen Literatursendungen, den großen Debatten unter alten weißen Männern. Als das Buch noch prägend war und man gelesen haben musste, um die Gespräche zu verstehen, um Anspielungen nachvollziehen zu können. Lange her, so lange schon. – R.I.P.

Der Wanderer 113

Habe heute den Samstag teilweise vorgezogen. Habe was Gutes gekocht. Habe was Wichtiges gelesen. Habe nachgedacht. Das war schön.

Heute war auch Eröffnungsabend des Salzburger Stiers 2024. Das Radio feiert das Kabarett, und das schon seit 1982 in ununterbrochener Reihe. Ist schon was Größeres, wie man auf der Website des Preises sehen kann, wo die Sendetermine in den Hörfunkprogrammen zusammengestellt sind. Nur Österreich 1 und SRF 1 übertrugen live; morgen Abend sollen noch der MDR und Rai Südtirol zur eigentlichen Preisverleihung hinzustoßen. Den anderen deutschsprachigen Programmen ist dieses ziemlich hochwertige Angebot nur eine Konserve wert. Live-Übertragungen am Abend gibt es in der ARD nur noch manchmal für Fußballspiele, selten für klassische Konzerte, noch seltener für Jazzkonzerte, aber das ist schon sehr selten.

Keine Post. Kein Anruf.

Der Wanderer 112

Während die ARD damit begonnen hat, ihre Kulturwellen und ihre Nachrichtenprogramme kaputtzuschrumpfen, wird beim ORF das Kulturprogramm Österreich 1 sogar leicht ausgebaut. Und während die ARD viele Webchannels eingestellt hat, streamt Radio France mit Concerts Radio France eines der schönsten Internetradios, das ich kenne. Dort laufen rund um die Uhr Mitschnitte von Livekonzerten des hauseigenen Sinfonieorchesters. Schön an- und abmoderiert. Und kein Klein-Klein, sondern am ganzen Stück, vom ersten Takt bis zum Schlussapplaus. Hören, solange es das noch gibt.

Der Wanderer 110

Brahms. Lieder (Song Transcriptions; arr. Reger). Rudolf Buchbinder, Klavier. Deutsche Grammophon. 2024.

Der Wanderer 109

Es war ein ziemlich warmes Wochenende. Noch nicht heiß, aber schon sehr warm. Sehr schnell war es so warm geworden. Zu schnell. Das Sonnenlicht etwas getrübt vom Sahara-Sand in der Luft. Aber erst heute Morgen ist er auch auf der Balkonbrüstung und auf den Fenstern zu sehen. Die Natur ist noch ganz am Anfang, was den Fühling angeht, aber selbst die Birke, die immer zu den Nachzüglern gehörte, trägt nun ihre ersten neuen Blätter. Noch hellgrün. Noch ganz hellgrün.

Der Wanderer 108

Mein Feedreader lieferte mir an diesem Ostermontag zwei aufschlussreiche Beiträge, die ich gerne weitergeben möchte:

  • Der Hessische Rundfunk beschreibt, wie die Gemeindebücherei Egelsbach, hier bei uns im Kreis Offenbach, die 2012 aus Kostengründen geschlossen worden war, durch ehrenamtliches Engagement wiederbelebt worden ist. Die Bibliothek hat einen Bestand von derzeit 16.500 Medieneinheiten, es gibt 700 erwachsene Benutzer, und 500 Kinder und Jugendliche haben einen Leseausweis. Der Betrieb wird von 40 Ehrenamtlichen erbracht.
  • Im Deutschlandfunk interviewt Michael Köhler die Kultursoziologin Carolin Amlinger über die Trends beim Lesen und den Zusammenhang zwischen dem Lesen und der gesellschaftlichen Ungleichheit. Es geht ums Lesen als Klassenfrage: Das Verschwinden der privaten Bibliotheken. Das Schwinden der Überzeugung, wonach es einen Zusammenhang zwischen Lesen und sozialer Mobilität gebe. Auch um den Untergang einer alltäglichen Buch-, Lese- und Bibliothekskultur.
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