Samstag, 23. Februar 2019
„Tizian und die Renaissance in Venedig“ im Städel Museum, Frankfurt am Main
Tizian und die Renaissance in Venedig ist eine geballte Ladung Kunstgeschichte auf zwei Etagen. Die Ausstellung ist in Schwerpunkte gegliedert und erzählt die Neuansätze bei der Darstellung und der Funktion der Landschaft in der seinerzeitigen Malerei, der Darstellung von Frauen und Männern im Porträt sowie die Umsetzung antiker und biblischer Stoffe im Bild. Die Schau endet mit einem Überblick über die Rezeption der venetianischen Renaissance bis in die Gegenwart – darunter ein unerwartetes Wiedersehen mit zwei Bildern von Thomas Struth aus der Becher-Klasse (2017 an gleicher Stelle zu sehen), auf denen die museale Verarbeitung reflektiert wird. Bilder im Bild sind darauf zu sehen, darunter auch die Madonna mit dem Kaninchen aus dem Louvre, die im ersten Teil gezeigt wird.
Durchgehend sind Beispiele für bedeutsame Buchausgaben zu sehen, die die Bilder gut ergänzen. Die alten Bücher wirken besonders eindrucksvoll, weil sie die Typografie und die gestalterische und handwerkliche Kunst aus der Anfangszeit des Buchdrucks demonstrieren. Sehr schöne und hervorragend erhaltene Feder-, Kreide- und Pastellzeichnungen, teils weiß gehöht auf farbigem Papier, teils Studien, ergänzen die Gemälde, oft aus der grafischen Sammlung des Städel.
Es ist keine reine Tizian-Schau, sondern, wie der Titel sagt, ein Blick auf Tizian und Umfeld im Venedig um 1500, als die Malerei Farb- und Luftperspektive lernte, weiter Entferntes daher meist sehr blau, aber nicht mehr so flach wie noch kurze Zeit vorher bei den Italienern ausgeführt. Einen guten Eindruck von der Präsentation gibt dieses Werbefilmchen:
Der Weg durch das Haus zur Sonderausstellung führt übrigens durch eine weitgehend neu gehängte klassische Moderne, die ebenfalls sehenswert ist, weil sich dadurch neue Zusammenhänge erschließen und teils auch Werke aus dem Depot geholt wurden, die es absolut verdient haben. Außerdem ist Lotte Laserstein. Von Angesicht zu Angesicht noch bis 17. März zu sehen. Selten war das Städel an einem Freitagnachmittag so gut besucht wie gestern.
Tizian und die Renaissance in Venedig. Städel Museum, Frankfurt am Main. Kurator: Bastian Eclerc (Sammlungsleiter italienische, französische und spanische Malerei vor 1800, Städel Museum). Wissenschaftliche Beratung: Hans Aurenhammer (Goethe-Universität, Frankfurt am Main). Katalog und Begleitheft im Museum zu erwerben. Audioguide zur Miete. App für Android und iOS kostenlos. Digitorial. – Bis 26. Mai 2019.
Mittwoch, 23. Januar 2019
„Moderne am Main 1919–1933“ im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main
In der Ausstellung „Moderne am Main 1919–1933“, die vergangene Woche im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main zum Baushausjahr eröffnet worden ist, ist auch viel Neue Typografie und Vorarbeiten bzw. künstlerisches Umfeld zu sehen – wer also Gelegenheit hat, nach Frankfurt zu kommen, möge sich die Schau nicht entgehen lassen. Der kleinformatige, aber dicke Katalog ist auch schön gemacht und mit informativen Texten versehen. Leider muss man viel Wissen mitbringen, um die Zusammenhänge zwischen den Ausstellungsstücken und dem Hintergrund herzustellen, in der Ausstellung gibt es nur kurze Wandtexte, und der Katalog liegt leider auch nicht aus – ich habe das beim Gehen angeprangert, und das Museum verspricht Besserung. Wir haben etwas gewikipediat, um unsere Lücken zu füllen, und das ging gut.
Moderne am Main 1919–1933. Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main. Kuratiert von Grit Weber, Annika Sellmann, Klaus Klemp und Matthias Wagner K. Bis 14. April 2019. Katalog: 29 Euro.
Sonntag, 13. Januar 2019
Neuerscheinungen zur Netzpolitik XVIII
Geert Lovink hat ein neues Buch geschrieben. Der Essay, der dem Band den Namen gab, ist bei Eurozine vorab zu lesen. Er erscheint im Mai.
- Lovink, Geert. 2019. Sad by design. Eurozine. 10. Januar. www.eurozine.com (zugegriffen: 13. Januar 2019).
aus:
- Lovink, Geert. 2019. Sad by design. On platform nihilism. London: Pluto Press.
Freitag, 11. Januar 2019
Wildnis in Frankfurt und Mondrian in Wiesbaden
Die „Wildnis“, die derzeit in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main gezeigt wird, ist ein gutes Beispiel dafür, was ein Kurator bitte nicht machen sollte: Wer mit der Tür ins Haus fällt und gleich im ersten Raum Thomas Struth, Gerhard Richter und Henri Rousseau (und zwar in dieser Reihenfolge) verbrät, kann sich kaum noch steigern. Hundert Bilder, Skulpturen, Assemblagen und Videos, und es kommt kaum noch wirklich Überzeugendes mehr nach.
Die Künstlichkeit der Kunst – geschenkt – wer hätte das nicht schon gewusst, dass die Bilder „in der Werkstatt“ entstehen. Okay, am Ende kommt es dunkelrot, und wo kommt eigentlich der viele Nebel her? Aber will man das wirklich wissen?
Die Wildnis, die hier gezeigt wird, setzt um die Mitte des 19. Jahrhhunderts ein, und es ist zunächst einmal eine dokumentierte Natur. Es gab ja gerade erst eine gewisse Irritation über das Format der Reportage, und als hätten sie sich abgesprochen: Auch hier wird das Hochgebirge gefaket, und die untergehende Sonne strahlt rot, als käme sie direkt aus dem Abklingbecken der Kunstgeschichte.
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen, aber hier ist es einfach zuviel. Man denke sechs Jahre zurück, da gabs sowas schon mal in der Schirn, die „letzten Bilder“, die ziemlich zusammenhanglos und assoziativ gelockert nebeneinander an der Wand hingen. Nichts verband sie, als dass es eben mehr oder weniger zufällig die letzten ihrer Art waren. Ganz ähnlich hier: Irgendwas mit Natur. Die längste Kegelbahn der Welt ist nicht leicht zu bespielen, aber etwas mehr Raum gelassen, und Helmut Middendorfs Electric Night käme zur Wirkung; hier aber: wie in einer Ecke abgestellt, wo gerade noch dafür Platz war. Die beiden Werke von Jean Dubuffet bleiben im Gedächtnis.
Ein gutes Gegenbeispiel für eine größtenteils geglückte Dramaturgie ist dagegen die Ausstellung zu Piet Mondria(a)n, die derzeit im Museum Wiesbaden zu sehen ist. Fast der ganze Mondrian ist in, wenn ich mich noch richtig erinnere, sieben oder acht Räumen zu sehen. Von der frühen Landschaftsmalerei zu den bekannten Kompositionen mit Rechteckmuster in den Primärfarben rot, gelb und blau – der Museumsshop verkauft dazu die passenden Brillenputztücher und Servietten, falls man das mag.
Nur bitte nicht auf die Idee kommen, die Bilder wären chronologisch gehängt – das sind sie nicht. So entgeht einem das Hin- und Herschwingen zwischen figurativen und abstrakten Malweisen zwischen These, Antithese und Synthese, auch bei den Materialien, über Jahrzehnte hinweg.
Und es hätte nicht so enden müssen. Das rote Quadrat im letzten Raum war nicht zwingend oder unvermeidlich. Es wirkt eher wie eine Form, die auf etwas wartet, das dann noch folgt.
Wildnis. Kuratorinnen: Esther Schlicht und Johanna Laub. Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main. Bis 3. Februar 2019. – Digitorial.
Piet Mondrian. Natur und Konstruktion. Kurator: Roman Zieglgänsberger. Museum Wiesbaden. Partner: Gemeente Museum, Den Haag. Bis 17. Februar 2019.
Mittwoch, 9. Januar 2019
TeX: A branch of desktop publishing evolution
Die letzte und die folgende Ausgabe der IEEE Annals of the History of Computing widmen sich der Geschichte des Desktop Publishings. Darin auch ein zweiteiliger Aufsatz zur Geschichte von TeX:
- Barbara Beeton, Karl Berry, and David Walden: TeX: A branch of desktop publishing evolution. In: IEEE Annals of the History of Computing, 2018 and 2019. Part 1: vol. 40, no. 3, pp. 78–93, July-September 2018. doi.org – ieeexplore.ieee.org
Ergänzende Materialien findet man auf der Website der TeX Users Group.
Dienstag, 1. Januar 2019
Some TeX Developments, TeX und GitHub, Org-mode 9.2, MediaWiki2LaTeX, Variable Fonts
Das neue TeX-Jahr beginnt mit einem Glückwunsch an Joseph Wright: Nachdem bereits TeX & Friends auf sein Zehnjähriges zurückgeblickt hatte, ist es heute auch für Some TeX Developments soweit, wie wir nebenan lesen.
Das Beispiel zeigt: Die teXnische Blogosphäre hat sich etabliert, auch wenn die Abrufzahlen im Vergleich eher niedrig sind, leisten doch auch die Blogs einen wertvollen Beitrag zur Information und zur Dokumentation über die Mitgliederzeitschriften und die Webforen hinaus.
Joseph Wright hat aber auch noch einmal bekanntgegeben, dass er sein Blog von WordPress auf GitHub Pages umgestellt habe. Dementsprechend liegt der RSS-Feed nun unter www.texdev.net, und das eigentliche Blog liegt nicht da, sondern dort. Etwas verwirrend. Aber: Der Trend zu kommentarlosen Blogs hält also an, ich bin nicht der einzige, der es so macht. Und auch der Trend zu Blogs mit statischen Seiten ist ungebrochen.
Bleibt nur zu hoffen, dass es den TeX-Projekten mal nicht auf die Füße fallen wird, dass man in der Zeit ab 2018 so sehr auf GitHub gesetzt hatte. Nach dem LaTeX Project und der englischen TeX-FAQ nun also auch Blogs. Dezentralisierung wäre angesagt.
Der auch von TeX-Anwendern häufig verwendete Org-mode beispielsweise betreibt sein eigenes Git-Repositorium. Zwischen den Jahren wurde Version 9.2 veröffentlicht, die ggf. einige Änderungen in der Konfiguration erforderlich macht. – Beim 35C3 hat es eine Assembly von Karl Voit zu Org-mode gegeben – kein Video, aber die Gliederung zum Vortrag ist veröffentlicht worden, wie sich das halt so gehört für einen Talk zu einem Outliner.
Über MediaWiki2LaTeX hatte ich zuerst (und zuletzt) 2013 geschrieben. Dirk Hünninger hat sein Projekt jetzt in einer neuen Version auf WMFLabs bereitgestellt. Man kann damit nicht nur Seiten aus Wikimedia-Projekten, sondern beliebige MediaWiki-Seiten online nach PDF, EPUB oder ODT wandeln. Der LaTeX-Quelltext kann gezippt heruntergeladen werden. Das Projekt steht unter einer GPL-Lizenz und steht nicht auf GitHub, sondern auf Sourceforge zur Verfügung.
Zum Schluss ein Hinweis auf einen Beitrag zur Typografie: Christoph Zillgens erklärt in t3n , was es mit Variablen Fonts auf sich hat, ein neues OpenType-Feature, das man in der deutschsprachigen Wikipedia noch vergebens sucht, nur die englische und die russische haben dazu einen Artikel. Und natürlich das Typolexikon von Wolfgang Beinert. Seit Ende 2018 sollten demnach alle relevanten Webbrowser Variable Fonts unterstützen, so dass man sie demnächst wohl denn auch häufiger sehen wird.
Sonntag, 23. Dezember 2018
Zweimal ConTeXt und Open Access für TUGboat
Stefan Kottwitz weist auf eine neue Einführung zu ConTeXt hin, die Axel Kielhorn auf GitHub veröffentlicht hat. Context-Intro erklärt auf insgesamt 45 Seiten, was es mit der Alternative zu LaTeX auf sich hat. Das PDF ist etwas versteckt in einem Unterverzeichnis zu finden.
Weitere Einführungen findet man übrigens in der Zeitschrift der TeX Users Group TUGboat, in der mindestens 16 Aufsätze zum Thema erschienen sind, zuletzt ConTeXt for beginners von Willi Eggers. Es gibt dort aber sicherlich noch mehr Beiträge, die ConTeXt betreffen, interessant dürfte auch Exporting XML and ePub from ConTeXt von Hans Hagen sein.
Was uns zu der revidierten Open-Access-Policy von TUGboat führt: Seit diesem Jahr ist das Online-Archiv der Zeitschrift allgemein zugänglich. Nur die jeweils neueste Ausgabe bleibt zunächst den Mitgliedern vorbehalten. Viel Stoff zum Stöbern, also. Ein Fundgrube für TeX-Anwender.
Der Trend zum freien Zugriff steht leider in einem gewissen Widerspruch zur Praxis in der TeX-Gemeinde, was die Kommunikation angeht. Man zieht sich immer mehr auf die geschlossenen Kanäle zurück und vernachlässigt die öffentlichen Listen und Newsgroups. So wurde denn auch die Veröffentlichung von Context-intro zuerst in der geschlossenen Vereins-Mitgliederliste von DANTE bekanntgegeben und danach erst anderweitig verbreitet. Der Trend zum digitalen Biedermeier, in dem sich die geschlossenen Hinterzimmer immer weiter ausbreiten, dürfte im ganzen nachteilig für TeX and Friends sein. Ich wurde vor etwa 20 Jahren nicht zuletzt deswegen auf LaTeX aufmerksam, weil die Community damals sehr offen aufgetreten und unmittelbar zugänglich war, jedenfalls zugänglicher als heutzutage. Freie Software gehört ins freie Web.
Donnerstag, 20. Dezember 2018
LibreOffice bald ohne eigene Literaturverwaltung
LibreOffice wird sehr wahrscheinlich seine Literaturverwaltung ab Version 6.4 oder 6.5 abschaffen. Begründung: Die alte Lösung sei ungenügend. Sie zu erweitern, sei zu aufwändig. Es gebe freie Alternativen wie Zotero, JabRef oder Mendeley. Dagegen kann man wenig einwenden.
Mittwoch, 19. Dezember 2018
Neuerscheinungen zur Netzpolitik XVII
- Böhm, Markus. 2018. Manipulation der US-Öffentlichkeit: Das verraten zwei neue Studien über Russlands Propaganda. Spiegel Online, 18. Dezember, Abschn. Netzwelt. www.spiegel.de (zugegriffen: 18. Dezember 2018).
- Brühl, Jannis. 2018. Merkel warnt vor „Vernichtung der Individualität“. sueddeutsche.de, 4. Dezember, Abschn. digital. www.sueddeutsche.de (zugegriffen: 5. Dezember 2018).
- Endt, Christian. 2018. Aktivisten stellen alle Bundesgesetzblätter ins Netz. sueddeutsche.de, Abschn. digital. www.sueddeutsche.de (zugegriffen: 10. Dezember 2018).
- Fanizadeh, Andreas. 2018. Oodi-Bibliothek in Helsinki: Bollwerk gegen Populismus. Die Tageszeitung: taz, 17. Dezember, Abschn. Kultur. www.taz.de (zugegriffen: 17. Dezember 2018).
- Hermann, Jonas. 2018. Haben Bots die Debatte um den Migrationspakt einseitig beeinflusst? Neue Zürcher Zeitung, 13. Dezember, Abschn. Deutschland. www.nzz.ch (zugegriffen: 18. Dezember 2018).
- Lembke, Gerald und Ingo Leipner. 2018. Die Lüge der digitalen Bildung: warum unsere Kinder das Lernen verlernen. 3., überarbeitete Auflage. München: Redline Verlag.
- Muth, Max. 2018. Wann ist ein Bot ein Bot? Süddeutsche Zeitung, 18. Dezember, Abschn. digital. www.sueddeutsche.de (zugegriffen: 18. Dezember 2018).
- N.N. 2018. Urteil: Krankenkassen dürfen Foto von Versicherten nicht dauerhaft speichern. Spiegel Online, 18. Dezember, Abschn. Wirtschaft. www.spiegel.de (zugegriffen: 18. Dezember 2018).
Nachtrag am 19. Dezember 2018: Laut dpa haben sich CDU und Bündnis 90/Die Grünen in Hessen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. In der neuen Landesregierung werde es
ein neues Digitalministerium unter Führung der CDU geben
liest man in der Frankfurter Rundschau.
Sonntag, 16. Dezember 2018
Thunderbird und Manually sort folders II
Jonathan Protzenko hat sich in der bereits erwähnten Diskussion gemeldet und angekündigt, Manually sort folders auch auf ATN auf den neuesten Stand zu bringen. Das Add-on wird also weiter gepflegt und steht wieder zur Verfügung.